DEANEASY Doppelkammersystem – (vorläufiges) Testfazit: von c_g
(bisher dazu erschinene Artikel: Weltpremiere von DEANEASY am Garda Festival’15, Testintro, Monate & Erste Praxiseindrücke)
Schon wieder neigt sich ein Test dem Ende zu – zumindest vorläufig, denn was wir von DEANEASY hatten war ja „nur“ ein vormontierter Testlaufradsatz. Ein umfassendes Urteil zu dem System wollen wir erst dann machen, wenn wir uns auch die Montage und Langzeitperformance angeschaut haben.
Was die Fahrten auf dem DEANEASY/WTB-Laufradsatz aber schon sehr deutlich gezeigt haben ist, dass die Doppelkammersysteme richtig viel Zukunft haben. „Da Steckt Musik drin“ würde man mancherorts sagen. Wer es noch nicht kennengelernt hat, der sollte es unbedingt ausprobieren, denn der Zuwachs an Traktion, Komfort, Gutmütigkeit und Pannenschutz, die ein Bike damit erhält, gleicht einer Offenbarung.
Auch nach nunmehr 2 Monaten (mit der kurzen Unterbrechung des US-Urlaubs und Tests des PIVOT Mach 429 Trail) hatte ich keinerlei Platten in dem System zu verzeichnen. Was mir allerdings passiert ist, dass mir das für die Hauptkammer zuständige Auto-Ventil, schon einmal komplett verklebt war, so dass selbst mit herausgeschraubtem Ventilkern keine Luft mehr rein oder raus zu bekommen war. Ich hatte ja bereits bei den ersten Eindrücken angesprochen, dass es beim Luftablassen unterwegs immer ein wenig Dichtmilch mit herausgedrückt hat. Und die hat im Laufe der Zeit den engen Ringspalt zwischen dem Tubular-Innenreifenventil und der Hülse zugemacht. Dadurch, dass der Airguide kontinuierlich von der Dichtmilch umspült wird, hilft es auch wenig den Reifen in eine bestimmte Position zu bringen, denn die schmalen Kanäle geben die Dichtflüssigkeit auch in Schräglage nur ungern frei.
–> Ärgerlich und offensichtlich ein Punkt, den es in weiteren Entwicklungsstufen noch zu optimieren gilt.
Wo sich DEANEASY mittlerweile aber wirklich in mein Herz hat fahren können, waren die reinen Fahreigenschaften, die meiner Meinung nach noch mal besser sind, als bei SCHWALBE’s Procore. Der Grund hierfür ist der eingangs gezeigte deutlich kleinere Durchmesser der Innenkammer, die dem Außenreifen viel Mehr Spielraum lässt sich frei zu deformieren. Dadurch kann sich der Reifen noch besser dem Untergrund anpassen und vor allem im Groben noch sanfter abrollen. As funktioniert so gut, und die Fahrperformance ist so überzeugend, dass ich zum ersten mal darüber nachgedacht habe ob es denn nicht an der Zeit wäre wieder umzudenken und statt immer nur Reifen der 2,3er Breite und größer zu fahren, mit DEANEASY nicht vielleicht ein 2,2er die identische Performance haben könnte und zudem noch leichter wäre.
Dafür spräche auch die aktuelle Situation, dass DENEASY eben nur für Felgen mit 21 bis 24 mm Maulweite geeignet ist, was nach meinem Empfinden eben einfach zu schmal ist um das volle Potential eines richtig großvolumigen Reifens vom Schlage eines SCHWALBE Nobby Nic 2,35er auszuleben. Gerade bei schnellen Schrägfahrten und unsauberen Landungen kam es doch immer wieder zu unangenehmen Schrecksekunden, wenn der Reifen seitlich abgeknickt ist. Hier bietet die kleine Innenkammer eben nur wenig zusätzliche Führung und die 23 mm schmale WTB i23 KOM Felge stabilisiert den Reifen eben doch weniger wie etwa die AMERICAN CLASSIC Wide Lightning mit großzügigen 29 mm.
Was den Durchschlagschutz und die Fixierung der Reifenwulst auch bei den niedrigen Drücken angeht, konnte ich in der zeit ebenfalls keinerlei Defizite feststellen. Diese Funktion erfüllt der Tubular-Innenreifen perfekt – zumindest solange die Felgenbreite passt.
Bestehende Kritikpunkte gegenüber DEANESAY sind und bleiben natürlich die Tatsache, dass man zur Montage das Ventilloch von üblichen 6 mm auf 9,8 mm aufbohren muss. Zum einen wird dadurch die Felge geschwächt – eine Effekt, den Sebastian Tegtmeier, der das System mit ALUTECH in D weiterentwickelt und vertreibt für vernachlässigbar hält, denn bisher gäbe es keinerlei Defekt die unmittelbar darauf zurückzuführen wären. Aber und das ist eine viel relevantere Gefahr, ist es sehr leicht durch unvorsichtiges Arbeiten, die Felge schon beim Aufbohren so schädigen (etwa wenn sich der Bohrer zu schnell ins Material schneidet und dadurch Spannungsrisse entstehen) und dadurch einen Defekt zu provozieren. Letztlich verliert jeder, der seine bestehende Felge anbohrt jegliche Gewährleistung des Herstellers, soviel muss man einfach wissen.
In diversen Montageversuchen hat sich auch gezeigt, dass DEANEASY nur sehr bedingt dabei hilft den Reifen leichter schlauchlos aufzupumpen, zwar sichert es die Felge vom Abrutschen oder ungewollten Luftverlusten, beim Aufpumpen sehe ich aber, anders als bei Procore nur wenig positive Effekte des Systems.
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Testfazit: DEANEASY wirkt auch nach dem Test wie ein ungeschliffener Rohdiamant. Die von uns gefahrene Vorserienausführung ist etwas grob, zeigt sich durch die beiden unterschiedlichen Ventiltypen und die Notwendigkeit des Aufbohrens recht aufwendig in der zur Erstmontage. Hinzu kommt die Einschränkung für Felgen zwischen 21 und 24 mm mit allen Konsequenten für die Fahrstabilität, sowie die Erfahrung, dass die Tubeless-Umrüstung eines Reifens mit DEANEASY nur wenig erleichtert wird. Auf der anderen Seite steht ein sehr guter Pannenschutz, und eine Fahrperformance, die noch mal einen Schritt weiter geht wie bereits begeisternden Eigenschaften von SCHWALBE’s Procore.
DEANEASY zeigt einerseits, dass Procore nicht die einzige funktionierende Lösung für Doppelkammersystemen ist, andererseits aber auch dass es noch einige Details auszuarbeiten gibt, ehe das System für jedermann wirklich problemlos auch im Toureneinsatz nutzbar ist. Aktuell ist es ein hochspannendes Kit für tüftelfreudige Gravity-Piloten und Enduro-Racer, die ohnehin öfter ihre Reifen wechseln und auf Herstellergarantien pfeifen.
Was, aber wenn es zukünftig Felgen gäbe, die bereits auf DEANEASY ausgelegt wären und somit dem ganzen den Aspekt der Tüftelei nähmen? Was wenn auch die Reifenhersteller Reifen brächten, die speziell auf ihre Stabilität und Niederdruckeigenschaften hin optimiert wären?
Nachdem ich beide Interpretationen selber gefahren bin, glaube ich an eine blühende Zukunft der Doppelkammersysteme. Uns stehen spannende Zeiten bevor.
RIDE ON,
c_g