SCHWALBE Procore – Montage und erste Eindrücke: von c_g
Selten war die Spannung größer ein Produkt zu testen und selten waren die Erwartungen höher als bei dem Doppelkammer-Reifensystem Procore von SCHWLABE. Ich hatte euch hier das System bereits mit allen seinen Bestandteilen und dem Montagevideo gezeigt.
Unmittelbar darauf haben wir uns daran gemacht Procore auf unserem Testlaufradsatz – einem AMERICAN CLASSIC Wide Lightning – zu montieren. Das geht, wenn man sich vorher die Instruktionen zu Gemüte geführt hat ausgesprochen einfach.
Nachdem man den Airguide über das Innenschlauch-Ventil gestülpt hat, montiert man den Innenschlauch und Innenreifen – das einzige worauf zu achten ist, dass man das Luftloch auf dem Aiguide ausrichtet, damit später hier die Luft für den Hauptreifen rauskommen kann.
Im nächsten Schritt wird das System in den Reifen gelegt und dieser von beiden Seiten auf der Felge montiert.
Wichtig ist, dass bevor man den Reifen komplett aufzieht noch die Dichtmilch einfüllt. Durch das Ventil, wie man es sonst bei Schlauchlos gerne macht funktioniert hier nicht, denn es würde sonst den Airguide schnell zusetzen.
Mit der Dichtmilch eingefüllt und dem Reifen komplett aufgezogen steigt die Spannung. Gemäß der Anleitung pumpt man zuerst den Innenreifen auf 3-4 bar auf. In Folge wird der Außenreifen schon gegen die Felge gedrückt und rutscht je nach Reifen-/Felgekombi auch schon auf die Felgenschulter. Der Außenreifen war dann ganz ohne jeden Aufwand einfach aufzupumpen. Klasse!
Also Tubeless ganz einfach dank Procore? Um dem System nach dem ersten vielversprechenden Erfolg eine echte Herausforderung zu geben, habe ich es zuerst mit einer eingedellten AMERICAN CLASSIC WIde Lighnting Felge, die dadurch selbst mit Kompressor nur sehr schwer schlauchlos zu bekommen ist … und habe alles mit einer kleinen Handpumpe gemacht. Und siehe da, selbst so konnte ich den SCHWALBE Nobby Nic absolut problemlos schlauchlos bekommen. So einfach habe ich tubeless noch nie erlebt!
Ich habe noch nicht allzu viel ausprobiert, aber auf allen Kombis, die ich versuchsweise durchprobiert habe, auch ein paar, die ich bisher als problematisch angesehen habe, waren problemlos auf schlauchlos umzurüsten. Manchmal bracht es ein wenig mehr Druck im Innenreifen um den Außenreifen absolut luftdicht zu bekommen aber nachdem Procore aktiv den Reifen auf der Felge fixiert, dürfte Procore das derzeit wohl einfachste und sicherste Mittel sein um einen Reifen tubeless zu bekommen. Schon mal ein sehr positives Ergebnis für alle, die sich bisher noch nicht an Schlauchlos rangetraut haben.
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Erste Praxiseindrücke:
Doch es geht noch weiter, schließlich geht es bei Procore nicht nur darum einen Reifen leicht schlauchlos zu bekommen, sondern auch darum ihn mit bisher ungeahnt niedrigen Drücken sicher zu fahren. Von 0,8 bis 1,5 bar nennt SCHWALBE als Arbeitsdruck für die Hauptkammer, 4 bis 6 bar für die Innenkammer. Auch ohne viele Praxiserfahrungen ist klar, dass bei solchen Drücken der Grip der mir sehr gut bekannten Reifen besser wird. Wie steht es aber mit der Fahrstabilität und der Präzision? Würden die Reifen bei schrägen Wurzeln sauber führen oder einfach nur „drüberwabbeln“?
