CUBE Stereo Hybrid 120 SL 29– Testfazit: von c_g
(bisher erschienene Artikel dazu: Stereo Hybrid Testintro, Erste Eindrücke I – Das Handling, Erste Eindrücke II – Der Antrieb)
Neben all den spannenden News und Tests „normaler Bikes“ hier bei TNI, haben wir uns ja dieses Jahr auch mal ein Pedelec-Fully geholt um zu ergründen was so ein Bike wirklich kann und was für ein Gefühl es ist so ein „ganz anderes Bike“ über die Trails zu jagen.
Meine Wahl ist dabei auf das CUBE Stereo Hybrid 120 SL 29er gefallen, und zwar in erster Linie, weil ich ja ein CUBE Stereo 140 schon seit langem als Dauertester im Einsatz habe und das Bike wie meine Westentasche kenne.
Umso spannender war für mich der Weg, den ich mit dem Stereo Hybrid bis hierher gegangen bin. Wie schon in den früheren Artikeln angemerkt, ist das Fahrerlebnis nicht eins-zu-eins vergleichbar mit dem eines „normalen Mountainbikes“. Da wäre einmal der konstruktiv bedingt deutlich längere Hinterbau, der das Stereo Hybrid zum einen laufruhiger und gelassener als seine normalen Stereo Geschwister macht. Was sich aber viel stärker auswirkt ist die hohe Masse, die zum einen für eine viel satteren Bodenlage, aber eben auch eine aktive Fahrweise erschwert – stellt man sich allerdings darauf ein macht das Stereo Hybrid aber richtig Spaß. Die Bodenlage und Laufruhe sorgen nämlich auch dafür, dass man sich unglaublich sicher fühlt – Aufbäumtendenzen? Fehlanzeige. Überschlagsgefühle bei Stufen oder Steilabfahrten? Kennt das Hybrid durch den tiefen Schwerpunkt wirklich überhaupt nicht. Auch die Linienwahl fällt mit einem so ruhigen Bike spürbar leichter. Nur allzu verwinkelte Trails, Spitzkehren oder gar Fartechnikmanöver wie Wheelies, Manuals oder Hinterrradumsetzen sind damit schon ein rechter Kraftakt.
Wie nicht anders zu erwarten sorgt die Zusatzpower des Antriebs bergauf dafür, dass die zusätzliche Masse mehr als ausgeglichen wird. Allerdings sehe ich der Leistung des Antriebs oder vielmehr den oberen Unterstützungsstufen auch nicht unkritisch. Im Turbo- oder Sport-Modus dominiert der kräftige Motor schon sehr deutlich das Fahrverhalten und ich habe mich mitunter mehr als Passagier, als der Pilot gefühlt. Nicht so in den unteren Unterstützungsstufen Eco und Tour, die ich im Traileinsatz auch deutlich harmonischer und sensibler gesteuert empfinde.
Keine Frage, wenn man eine steile und mühselige Auffahrt im Sport-Modus hoch heizt, stellt sich definitv ein richtiger Spaßfaktor ein, aber es ist dann einfach doch mehr Mini-Motocross als echtes Biken. Außerdem saugen diese sportlichen Stufen den 400 Wh Akku aus wie nichts. Auf meinen normalen Trails aus ständigem Auf und Ab fahre ich eine Akkuladung in ca. 1 ½ leer, wenn ich das Stereo Hybrid im Sport-Modus bewege. Der Unterschied zwischen Sport und Turbo ist bei meiner Beinkraft übrigens nur gering, weil der Antrieb in beiden Fällen fast immer mit maximaler Leistung arbeitet. Zur Erinnerung: Der Sport-Modus setzt der Eigenleistung noch mal die 1,9-fache Zusatzleistung hinzu, der Turbo Modus, sogar, das 2,75-fache. Ab einer Eigenleistung von ca. 140 Watt – ein Wert, den die meisten Biker locker treten – arbeitet der Motor in Sport-Modus also bereits am Maximum. Bei Turbo bereits deutlich unter 100 Watt. Aber eigentlich ist’s egal denn auf dem Trail sind beide Stufen in meine Augen zu dominant um das Bike noch mit Finesse zu fahren.
