ROCKY MOUNTAIN Sherpa – Produktvorstellung & Fahreindrücke: von c_g

Wir haben euch das RMB Sherpa in seiner Serienform bereits geteasert, als kurz vor dem Sea Otter’15 öffentlich gemacht wurde. Ich möchte fast sagen „endlich“, denn das Sherpa wurde ja bereits zum gleichen Anlass ein Jahr vorher erstmals als Studie gezeigt … und schon damals hat es extrem viel Aufmerksamkeit auf sich gezogen (und so ganz nebenbei das Thema B+ losgetreten hat das heute in aller Munde ist ;-)).

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RMB Sherpa – ein wahrlich auffällig schönes Bike (Foto von Markus Greber)

Doch zurück zum Sherpa. Nachdem die Resonanz auf die „Sherpa-Studie“ so positiv war, hat ROCKY sich entschieden das Bike in Serie zu produzieren – als „Overland Bike“. Gemeint ist damit nichts anderes als ein Bike, das mit dem man nicht nur in schwierigem, unwegsamen Gelände zurecht kommt, sondern dort auch noch Spaß haben kann– selbst voll bepackt und auf mehrtägigen Abenteuer-Touren weit weg von jeglicher Zivilisation, durch unwegsame Wildnis und wenn es sein soll, bis ans Ende der Welt. Hier ein Satz aus der Präsentation von Rocky der die Sache schön auf den Punkt bringt;

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Der stilisierte Schneelöwe als Symbol des Wilden und Unbekannten ist auch beim Serien-Sherpa geblieben.

„Wir konstruierten das SHERPA für Abenteurer, die rausfahren, um die Welt zu erkunden. Auf der Suche nach alten Militärwegen in den Dolomiten, den Colorado Trail surfen oder längst vergessene Saumpfade im Himalaya bereisen — das SHERPA ist für Alle gemacht, deren Abenteuer den Gebrauch eines GPS Systems zwingend erfordern.“

Der Mann, dem wir das Sherpa zu einem guten Teil zu verdanken haben ist, Alex Cogger, seines Zeichens Produktmanager bei ROCKY und passionierter Adventurebiker (in dem kürzlich gezeigten Teaservideo des Sherpa in Arizona neben Geoff Gullevich, Wade Simmons und Andreas Hestler mit von der Partie). Eine wichtige Rolle bei dem Konzept kommt auch den Reifen zu, die in Zusammenarbeit mit WTB ursprünglich genau für dieses Bikeprojekt entwickelt wurde – der bereits ausführlich von uns getestete WTB Trailblazer 2.8 27.5+ Reifen und die WTB i45 Scraper Felgen. Die von uns schon mehrfach bestätigte Gutmütigkeit und unglaubliche Traktion der breiten Reifen sind natürlich eine der Qualitäten, die ein Bike wie das Sherpa perfekt für Bikepacking-Abenteuer machen … aber eben nicht nur dafür.

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In der Kulisse macht der Testride mit dem Sherpa natürlich doppelt Spaß.

Rahmen/Konstruktion: Das Sherpa ist eine eigenständige Bikeplattform, die aber einige Anleihen vom ROCKY Element nimmt. So ist der Carbon-Hauptrahmen direkt übernommen und hat dementsprechend die gleichen 95 mm Federweg hinten. Der Alu-Hinterbau basiert zwar auf der identischen Kinematik, besitzt aber für die extrabreiten Felgen und Reifen eine Reifenfreiheit für bis zu 3,25“ – so die Aussage von RMB. Die an den Testbikes verbauten WTB Trailblazer hatten jedenfalls noch richtig viel Raum.
Während jeder erwartet hatte, dass es mit Kurbel und Naben nach dem neuen Boost Standard kommen würde, von dem bisher behauptet wurde, dass er notwendig wäre um ein solches Bike zu bauen, geht ROCKY hier einen eigenen Weg, statt Boost spezifiziert RMB hinten eine normale 142×12 Nabe (begründet mit der besseren Ersatzteillage auf Reisen) und erzielt die große Reifenfreiheit indem man in das normale PF92 Tretlager eine breitere Kurbelachse einsetzt. Den Freiraum an der Achse gleicht man mit Spacern aus. Die Folge ist noch mal mehr Reifenfreiheit, als man es mit Boost schaffen würde, aber auch ein größerer Q-Faktor der Kurbel und natürlich eine modifizierte Kettenlinie.
Hier noch eine Grafik aus der Präsentation, in der das Thema im Bild erklärt wird:

9 Reifenfreiheit

Anstatt den Antrieb auf Boost umzustellen, bleibt das Sherpa bei einer 142×12 Nabe und geht dafür bei der Kurbel breiter.

Vorne dagegen wird eine Boost 110er Nabe verbaut.