Die ersten Ausfahrten habe ich bei 1,25 bar vorne und hinten absolviert und … WOW!! Alles an dem Bike war auf einen Schlag besser! Die extreme Sensibilität der Reifen lässt die Federung um ein Vielfaches sensibler wirken – Schotterpisten werden ganz ohne jegliche Vibrationen zum Fahrer durchzulassen.
Der Grip der Reifen ist erwartungsgemäß auch deutlich höher. Aus Nobby Nic wird auf den ersten Eindruck hin locker ein Hans Dampf. Bergauf wie bergab heißt es jetzt Traktion satt, weil sich der Reifen förmlich um das Hindernis legt.
Mit 1,25 bar im Gelände richtig krachen lassen? Normalerweise undenkbar, doch mit dem Innenreifen auf 5 bar war der Durchschlagschutz mehr als gegeben und ich konnte es auch bergab oder über ruppigen Trails richtig laufen lassen. Trotz aller Bemühungen meinerseits, habe ich es bisher weder geschafft irgendwo Druckverluste oder gar Durchschläge zu provozieren. Entgegen meinen Befürchtungen fand ich auch das Lenkverhalten bisher fast immer unauffällig. In scharfen, schnellen Kurven spürt man, dass der Reifen ein wenig stärker flext, aber dafür geht es gerade über losen Untergrund und spitzwinklige Wurzeln umso gelassener.
In Sachen Rollwiderstand habe ich das Gefühl, als ginge es auf der Strasse und auf Forstwegen ein wenig schwerer … nicht viel, aber dennoch spürbar. Auf dem Trail und überall dort, wo der Untergrund einwenig rau wird, ist das Vorankommen dafür um Welten einfacher, sanfter und sicherer. Das eingangs erwähnte Mehrgewicht von knapp 250 g ist nur in der Beschleunigung zu spüren, sonst wird es aber locker von den um Welten besseren Fahreigenschaften und der unglaublichen Traktion wieder ausgeglichen.
Optisch ist SCHWALBE’s Procore von außen übrigens fast nicht zu erkennen. Wären nicht die blauen Sticker, die SCHWALBE mit dem Set mitliefert (linke Abbildung), wäre das einzige Indiz das etwas andere Ventil (rechts). Andererseits … warum sollte man eine solche Geheimwaffe auf dem Trail sofort jedem offen legen ;-).
Zwischenstand: Ob ich für ein SCHWALBE Procore Set 195 Euro auf den Tisch legen würde? Nach den bisherigen ersten Erfahrungen insbesondere mit den fantastischen Tubeless-Eigenschaften und dem um Welten komfortableren und traktionsstärkeren Fahrverhalten würde ich es bereitwillig tun. Noch fehlen allerdings die Langzeiterfahrungen dazu.
Bald mehr zu dem System, wenn wir mit den fahrbaren Drücken experimentieren und uns auch mal die Notlaufeigenschaften genauer ansehen.
RIDE ON,
c_g
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Ps: Zur Veranschaulichung noch ein Bild des aufgepumpten Procore Innenreifens mit einem Stück eines 2.2er Reifens um die realen Größenverhältnisse zu verdeutlichen:
Ist der Innenreifen erst mal auf Betriebsdruck, ist es nicht mehr möglich das Reifenstück zu entfernen – ein klares Indiz dafür wie extern gut Procore den Reifen auf der Felge fixiert … hoffentlich mit der Folge auch im Falle eines Plattens noch ordentliche Notlaufeigenschaften zu liefern.
Hi c_g,
wo siehst Du den Einsatzbereich? „Nur“ DH, Freeride, All Mountain etc. oder auch für den tubelessfahrenden Touren und XC (Langstrecken-) Fahrer?
Gruß Jens
@ Jens: Alle Gravity-Spielarten profitieren definitiv von Procore, derzeit würde ich aber auch den Trail- und Tourenpiloten mit einschließen – hier zähen Komfort, Traktion und Sicherheit ja auch sehr.
