MAGURA TS8 eLECT Federgabel – Testintro: von Fomeracer
Erst 2009 präsentierte SHIMANO seine erste elektronische Schaltgruppe, die Dura Ace Di2. Es folgt die Ultegra Di2 sowie seit letztem Jahr die erste elektronische MTB Schaltgruppe, die XTR Di2. Spätestens mit diesem Jahr, wo es sogar Rennen mit eigener E-Bike Wertung gab, war mir klar, dass die Zeit der elektronischen Komponenten an unseren Bikes angebrochen ist.
Ein Pionier in diesem Bereich ist auch der schwäbische Hersteller MAGURA. Sie habe bereits 2013 ihren automatischen Lockout – „eLECT“ genannt – vorgestellt. Seinerzeit durften unsere Redakteure c_g und Grannygear bei der Weltpemiere in Sedona (USA) dabei sein (hier und hier) und als eine der ersten freien Journalisten eine mit eELCT ausgestattete TRS8R Federgabel auch fahren. Ein Jahr später folgte dann der eLECT Dämpfer (c_g berichtetet davon) sowie ganz aktuell die erste elektronische Variostütze Vyron.
Es hat zwar seinerzeit nie mit einem TNI-Test der eLect Gabel geklappt, aber das holen wir jetzt nach. So haben wir nun die MAGURA Race Gabeln TS8, im Test (die c_g ja bereits ausführlich getestete hat) nur jetzt halt mit dem elektonischen Lockout-Dämpfungssystem „eLECT“.
Bevor wir aber „eLECT “ näher erläutern, kommen wir erstmal zu den technischen Daten der MAGURA TS8 eLect Gabel:
Spezifikation:
- Farbe: Weiß (auch in Schwarz erhältlich)
- Gewicht: 1740 g (gewogen), (Herstellerangabe: 1681 g)
- Ausfallende: 15×100 mm Schraub-Steckachse mit selbsthemmendem Sondergewinde und integriertem Tx25-Tool,)
- Discaufnahme: PM7 (also für 180 mm Scheiben, max. 210 mm)
- Federung: Luft
- Federweg: 100 mm (mit eLect auch für 120mm erhältlich, mit Standard Dämpfung auch größere Federwege bis 150 mm)
- Einbauhöhe: 510 mm (in der getesteten 100 mm 29er Version)
- Standrohrdurchmesser: 32 mm
- Einstellmöglichkeit: Zugstufe; Luftdruck; eLECT (Optionen: Auto, Manuell und Kalibrierung)
- Preis: 999 Euro (als TS8 eLECT)
- Fork Meister Concept: Spezielle Gleitlager, Abstreifer und eine hohe Oberflächengüte der einzelnen Parts in Verbindung mit dem „Fork Meister Grease“ sollen zusätzlich für ein sensibleres Ansprechverhalten sorgen.
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Kommen wir nun zu der Kernfrage, die ich mir schon vor dem Test gestellt habe: Was kann eine mit „eLECT“ ausgestattete Gabel besser als eine konventionelle?
Funktionsweise eLect: Der Grundgedanke von MAGURA’s TS8 eLECT ist eine mitdenkende Federgabel, die selbständig erkennt, wann der Fahrer eine sensible Federung braucht und wann er es effizient straff braucht – ähnlich wie das Terralogic von FOX oder das SPECIALIZED Brain – nur dass hier keine Massenträgheitsventile eingesetzt werden, sondern hier erstmals alles elektronisch gesteuert wird. MAGURA’s grundsätzliche Philosophie nimmt hier an, dass der Fahrer bergauf eine straffe Gabel braucht und bergab eine offene. Umgesetzt wird das ganze durch einen 3D- Beschleunigungssensor der im 0,5 Sekundentakt den aktuellen Neigungswinkel der Gabel abfragt und in Folge den die Gabel entweder blockiert oder freigibt. Das tolle daran, man kann das System individuell auf seine Bedürfnisse einstellen, d.h. den Bereich (Neigung) in dem das System umschaltet selbst definieren und kalibrieren. Magura sieht in ihrer Grundkalibrierung eine Bereich von +1,5° bis -1,5°in dem das System, automatisch arbeitet.