Um sich bei der Übersetzung nicht auf 1×11 einschränken zu müssen, bleibt zudem ausreichend Raum für einen Umwerfer und eine 2-fach Kurbel, die auch am Serienbike verbaut ist. Hier kommt eine 22/36 RACE FACE Turbine Kurbel und eine 11-36 zehnfach Kassette zum Einsatz. Auf der kurzen aber knackigen, alpinen Testrunde in Sexten, war ich durchaus dankbar für die zusätzlichen Berggänge – zumal das Sherpa im Serientrimm um 14 kg wiegt. Wahrlich kein Leichtgewicht, aber wenn man nicht mit Pulsmesser und auf Zeit fährt, sondern das Erlebnis im Fokus hat, dann kann man sehr wohl darüber hinweg sehen. Es ist zwar keine Dropper Post verbaut, aber der Rahmen ist dafür vorbereitet.

Die genaue Ausstattung des einen aktuell für 2016 geplanten Sherpa Modells findet ihr auf der offiziellen Homepage des Sherpa. Dabei handelt es sich um durchweg solide und wertige Komponenten, wenn auch ohne besondere Highlights, die man evtl. bei einem VK von immerhin 4800.- Euro erwarten würde.

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Bevor wir uns den Praxiseindrücken zuwenden, noch ein paar Worte zu den MANITOU Federelementen die hier zum Einsatz kommen – vorne eine Magnum Comp mit 120 mm Federweg und 110 mm Achsbreite und hinten ein MANITOU McLeod (95 mm effektiver Federweg).

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Insbesondere auf das Thema „mit und ohne Gepäck“ hat man bei der Auslegung der Federelemente großen Wert gelegt und deswegen diese speziellen MANITOU Federelemente verbaut. Beide Federelemente sind so konstruiert, dass sie sowohl nur mit dem Fahrer beladen, wie auch mit großer Zusatzlast optimal zu funktionieren (allerdings muss man weiterhin den Luftdruck und die Dämpfung der Beladung gemäß anpassen). Sowohl das Ansprechverhalten, wie auch die Dämpfung sind außerdem so abgestimmt, dass sie optimal mit den großvolumigen Reifen harmonieren. Die für uns überraschende Philosophie von MANITOU hierbei ist es ein möglichst feinfühliges Ansprechverhalten zu erzielen um die Federung parallel mit den Reifen arbeiten zu lassen um jegliche Tendenz zum „Aufschauken“ oder „Springen“ von vornherein zu unterbinden.

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Ein ungewohnter Anblick – die auf 12cm getravelte MANITOU Magnum.

Dieses sehr sensible Ansprechverhalten erzielt die Magnum Gabel durch einen internen „ISO-Element“, das quasi als zwischengeschalteter Puffer, schon auf feinste Schwingungen reagieren kann, schon ehe die Hauptkammer die Haftreibung überwindet und zu arbeiten beginnt. Um die ungedämpfte Federung (Stichwort: Rückprall) der Reifen auszugleichen, besitzen die Federelemente einen sehr breite Einstellbereich der Dämpfung, mit angepasst etwas strafferem Rebound. ROCKY betonte, dass man eng mit MANITOU zusammengearbeitete hätte, um auf die Eigenheiten der B+ Reifen einzugehen und so ein Optimum an Trailperformance rauszukitzeln.

Interessant: Während die Einbaulänge des Dämpfers ganz normal ist und der auch seinen gesamten Federweg nutzt, wurde vorne eine 27,5+ Chassis für 150 mm Federweg verbaut, die aber auf 120 mm nutzbaren Federweg runter „getravelt“ ist – um die effektive  Einbauhöhe und damit die Geometrie des 29er Hauptrahmens nicht zu verändern. Es bleiben also immer ein paar Zentimeter der Standrohre ungenutzt und staubig – ein Anblick, an den man sich zuerst gewöhnen muss.

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Fahreindrücke: Ich hatte das Privileg vom deutschen ROCKY Importeur BIKE ACTION auf die Europa-Prämiere des Sherpa nach Sexten eingeladen zu sein und dort auch einige durchaus vielsagende Testrunden damit drehen zu dürfen.

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Das BIKE ACTION Presscamp in Sexten – eine Horde bikebegeisterter Tester und Journalisten und jeder will das Sherpa fahren …

Das Setup des Bike mit den MANITOU Federelementen verlief recht schnell. Den Luftdruck der B+ Reifen haben wir anfangs etwas höher gewählt – ca. 1,3 bar vorne und 1,4 bar hinten … sozusagen als leichte Reserven für den bevorstehenden wurzeligen und steinigen Trail. Auf dem Uphill fällt sofort die gewollt entspannte Sitzposition auf. Mit dem Fokus auf langen Tagen im Sattel und Touren jenseits ausgetretener Wege macht das auch durchaus Sinn. Bei den besonders steilen Rampen beim Anstieg bleibt das Sherpa dennoch sehr gutmütig und ohne jede Aufbäumtendenz. Wie gesagt, das 24er Kettenblatt mit 11-36 Kassette liefert hier die notwendigen Bergauf-Reserven.

