RADON Skeen 100 9.0 – Testfazit: von Th und c_g
Im Testintro berichtete ich bereits zweimal über alle Spezifikationen und die Ausstattung des Skeen 100 9.0 und im Zwischenstand über meine bisherigen Fahreindrücke. Das getestete Bike ist das derzeitige Topmodell unter den 29er Fullies der 100-Millimeter-Klasse des Bonner Direktversenders RADON. Und mit derzeit meine ich, dass es mit seinem Alurahmen und der soliden Ausstattung auf XT-Niveau durchaus noch Luft nach oben lässt und so die Hoffnung schürt, dass die Direktversender aus Bonn in der Zukunft noch mal eins obendrauf legen werden.
Und damit sind wir auch schon bei dem Hauptkritikpunkt, den wir an dem race-orientierten Fully bisher finden konnten – das hohe Gesamtgewicht. Das Skeen, wie ich es kennengelernt habe, schreit förmlich nach einem leichteren Carbonrahmen. Denn ansonsten bringt es alles mit, um damit auf der Rennpiste um Sekunden zu kämpfen.
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Schon die Geometrie des Alu-Rahmens zeigt mit seinem langen Oberrohr und der tiefen und leicht gestreckten Sitzposition deutlich die sportlich-ambitionierten Gene des Skeen. Wie im Zwischenstand berichtet, habe ich ja den positiv montierten Vorbau umgedreht. Schon bald wurde mir klar, dass das Bike dann selbst für mich als erfahrenen Racer einen Tick zu extrem wurde. Die Sitzposition war auch im Serientrimm schon recht sportlich. Der Ausbau der Sattelüberhöhung hat das Skeen mit negativem Vorbau schon fast frontlastig gemacht. Auch am plötzlich mangelnden Komfort weil zu viel Last auf den Armen war das deutlich zu spüren. Entspannte Touren sind so auf Dauer kein Vergnügen. Also drehten wir den Vorbau wieder in den Originalzustand und genossen die sportlich und dennoch voll langstreckentaugliche Sitzposition in vollen Zügen.
Und noch viel wichtiger: Beim Handling zeigt das Fully, dass es enge und verwinkelte Trails ebenso meistert wie steile Anstiege. Und nicht zuletzt auch schnelle oder technische Abfahrten. Egal was man ihm vorsetzt: das Skeen vereint sportliche Ambitionen mit einer hohen Universalität. Gerade in technischerem Terrain vermittelt dieses Bike ein für ein derart sportliches Bike außergewöhnlich hohes Sicherheitsgefühl und eine perfekte Fahrwerksbalance. Die edlen FOX Faxtory Federelemente lassen sich auch bei groben Patzern in der Linienwahl nicht wirklich aus der Ruhe bringen. Das Skeen 100 9.0 mag es auch sonst gerne schnell und ist in allen Facetten voll auf Vortrieb getrimmt. Und das gilt dank der Vollfederung und simultanem Lockout von Gabel und Dämpfer für beinahe jedes Terrain. Wer allerdings Bestzeiten am seinem steilen Hausberg auf den Trail brennen will oder sich im Wettkampf der Konkurrenz stellt, spürt die 12,7 Kilogramm deutlich. Die hochwertige und nur an wenigen Bereichen übergewichtige Ausstattung – die XT ist nunmal kein Leichtgewicht – tut wirklich alles, das Gewicht des Bikes in Grenzen zu halten. Dennoch: Wer mit dem Skeen 100 Bestzeiten beim Marathon erfahren will, sollte genauer prüfen, ob dieser Punkt eine für ihn oder sie relevante Einschränkung ist. Denn ein reines Racebike ist das Skeen genau deswegen nämlich nicht. Doch wie oben bereits geschrieben, ist das Gewicht das einzige Fragezeichen auf unserer Liste, was die Race-Qualitäten angeht – eine Schraube an der sich durchaus drehen lässt.
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Natürlich darf auch der wirklich attraktive Preis und die dafür gelieferte Ausstattung nicht vergessen werden. Wenn es um Preis-/Leistung geht bleibt sich RADON auch hier treu und leistet sich auch beim Skeen 100 9.0 keine Schwächen.
Die Ausstattung mit aktueller SHIMANO XT Gruppe in zeitgemäßer 2×11 Abstufungen (hier am Beispiel der 2×11 XTR im Saisontest belegt), dem leichten DT-SWISS Laufradsatz 1501 XR Spline One und das hochwertige FOX Factory Fahrwerk verfügt über reichlich Performance und überzeugte über die gesamte Testphase durch eine absolut zuverlässige Funktion. Wie bereits erwähnt: Das FOX-Fahrwerk lässt sich über einen Lenker-Remote gleichzeitig vorn und hinten blockieren der allerdings bedingt durch die doppelte Reibung im System auch hohe Bedienkräfte hat.