Aktiviert wird dieser „Automatikmode“ durch eine Knopfdruck auf den rechten Gabelholm, über den elektronischen Remote, kann jedoch dieser Modus jederzeit überstimmt werden, d.h. man kann jederzeit manuell das System öffnen oder schließen. Für den Sonderfall einer Stufe oder eines Springens reagiert das System zusätzlich über seine „Free Fall Detection“ und macht automatisch den Lockout auf um nach der sanften Landung, dann wieder abhängig vom Neigungswinkel zu agieren.
Zu dem gerade beschrieben Details, gibt’s auch das passende Video für Euch.
Die verschiedenen Modi im Überblick: Wie dort angesprochen, gibt es also zwei unterschiedliche Modi in denen man die Gabel arbeiten lassen kann – so wäre einmal der Automatikmodus. Hier registriert ein in die Dämpfungseinheit integrierter 3D-Beschleunigungssensor die Neigungen und eventuelle Stöße. Je nach Kalibrierung (dazu später mehr) erkennt er eine Neigung als „Bergauf“ oder „Bergab“ und öffnet oder schließt dementsprechend die Druckstufendämpfung der Gabel. Dieser Modus funktioniert sogar ganz ohne den Remote-Hebel, weil sich die gesamte Elektronik in der Gabel befindet.
Um dem Fahrer aber nicht strikt zu diktieren wie er seine Gabel zu fahren hat, gibt es alternativ den Manuellen Modus. Hierbei funktioniert der mitgelieferte Remote genau wie ein kabelloser (!) Lockout-Hebel. Der Fahrer entscheidet per Knopfdruck wann die Gabel offen oder gelockt ist. Allerdings muss man dafür vorher den Remote mit der eLECT-Einheit in der Gabel koppeln, was aber ebenfalls sehr einfach geht.
Die sogenannte „Free fall Detection“ öffnet die Gabel automatisch bei Sprüngen egal ob sie im Automatik oder Manuellen Modus und ob offen oder gelockt gefahren wurde.
Die einzige Einschränkung von eLECT gegenüber dem mechanischen TS8R (mit DLO3 Dämpfung) ist, dass es keine Zwischenstufe in Form einer straffen Plattformdämpfung gibt, sondern eben nur eine offene oder eine geschlossen Gabel. Hier zeigt sich, dass eLECT derzeit noch eher für Racer als für Tourenfahrer ist.
Enegieversorgung: Kommen wir zum spannenden Thema der Energieversorgung der Gabel und des Remotes, denn wo Servomotoren ihre Aufgabe erfüllen, müssen sie ja auch mit Energie versorgt werden. Während die eLECT Einheit über eine Micro-USB Ladebuchse mit dem beiliegenden Ladegerät zunächst aufgeladen wird, erhält der Remote seine Energie durch eine Handelsübliche CR2032 Zelle. Magura nennt eine reine Betriebszeit von 40 Stunden im Automode, 60 Stunden im Manualmode. Sollte der Akku seine Grenzkapazität erreichen, wird automatisch in den offenen Modus geschalten. Zudem schaltet das System nach 2 Minuten Stillstand, in den „Stand by“ Modus um Energie zu sparen. Im normalen Betrieb reicht diese Automatik vollkommen aus um zwischen Ausfahrten Strom zu sparen, aber wer sein Bike viel im Auto (oder Flugzeug) transportiert, sollte den ON/OFF Schalter unter der Abdeckkappe dennoch nutzen. Vor der ersten Ausfahrt galt es erstmal das System zu laden. Dazu muss man die Abdeckkappe abschrauben und den Micro-USB anschließen (siehe Abbildung rechts.)
Gewicht: Hier kann das eLect gegenüber dem mechanischen Dämpfung sogar auftrupfmen. Das gesamte eLect Dämpfungselement wiegt mit 93 g sogar ganze 19 g weniger. Der kabellose Remote kommt auf magere 14 g.
Vorteile von eLect: Wie oben bereits angesprochen, kommt eLECT ja ganz ohne Kabel aus – es kommuniziert über ANT+ (ein offenes Kommunikationsprotokoll ähnlich Bluetooth). Somit bleibt das Cockpit aufgeräumt, man spart theoretisch das Gewicht der Züge und muss sich bei der Montage nicht mit der optimalen Zugerlegung herumschlagen. Außerdem bleibt man flexibel bei der Positionierung des Remote welcher wahlweise via Gummiring am Lenker befestigt wird oder direkt an einer vorhandenen Magurabremse montiert werden kann– je nach Vorliebe links oder rechts. Das Problem der Schmutzanfälligkeit bei mechanischen Lockouthebeln und Zügen fällt natürlich auch weg.