Bevor ich allerdings zur Reichweite und meine Erfahrungen mit dem Bike auf echten MTB-Touren komme, noch ein paar Worte zur Ausstattung:
Wie bereits angemerkt musste ich angesichts der Masse beide Federelemente deutlich härter einstellen um sie auf dem Trail, oder bei Sprüngen nicht ständig zum Durchschlagen zu bringen.
Hinten konnte ich das nicht ändern, aber vorne, habe ich versuchsweise eine FOX 34 CTD mit 140 mm Federweg montiert. Siehe da – die etwas größere Bauhöhe hat sich aufgrund des langen Radstandes kaum auf das Kletterverhalten ausgewirkt – aber ansonsten war das genau die Kur, die das Bike gebraucht hat um auch in wilden Trails und bei Sprüngen noch mal deutlich mehr Spaß zu machen.
In Folge des Umbaus wurde dann auch schnell klar, dass die serienmäßigen 2,25er Nobby Nic einfach zu schmal sind und ihnen die nötige Traktion fehlt um das Bike sowohl bergauf, wie auch runter voll auszufahren. Gesagt getan und schon war ein Satz 2,35er Hans Dampf drauf, die auch das Problem gelöst hatten.
In der modifizierten Ausstattung hat mir das Stereo Hybrid 120 SL dann so richtig viel Spaß gemacht. Egal ob über Wurzeltrails oder kleinere Drops, ob bergauf oder bergab – oder um ganz ehrlich zu sein, mehr sogar bergauf, denn dort sielt das Pedelec systembedingt seine Stärken noch besser aus, während es bergab zwar Spaß macht, aber eben nicht ganz so viel, wie ein ähnliches „normale Bike“.
Wohlgemerkt, als Tourenbike war das Stereo Hybrid 120 genau richtig ausgestattet, aber um sein Trailpotential zu ergründen waren die beiden oben genannten Umbaumaßnahmen goldrichtig.
Die XT-Bremsen, Reverb Stealth jund vor allem die XX1 Schaltung waren ja vorher schon die perfekte Kombi für ein Pedelec. Ja, vor allem die Breitbandigkeit der 11-42 Kassette hilft dabei, die Eigenart des Antriebs bei niedrigen Trittfrequenzen die Leistung zu reduzieren wider auszugleichen weil man damit länger eine ordentliche Kadenz erhalten kann und so auch bei niedriger Unterstützungsstufe noch wirklich steile Anstiege noch sehr gut hochkommt. Ich bin mir sicher, dass mit der Ankündigung 11-fach XT und ihrer 11-42 Kassette kommende Saison nur noch solche Antriebe sehen werden.
Ein Defizit ist mir dabei immer wieder aufgefallen – die Kettenführung des vorderen BOSCH Kettenblattes (15 Zahn) ist auch mit dem Type2 Schaltwerk hinten nicht ausreichend um die Kette immer sicher zu halten. Auf wirklich ruppigen Trails ist sie schon öfter zur Seite abgerutscht. Für ein wirklich trailtaugliches E-Bike. sollte man hier noch eine Kettenführung nachrüsten, was aber wegen des BOSCH Antriebs nur an der Kettenstrebe funktioniert.
Der Aspekt der „gezielten Belastungssteuerng“ über das E-Pedelec ist mir dabei übrigens auch deutlich geworden. Mitten im Training für das BC Bikerace Ende Juni, konnte ich mit dem Hybrid auch in Regenerationsphasen richtig heftige Trailrunden drehen – einfach eine Unterstützungsstufe höher und man hat mächtig Spaß ohne sich selbst zu verausgaben.
Mit alle der Zeit auf meinen Hometrails reifte in mir der Gedanke, mit dem Stereo Hybrid auch mal auf richtige Touren zu gehen – wo man ohnehin die meiste Zeit beim Bergauffahren verbringt und leichte Einschränkungen in der Downhill-Performance auch hinnehmen kann. Was würde sich also besser eignen als ein Wochenende an den Gardasee mit seinen bekanntermaßen steilen Auffahrten und verbockt technischen Downhills?
