SCOTT Genius 700 Plus Tuned – Fahreindrücke (Testival V): von c_g
Im Juni hat SCOTT als eine der ersten großen Hersteller sich auf breiter Front zu B+ (oder 27,5+) bekannt und gleich mehrere Plus-Modelle in diversen Versionen vorgestellt. Vom simpel gehaltenen Scale, das sich als echtes Trail-Hardtail versteht, über das Genius mit seinen 130 mm Federweg eine achter Allrounder, bis hin zum Genius LT (160 mm), das schon im Enduro-Bereich anzusiedeln ist.
Nur wenig später konnte Grannygear sich auf einem Presseevent ein erstes damit machen sowohl mit einem Scale, wie auch den 2016er Genius machen – einmal einem 29er und einmal einem Genius Plus. Keine Frage, er war angetan von den Vorzügen des Plus-Formats. Nun war ich vor ein paar Wochen in der glücklichen Situation mit einem SCOTT Genius Plus Tuned, dem Topmodell der Reihe eine ausgiebige Runde beim Testival in Brixen zu drehen.
Wie gesagt, das Testbike war das sündhaft teure „Tuned“ Top-Modell mit einem VK von 7999.- Euro.
Es war gespickt mit allerlei leckeren Zutaten (SRAM X01 Antrieb, SHIMANO XTR Bremsen, FOX Factory 34er Gabel und EVOL Factory Dämpfer, ….). Herzstück des Bikes war der Carbon-Hauptrahmen in der edelsten HMX-Ausführung mit Alu-Hinterbau, doch was mir wirklich wichtig war, war die Geometrie und das Handling, das die 40 mm breiten SYNCROS Felgen (von DT-SWISS produziert) und die 2,8“ breiten Nobby Nic Reifen erzeugen würden.
Die Geometrie mit ihrem flachen Lenkwinkel (67,5° oder 68° je nach Flip-Chip-Position) und steilem Sitzwinkel (73,9 bzw. 74,4°), sowie die moderate Kettenstrebenlänge von 445 mm lässt ein potentes und fahrstabiles Fahrverhalten vermuten. Wir werden sehen. Der angegebene Federweg von 140 m vorn und 130 m hinten ist ebenfalls vielversprechend.
Auf die spezifischen Technologien, wie den Twin-Loc Hebel, der simultan die Gabel und den Dämpfer steuert, die Geometrieverstellung via Flip-Chip im Umlenkhebel, oder die Boost-Gabel und Hinterbau seinen daher nur am Rande erwähnt. Wir haben sie bereits hier und hier ausführlicher behandelt.
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Doch nun zum SCOTT Genius 700 Plus Tuned, das ich ca. 1500 Tiefenmeter von der Plose bis hinunter zum Festivalgelände (inkl. einiger knackiger Gegenanstiege) habe fahren dürfen – ein echter Härtetest für das Format und ein harter Vergleich, denn ich bin im Rahmen des Festivals diese Tour einige male gefahren und die Erinnerungen der anderen Bikes waren ein harter Gradmesser für das edle Plus-Gefährt.
Als zusätzlicher Anreiz kam hinzu, dass ich mit ein paar sehr guten und schnellen Fahrern unterwegs war, die mit der LT-Version des Bikes bewaffnet waren. Ob ich da über die oben rutschig, verblockten Trailabschnitte und unten durch den flowigen Wald würde mithalten können? Wie würde sich das Plus-Format hier schlagen?
Nun, ich könnte jetzt in sehr vielen Worten beschreiben, wie sich das Bike gefahren hat, doch um euch ein ständiges Super, genial oder ähnliches zu ersparen – das SCOTT Genius Plus ist das bisher ausgereifteste und beste Plus-Bike, das ich gefahren bin. Es ist auch eines der ersten, bei denen ich sehr bald gar nicht mehr darüber nachgedacht habe, dass ich mit übergroßen Reifen unterwegs war. Statt dessen bin ich sehr bald einfach nur mit maximalem Spaßfaktor den Trail gesurft egal ob technisch und mit Finesse oder schnell und flowig. Das Bike hat mir richtig Laune gemacht und eine einmalig schöne Abfahrt beschert.