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Neben den breiten WTB Trailblazer Reifen, gehören beim Sherpa auch die WTB Scraper Felgen zum Konzept.

Überhaupt fährt sich das Sherpa ausgesprochen gutmütig und gelassen. Kein Zweifel, es hat das grandiose Handling und Fahrverhalten vom 29er Element (weiterhin eines meiner liebsten XC-Fullies). Die 2.8er Reifen mit ihrer sagenhaften Traktion auf fast allen Untergründen und die resultierende hohe Laufruhe bringen aber eine Gutmütigkeit und Sicherheit, wie sie uns schon damals bei unserem B+ Test so positiv aufgefallen ist. Wenn ich nicht schon vorher gewusst hätte, dass das Bike 14 Kg auf die Waage bringt hätte ich es allein vom Fahrverhalten sicher auf unter 13 kg geschätzt – eine Einschätzung die ich auch auf das wunderbar sanfte Überrollverhalten der B+ Reifen schiebe.

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Seitenführung satt – das RMB Sherpa macht richtig Spaß auf waldigen Trails. (Foto von Markus Greber)

Sobald sich der Trail dann nach unten neigt und die Schwerkraft die Kontrolle übernimmt, ist auch sofort wieder dieses sagenhaft sichere Gefühl da, das die großvolumigen B+ Reifen generieren. Auf nassen und matschigen Abschnitten kamen zwar kurz die Schwächen des Trailblazers durch, aber ansonsten, war der Reifen ein Wunder an Traktion und Fahrspaß – egal ob schnell und flowig oder technisch und wurzel-übersät. Der untere Abschnitt der Abfahrt war über einen schottrige Forststrasse und sehr schnell zu fahren. Hier konnte man mit maximalem Funfaktor in die Kurven gehen und entweder die sagenhafte Traktion auskosten … oder die Reifen mit einer dosierten Bremsung zum Ausbrechen bringen und schön kontrolliert um die Kurve driften. Klasse!

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Das RMB Sherpa mit seinem dezent matt- goldflackierten Rahmen ist schon ein richtig schickes Bike, oder?

Der erste Eindruck der Federelemente auf dem mir unbekannten Trail war positiv, wenn auch nicht ganz ohne Kritik. Während das Heck mit seinen 95 mm Federweg unauffällig war, mit einer guten Balance zwischen Komfort und Federwegsausnutzung, hat mich die Magnum Comp Federgabel mit ihrer Federungscharaktersitik etwas ins Grübeln gebracht. Auf der einen Seite steht eine superbe Sensibilität und komfortbetonte Dämpfung mit dem sehr positiven Effekt, dass die umgedämpften Reifen meistens förmlich am Boden kleben geblieben sind und so extrem viel Kontrolle erzeugt haben. Auf der anderen fehlt es der Gabel für meinen Geschmack aber auch etwas an Feedback. Zusammen mit der spät einsetzenden Progression war es so für mich nicht immer leicht den Grenzbereich richtig zu erspüren und rechtzeitig vom „Gas zu gehen“. So gab es auf der Testrunde auffällig viele Durchschläge unter den Testerkollegen, was mich schon gewundert hat, da ich selber mit den Trailblazern damals auf meinem Bike – und auch jetzt nie irgendwelche Probleme diesbezüglich hatte. Leider bot sich keine Gelegenheit ein wirklich vollbeladenes Sherpa oder dem Sherpa mit normalen 29er Laufrädern über die Trails zu fahren, denn dann erst hätten die Federelemente wirklich zeigen können welche Bandbreite in ihnen steckt. Wie gesagt, noch ist es zu früh für ein echtes Urteil und die MANITOU Magnum Comp ist definitiv eine gute Federgabel, aber so richtig überzeugt hat sie mich auf den Testrunden nicht.

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Wurzeln und Steine – auch kein Problem mit dem Sherpa B+ Bike. (Foto von Markus Greber)

Die übrigen Komponenten waren wie zu erwarten vollkommen unauffällig und funktionierten tadellos. Mitunter hatte ich mir eine gewohnte Dropper-Post gewünscht, aber das war’s auch schon.

Zusammenfassend hat das Sherpa, das neue Overland Bike von ROCKY MOUNTAIN bei mir einen durchaus positiven ersten Eindruck hinterlassen. Es ist ein wunderbar vielseitiges Bike, das bergauf wie auch bergab ein Menge mitmacht und trotz aller subjektiver Sicherheit und Gutmütigkeit immer noch ungemein viel Spaß macht. Traktion satt. Ein durchaus spannender, und zweifelsfrei wunderschöner Einstieg in B+.

RIDE ON,
c_g