Bei den zwei spannenden Touren, die ich dann mit dem CUBE Stereo Hybrid 120 SL gefahren bin, haben sich alle meine bisherigen Beobachtungen nochmals bestätigt:
Selbst im Tour Modus macht das Bike bergauf richtig Laune und man überwindet damit bergauf Trailpassagen, die sonst für einen Biker absolut unfahrbar wären. Aus lauter Jux bin ich damit sogar einen versteckten Downhilltrail um Pregasina durch ein Bachbett bergauf gefahren und hatte einen Riesenspaß. Allerdings musste ich dabei auch leidvoll erkennen, dass ein solches Bike gar keinen Spaß macht, wenn man es über Felsstufen tragen muss ;-).
Mit der ganzen Zeit im Tour Modus habe ich gute 950 Hm mit einer Akkuladung geschafft. Sicher nicht ausreichend für eine epische Alpentour aber OK für die gewaltige Erleichterung bergauf. Wenn der Akku dann aber doch am Ende ist und man noch ein paar hundert Höhenmeter vor sich hat, dann braucht es schon einen eisernen Willen und starke Beine um die Masse mit nur 11 Gängen nach oben zu wuchten. Wie schon angemerkt, ist es gar nicht so problematisch, das Pedelec-Bike in der Ebene oder über flache Anstiege komplett aus eigener Kraft zu bewegen, aber je steiler es wird und je höher der Pedaldruck wird, desto höher scheinen auch die Reibungsverluste im System zu werden und das Bikegewicht scheint einen förmlich nach hinten zu ziehen. Dass man dann nur 11-Gänge zur Verfügung hat hilft in solchen Situationen auch nicht wirklich ;-).
Altbekannte Lagotouren mit dem Pedelec ganz neu erleben und wahrnehmen …
Wenn man dann eine richtig steile Militärstrasse hochkurbelt, die mit einem normalen Bike schon anstrengend ist, dann … nun ja, sagen wir es so: Der Schmerz du die Mühe, die man sich vorher mit Motorunterstützung gespart hat, bekommt man dann umso härter zu spüren ;-).
Auf der zweiten Tour habe ich dann mehr mit der Energie gehaushaltet – bin viel im Eco-Modus unterwegs gewesen, was zwar anstrengender war, dafür aber die Reichweite dramatisch erhöht hat. Indem ich den Tour-Modus nur in besonders steilen Stellen eingeschaltet habe, war der Akku auch nach gut 1500 HM noch nicht ganz am Ende.
Die beiden Touren haben mir noch mal eindrucksvoll vor Augen geführt, dass die Energieversorgung die Archillessehne eines Pedelec ist und es vorerst auch bleiben wird. Wer mit der aktuellen Technik wirklich große Touren unternehmen will, sollte daher wirklich gut kalkulieren. Ehe man im Hochgebirge mit einem leeren Akku strandet und deswegen vielleicht umkehre muss, sollte man gleich einen zweiten Akku mitnehmen. Die 4 kg Mehrgewicht sind dann sicher gut angelegt. Allerdings muss man auch anmerken, dass die Entwicklung der Motor- und Akkutechnik rasant voranschreitet und es wohl schon in naher Zukunft noch effizientere Antriebe und noch leistungsfähigere Akkus geben wird, mit denen man dann auch richtig große Touren ohne den ständigen Blick auf die Akkustandsanzeige fahren kann.
Bergab habe ich mich mit dem etwas modifizierten Stereo Hybrid auch sehr wohl und vor allem sicher gefühlt. Die eingeschränkte Bodenfreiheit, die mir bei meinen Waldtrails mit quer liegenden Bäumen durchaus negativ aufgefallen war, war hier interessanterweise fast nie ein Thema – selbst in steilsten Stufen, bin ich nur ganz selten hängen geblieben. Überschlagsgefühle sind mit der tiefe liegenden Masse durch Akku und Antrieb übrigens wirklich ein Fremdwort – ich bin damit Sachen vollkommen entspannt gefahren, bei denen ich sonst nur im Nosewheelie runter gekommen wäre.