Im Bereich XC steht halt vor allem die recht große zusätzliche rotierende Masse der hier sehr wichtigen schnellen Beschleunigung entgegen … solange man es mit einem tubeless-Setup vergleicht. Wie im Intro geschrieben, fällt das Mehrgewicht für Fahrer, die vorher „mit Schlauch“ unterwegs gewesen sind, deutlich geringer aus als die genannten ca. 250 g. Da zählen dann natürlich die oben genannten Vorteile nochmal mehr bei viel geringeren (Gewichts-) Nachteilen.
Hallo C_g,
toller „Erster Eindruck“- Bericht. Deine Begeisterung ist ja richtig greifbar, wow! Die Notlaufeigenschaften sind für Touren nochmal richtig interessant. Man müßte mit adäquatem Tempo und ausreichender Stabilität ohne jeden Luftdruck (z.B. geschlitzter Mantel) in der äußeren Kammer noch fahren können (ich denke, das geht evtl. in die Richtung, die auch Jens meinte).
Kann der erforderliche Druck des Core- Schlauches (immerhin 4 Bar) für Felgen gefährlich werden? Oder andersherum: Brauche ich mindestens 4 Bar um Durchschläge zu verhindern und einen sicheren Sitz des Mantels zu gewährleisten?
Sitzt der Mantel richtig fest, oder kann er wandern (solange er den Schlauch mit Ventil nicht mitnimmt, eigentlich unkritisch -> kein Ventilabriss, oder?).
Happy Trails,
Max
@ MAX: Ja, an dem Thema der Freigabe von Seiten der Felgenhersteller bin ich dran – schließlich will keiner seine teuren (und liebgewonnenen) Laufräder damit in den Kollaps treiben und dann auch noch hören „Selber Schuld – dafür übernehmen wir keine Gewährleistung …“
IM Gespräch mit SCHWALBE’s Markus Hachmeyer meiner er aber, „… dass Procore auch bei 6 bar wegen des kleinen Durchmessers kaum ein echte Mehrbelastung für die Felge wäre und dass alle bisherigen Tests – Procore durch Wegfall der Punktbelastung durch Durchschläge und eine gleichmäßigere Belastung eher sogar die Lebensdauer der Felge verlängern würde … auch bei Leichtbaufelgen.“
Aber wie gesagt … wir sind an dem Thema dran.
Die 4-6 bar für den Innenreifen sind Empfehlungen von SCHWALBE. Ehe ich mich daran mache damit zu experimentieren, geht es erstmal darum herauszufinden wie niedrig man den Druck im Außenreifen gehen kann ehe es schwammig wird.
Ja, auch die Notlaufeingschaften kommen noch dran …
Ihr seht – Procore ist so revolutionär anders, dass es wirklich ein wenig dauert, das system ganz zu verstehen …. daher fragt gerne weiter, denn auch als erfahrener tester, kann man nicht immer an alle Sachen denken. Wenn wir Antworten liefern können, tun wir das in einem der folgenden Updates.
Hallo C_g,
da hätte ich noch eine Frage: Im Vergleich zu dem System von Deaneasy wird das Procore für Maulweiten ab 24mm empfohlen. Bei Deiner Montage auf der Wide Lightning schreibst Du, daß der Innenschlauch den Mantel so dicht „klemmt“, daß dieser sehr leicht Tubeless- dicht zu bekommen war. Bis zu welcher Maulweite ist das möglich (Dehnbarkeit des Innenschlauches)?
Mir gefallen Deine/Eure Tests hier – insbesondere, weil es mit den drei Teilen einen ersten Eindruck gibt, dann die Praxis und dann zum Abschluss noch „Langzeiterfahrung“ und ausgelotete Grenzen. Zum einen machen die Tests neugierig, etwas zu probieren; zum anderen lässt sich mit den differenzierten Ergebnissen schön abschätzen, was es für einen selbst bringen kann. Super ist natürlich auch, über Eure Kontakte zu den Herstellern, entsprechende Informationen zu Möglichkeiten und Entwicklungen zu bekommen.
Vielen Dank für Eure Arbeit!
Grüße,
Max