Noch größer ist der Vorteil hier bei dem eLECT Dämpfer und der Vyron Variostütze, die danke eLECT auch dann perfekt montiert werden können wenn der Rahmen gar keine vorgesehene Kabelführung für einen Dämpfer- und Stützen-Remote hat. Dies ist zwar für unseren Test irrelevant, aber beim Einbau der Gabel kam mir natürlich gleich der Gedanke, wie schön es wäre zusätzlich einen „eLECT“ Dämpfer zu verbauen, da mein SALSA Spearfisch nicht über eine Zugführung für einen Remote-Dämpfer-Lockout verfügt. Zudem können sämtliche „eLECT“ Komponenten über einen Remote gesteuert werden wo wir schon beim nächsten Vorteil beim Einsatz mehrerer „eLECT“ Produkte wären.
Wer jetzt schon von „eLECT“ begeistert ist, aber eine ältere MAGURA Gabel besitzt darf sich freuen: Ab Modeljahr 2010 lassen sich Gabeln nachträglich mit einem Nachrast-Kit bestücken – der Kit kostet 349 Euro.
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In der Hand
Ausgepackt hinterlässt die Gabel sofort einem sehr wertigen Eindruck, Der Zugstufen-Einstellknopf ist aus Aluminium und besitzt eine klare spürbare Rasterung – genau so soll es sein (Bild oben links). Während einem sofort das MAGURA typische zweifach Brückendesign (Double Arch) auffällt (Bild oben rechts), ist der Rest der Gabel eher unauffällig. Die eLECT Einheit ist, weil in der Gabel integriert, erst auf den zweiten Blick erkennbar. Die weiße Gabel ist mit ihren Decals in meinen Augen eine gelungene Mischung aus eigenständigem Design mit hohem Wiedererkennungswert und dennoch kein auffälliger „Eye Catcher“ der alle Aufmerksamkeit auf sich zieht. Die Montage der Gabel geht genauso problemlos von der Hand, wie die Installation des Remote am Lenker (Bild7). Während ich zur Demontage meines Rock Shox Lockouthebels die Bremse noch verschieben musste, ging die Montage des Remot ohne diesen zusätzlichen Akt. Mit der Bauform von Gripshift Hebeln dürfte der eLECT Remote allerdings so seine Probleme haben.
Das Vorderrad wird durch eine 15mm Schraubachse gehalten, die mit einem Torx 25 Schlüssel montiert wird (Anzugsmoment der Achse max. 10Nm). Ein solcher ist zwar als eigenständiges Werkzeug notwendig, wird aber bereits mitgeliefert und kann direkt in die Steckachse untergebracht werden. Somit steht man nie ohne da. Ich selbst bin immer begeistert von solchen pfiffigen Detaillösungen (Bild oben links). Jetzt nach dem Einbau geht’s erst mal ans Ladegerät, das System will aufgeladen werden. Die Ladezeit soll laut MAGURA, 3 Stunden betragen die Laufzeit ca. 40-60 Std. – je nach Modus. Vor der ersten Ausfahrt gilt es nun noch einige Einstellungen zu tätigen, zunächst wäre hier der Sag (auch „Negativfederweg“) den man über den Luftdruck in der Gabel steuert. Hierfür liefert die aufgeklebte Tabelle bereits gute Richtwerte. Ein weiteres nettes Detail finde ich das freie Feld zum Vermerk des persönlich gewählten Gabeldrucks (Bild oben rechts). Infos hierzu gibt’s im beiliegenden Handbuch.
Nun müssen noch Remote und Gabel synchronisiert und der Automatikmode kalibriert werden. Diese zwei Vorgänge, werde ich aber im nächsten Beitrag ausführlich behandeln. Für die ersten Tests werde ich aber erstmal mit der Werkseinstellung unterwegs sein bei der die Gabel auf eine waagerechte Position kalibriert wurde.
So viel zu unserem Intro, nun gilt es der Gabel und vor allem dem „eLECT“ Modus in den kommenden Wochen auf den Zahn zu fühlen.
Fomeracer