**************************************************
Testfazit: Nach gut 2 Monaten in denen ich immer wieder zwischen dem Stereo Hybrid Pedelec und normalen 29er Bikes hin und her gewechselt habe, und nach vielen Stunden im Sattel des E-Fullies, kann ich klar sagen, dass ich alle meine Vorurteile gegenüber solchen Bike wirklich abgelegt habe. Ein solches Bike ist vor allem aufgrund der hohen Masse zwangsläufig etwas laufruhiger und das Fahrgefühl ist anders als man es von „normalen“ Bikes gewohnt ist. Dafür machen solche guten und potenten Pedelecs wie das CUBE Stereo Hybrid 120 SL auch bergauf einen solchen Spaß, dass ich glaube, dass viele Biker die leichten Abstriche in der Wendigkeit bergab dafür gerne in Kauf nehmen würden. Die Reichweite der Akkus halte ich für normalen Einsatz als noch praxisgerecht, sehe aber gerade für echte MTB Touren sehr wohl Bedarf auch hier noch besser zu werden.
Nicht ganz so überzeugt bin ich davon, dass es wirklich Sinn macht einem ganze Pedelec-Antrieb 250 Watt Power und eine Entfaltung wie sie im Sport und Turbo-Modus auftreten mitzugeben – weder für den Alltagsradler, noch für den Sportbiker. Für meinen Geschmack würde ich gerne auf die beiden genannten Modi verzichten und hätte stattdessen eine feinere Abstufung im unteren Unterstützungsbereich – übrigens etwas, was man mit dem multifunktionalen BOSCH Nyon Interface durchaus beeinflussen kann. Allerdings sehe ich den höheren Unterstützungsstufen durchaus ihre Berechtigung für Menschen mit Leistungsschwächen oder anderen Handicaps, nicht aber wenn ein solches Bike als Sportgerät von einem normal fitten Menschen bewegt wird und die Frage, ob jemand mit Handicap die Kräfte noch sicher steuern kann bleibt ebenfalls noch offen.
–> Am Ende dieses sehr spannenden Tests laufe ich nicht Gefahr mein aktuelles MTB für ein Pedelec-MTB an den Nagel zu hängen, dazu macht mir ein leichtes All-Mountain Fully vom Schlage meines CUBE Stereo 140 SHPC doch zu viel Spaß – bergauf wie bergab. Für mein Empfinden ist Trailbiken mit dem Pedellen aber auch weniger eine echte Konkurrenz zum klassischen MTB, sondern viel mehr eine neue Spielart des Bikens, eine Zusatzoption.
Ich jedenfalls werde definitiv die Entwicklungen in diesem Bereich mit Interesse weiterverfolgen, denn dass in dem Konzept Pedelec-MTB noch ein unglaubliches Potential schlummert, das steht für mich mittlerweile außer Frage. Welcome to the BRAVE NEW WORLD!!
RIDE ON,
c_g
Gratulation zu deinem/eurem offenen und vorurteilslosen Test des Cube Stereo Hybrid 120 SL 29.
Ich selber fahre dieses bike nun seit drei Monaten (vorher hein Haibike Xduro FS SE. Ich finde erstaunlich das du fahrwerkstechnisch die gleichen Erfahrungen mit dem bike gemacht hast wie ich. Ich habe mein bike auch modifiziert und vorne eine Rockshox Pike DP mit 150mm eingebaut und hinten einen neuen 200er Fox Float mit 57mm Hub. Ich find das bike mit dieser Konfiguration spitze und genau richtig für mich. Ich bin noch nie so schnell die Berge hinunter wie mit diesem bike.
Wer interesse hat kann zu meinem Aufbau mehr unter meinem Web-link ( http://www.pedelecforum.de/forum/index.php?threads/neues-pferd-im-stall-stereo-hybrid-120-29er.33379/ ) erfahren.
Gruß und weiter so twentynineinches-de-Team
Hi c_g,
wie immer ein Klasse Test & Testbericht. Vielen Dank.
Letztlich bestätigt er meine bisherige Einschätzung.
Gruß, Jens
…bin das Flyer Uproc 6 vor kurzem ausgiebig probegefahren, war begeistert, zwar keine 29″ Räder wie mein Speci Enduro, aber ein absolutes top Bike uphill wie auch Downhill, denke ich werde mir ein 2.bike zulegen 😉
I wish I could have one…