Ein paar Details möchte ich aber dennoch hervorheben. Da waren einmal die SCHWALBE Nobby Nic Plus Reifen in 2,8“ Breite. Die Reifen sind in sofern etwas besonderes, weil sie eben keine aufgeblähten XC-Reifen sind, die ihre Traktion allein aus der Größe und dem niedrigen Luftdruck holen. Nein die Nobby Nic Plus-Reifen sind echte Trailreifen genau wie seine schmäleren Geschwister. Auch wenn es nur ein 3-stündige Ausfahrt war, so konnte ich doch dabei erleben, dass der Nobby Nic all die Gutmütigkeit und Traktion des kürzlich getesteten 29er Reifens übernimmt, aber in allen Bereichen (vermutlich auch im Rollwiderstand J) noch ein Level höher geht. Selbst der von mir in Relation zur grandiosen Traktion etwas schwache Seitenhalt auf nassen und tiefen Böden war hier nicht mehr zu spüren. Sinnvollerweise hat SCOTT auch auf unterschiedliche Compounds für vorne und hinten gesetzt – vorne kommt die griffigere Trailstar-Mischung, hinten die schneller PaceStar-Mischung zum Einsatz. Gut gemacht.
Die 40 mm Syncros Felgen, auf denen die Reifen tubeless aufgezogen waren, haben ein sehr sicheres und stabiles Fahrgefühl vermittelt. Wohlgemerkt, bei einem Druck von 1,1 bar vorne und 1,2 bar hinten. Selbst in schnellen Kurven und Anliegern, konnte ich keine übermäßiges Walken der Reifen bemerken. Nur bei einem etwas zu weit gesprungenen Drop mit einer schrägen Landung, ist das Bike dann doch ein wenig ins Wanken gekommen. Die kurze Unsicherheit, war aber nur unmittelbar bei der Landung und es war kein Problem, das Bike wieder zu stabilisieren. Auf losem Untergrund und Schotter ist das Plus-Format ohnehin eine Liga für sich … nicht zu vergleichen mit einem normalen 29er, oder bestenfalls mit einem 29er, der durch Procore zusätzliche Reserven bekommt.
Am Ende der Tour war ich ehrlich begeistert von dem SCOTT Genius 700 Plus Tuned. So gelassen, schnell und sicher bin ich mit keinem anderen Bike diese Runde gefahren. Vom Handling ist es auf dem Trail von einem Normalbike kaum zu unterscheiden, die Plus-formatigen Reifen sorgen aber dennoch für so viel zusätzliche Traktion und Sicherheit, dass man sehr schnell beginnt bisherige fahrtechnische Grenzen zu hinterfragen und versucht ist sie hinauszuschieben. Ein Bike mit Spaßgarantie.
Selbstverständlich wäre es blauäugig hier nur das Plus-Format oder die Geometrie zu loben und dabei zu vergessen, dass die sehr exklusiven Komponenten auch einen große Teil zum Gesamterlebnis beitragen. Das resultierende niedrige Gesamtgewicht und die edlen Federelemente hatten definitiv auch ihren Anteil dran das Bike so gut zu machen – ein Bike ist immer auch die Summe seiner Teile – aber selbst mit weniger edlen und leichten Bauteilen, einem schwereren Alurahmen, ja selbst mit weniger exklusiven Federelementen wäre das Genius Plus ein exzellentes Trailbike und Garant für sehr viel Fahrspaß … und mit der Option sich dafür einen zusätzlichen 29er Laufradsatz zuzulegen sicher auch ein grandios gutes 29er Fully.
Danke an SCOTT für die tolle Ausfahrt mit ihrem Bike und danke für den Mut zusätzlich zu den bestehenden Formaten auf breiter Front und in jeder Preisklasse auch auf Plus zu setzen!
RIDE ON,
c_g
Ps: Wir sind bereits im Gespräch mit SCOTT um auch mal ein Genius LT Plus (evtl. sogar mit 29er Laufrädern) zu testen, denn wenn die 130 mm schon so viel Spaß machen, wie wird sch dann erst das 160 mm Genius LT Plus fahren.
Fragt mal bitte Scott wo das Spark+ steckengeblieben ist
@ S: Gute Frage. Im Gespräch mit SCOTT wurde deutlich, dass sie Plus weniger im Race oder Marathonbereich, sondern wirklich mehr als Bereicherung für Touren-/Trailriding bis hin zu Enduro sehen. Das Spark ist da evtl. einfach doch ein wenig zu „rassig“, wobei es um ganz konsequent zu bleiben damit auch kein „Scale Plus“ hätte geben dürfen …
Wer weiß aber wie die Plusbikes bei den Käufern ankommen, denn dann kommt vielleicht ja noch ein Spark Plus nach – auf dem Testival waren die Bikes extrem gefragt, aber das liegt bestimmt auch daran, dass die Leute das Plus-Format zum ersten mal erfahren wollten.