Im sauerstoffarmen Grenzbereich hatte ich mir den Lockout-Hebel mitunter leichtgängiger gewünscht. Der sehr wippresistenten und antriebsneutralen Kinematik und dem sportlich straffen Federweg von 100 mm ist es zu verdanken, dass ich bei meine Ausfahrten erstaunlich lange und viel im offenen Modus gefahren bin. Das Heck meldet auch dann kaum Antriebseinflüsse zurück. Erst bei hoher Kadenz (95+) wurde etwas Wippen sichtbar, spürbar wurde es jedoch nie. Dabei glänzten sowohl Federgabel wie auch der Dämpfer mit einem sehr sensiblen Ansprechverhalten und einem einfachen Setup. Sicher spielt dabei auch das Fahrergewicht eine Rolle: Mit maximal 75 Kilogramm inklusive Bekleidung zähle ich nicht unbedingt zu den Schwergewichten. Hart gefahren wurde es in den fordernden Trainingssessions aber ganz sicher.
Die SHIMANO XT-Antriebsgruppe zeigt auch am Skeen 100 9.0 ihre oft gelobten Qualitäten in Sachen Schaltperformance. Mit der Übersetzungsbandbreite der 36/26 Zweifachkurbel ist das Skeen nebst der 11-fach gestuften Kassette von 11 – 40 für wirklich jedes Terrain gerüstet. Gerade mit dem kleinen Kettenblatt lassen sich auch sehr steile Berge auch von Einsteigern oder Hobbysportlern sehr gut bewältigen. Speedeinlagen garantiert das 36er Kettenblatt. Bezüglich der Bedienkräfte der XT-Schaltung ist mir an unserem Testbike allerdings aufgefallen, dass diese im Vergleich zur XX1 an unserem RADON Black Sin Dauertester vergleichweise hoch sind. Allerdings habe ich mich nach nun einem Monat daran vollkommen gewöhnt und es fällt nur noch nach dem Bikewechsel auf. Die Gangwechsel erfolgen gewohnt präzise. Die XT-Bremsen sind wie eh und je über jeden Zweifel erhaben – kraftvoll und optimal zu dosieren.
Die DT-SWISS Laufrädern XR Spline One sind ein echtes Highlight an dem Bike. Sie sind nicht nur ein echter Hingucker, das Skeen 9.0 profitiert nachhaltig vom geringen Gewicht und deren sehr guter Steifigkeit. Der Zahnscheibenfreilauf greift immer zuverlässig. Gut: Der Laufradsatz ist tubeless-ready. Weniger gut: Die verbauten Schwalbe Rocket Ron’s in der LiteSkin-Variante sind es (zumindest offiziell) leider nicht. Sie passen mit ihrer Performance sehr gut zum Bike, lassen sich aber nur mit etwas mehr Aufwand zum schlauchlosen Betrieb bewegen. Wer unbedingt schlauchlos fahren will, nimmt das entweder in Kauf, oder muss auf andere tubeless-ready Reifen umrüsten
Der RACE FACE Turbine-Lenker in 740 Millimeter Breite und leichtem Rise wirkte anfangs auf mich enorm breit. Für ein Racebike hätte ich mir hier etwas gerades gewünscht, aber wenn man das Skeen 9.0 eben weniger als Racer, sondern mehr als sehr sportlicher Allrounder sieht, passt er wiederum sehr gut. Am Ende der Testphase hatte ich mich sehr wohl damit angefreundet. Ebenso die verbaute Sattelstütze und der Selle Italia Flite-Sattel mit Magnesiumgestell – beide sind eine gute Wahl und geben keinen Anlass zur Kritik.
Wenn der Aluminiumrahmen (mit Carbonwippe!) auch ein wenig wegen seines Gewichtes einstecken muss, so muss ich ihm neidlos zugestehen, dass er sich ausgesprochen steif anfühlt. Wie heute üblich bringt er eine X12x142-Steckachse am Viergelenker-Heck mit, ebenso PressFit-Innenlager und konischem Steuerrohr. Auch hier gibt es nicht zu kritisieren. Nichts knackte oder knarzte, obwohl ich ausnahmslos auf herbstlichen, feuchtem bis tiefnassen Trails unterwegs war. Der Dämpfer sitzt übrigens gut geschützt vor dem Sitzrohr und außerhalb der „Dreckflugzone“.
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Fazit: Das RADON Skeen 100 9.0 legte eine überzeugende Performance an den Tag. Die Ausstattung mit den leichten Spline One von DT Swiss und der kompletten 2016er Shimano-XT-Ausstattung nebst FOX-Fahrwerk bilden ein herrlich potentes Paket, um im Training und auf sportlicher Tour richtig Spaß zu haben. Auch für einen Hobbyracer bringt es alles mit, was man sich wünschen kann. Die einzig echte Einschränkung für ambitionierte Racer, die auf die Spitzengruppe abzielen, ist aber das rechte hohe Gesamtgewicht von 12,7 Kilogramm. Hobbypiloten, Spaß-Marathonisti, Alpenüberquerer und Tourer erhalten mit dem Skeen aber ein sehr gut ausgestattetes Bike zu einem Preis, der mehr als fair ist!
TH