NINER ROS9+ – Kurztest-Fahreindrücke: von c_g
Normalerweise versuchen wir bei twentynineinches ein Bike für mindestens 1 Monat zu fahren um ein wirklich komplettes Bild des Bikes zu bekommen. Nicht so bei diesem Test, bei dem wir uns aufgrund der zeitlichen Einschränkungen von Seiten NINER auf einen Test von nur 7 Tagen Dauer beschränken mussten.
Ausgerechnet in der Zeit hat sich bei uns auch noch der Winter breit gemacht, so dass wir alles von matschigen Trails mit einer schmierigen Schneeauflage, über tief verschneite Trails bis hin zu festgefahrenen, zum Teil eisigen Trails hatten … nur eben keine typisch griffigen Verhältnisse wie wir sie gerne gehabt hätten :-(.
Das soll aber nicht bedeuten, dass das NINER ROS9+ nur wenig im Einsatz gewesen wäre – ganz im Gegenteil – es bedeutet, aber dass die Art der Nutzung etwas fatbikelastiger gewesen ist und weniger klassisches Trailshredden wie wir es gerne gemacht hätten.
Doch jetzt zur großen Frage: Wie fährt sich das ROS9+?
Nun in zwei Sätzen zusammengefasst: Das NINER ROS9+ ist ein echtes „SP“ oder Spaß-Bike. Obwohl es als Starrbike definitv andere Grenzen hat, wie sein All-Mountain-Hardtail-Bruder mit 120-140 mm Federgabel, verdient es mit diesem verglichen zu werden.
Mit dem Rahmen in Medium und einem Sitzrohr von gerade mal 41 cm Länge musste ich zwar die 400 mm Sattelstütze exakt bis ans zulässige Limit ausfahren, was natürlich auch die Gewichtsverteilung etwas weiter nach hinten bringt, aber das hat dem unvermeidlichen Trailspaß mit dem NINER ROS9+ überhaupt keinen Abbruch getan. Zugegeben, mit einem Rohgewicht von 13,4 kg (ohne Pedale) ist das Bike kein Leichtgewicht, aber mit den großen 29+ Walzen ist das Bike ohnehin kein Sprinter. Doch irgendwie war das Gewicht oder die Beschleunigung nie ein Thema wenn es darum ging damit Spaß zu haben. Mit den Erfahrungen der beiden KUBIS Bikdig 29er unmittelbar zurückliegend war ich zwar nicht mehr so überrascht von den Eigenschaften des 29-Plus-Formats, war aber weiterhin sehr positiv angetan, wie die 3“ Reifen kleinere Bodenunebenheiten schlucken und größeren Schlägen die Spitzen nehmen. Über normale Wurzeltrails oder Schotterpisten gleitet das NINER ROS9+ einfach drüber ohne jegliche ermüdende Vibrationen an den Fahrer weiterzugeben.
Aufgrund der winterlichen Bedingungen konnte ich auch sehr gut herausfinden, wie sich das 29+ als „Semi-Fatbike“ macht. In vielen Fällen hat es sich genau so verhalten wie man es erwarten würde, gutmütiger und gelassener als ein echter 29er und nicht ganz so souverän wie ein Fatbike.
Wenn es ums Fahrverhalten auf dem Trail geht, generiert das NINER ROS9+ die gleiche Sicherheit, wie sein 29er Geschwisterchen, nur eben noch ein wenig gelassener und ruhiger wenn es steil oder technisch wird. Dafür muss man wegen des starren Charakters sehr wohl auf das Tempo achten, denn sonst neigt auch das ROS9+ zum Springen über größere Hindernisse. Das für ein 29+ sehr kompakte Heck und die sehr mittige Sitzposition verleiht dem Bike ein eine begeisternde Verspieltheit und tolle Manieren im Grenzbereich: Insbesondere bei den matschigen Verhältnissen am Anfang waren die SURLY Knard Reifen oft und sehr schnell am Limit, was den Kurvenhalt angeht und da war diese Kontrolle und Gutmütigkeit äußerst willkommen.
Insbesondere beim Lenkverhalten fand ich die 3″ Reifen sehr viel neutraler als bei Fatbikes mit 4,0 bis 4,8″. Bei den 3“ Reifen noch überhaupt kein „Self-Steering“ (das bekannte Einlenken der dicken Reifen ab einem gewissen Kurvenradius) zu spüren, wie es schon 4“ Fatbike-Reifen deutlich haben (übrigens für mich persönlich einer der Hauptgründe ist, warum mir ein Fatbike als Allrounder nicht so zusagt). Bei 29+ ist es schwer noch von echter Agilität zu sprechen, denn sobald man auch nur etwas Fahrt aufnimmt, generieren die großen 29+ Reifen so weit weg von der Achse einfach eine ausgesprochene Laufruhe. Dennoch ist das ROS9+ eines der Bikes, die sowohl sicher, wie auch handlich wirken und einfach nur viel Spaß beim fahren machen.
Insbesondere wegen der auf max. ausgefahrenen Stütze hatte ich mit Abstrichen im sitzenden Klettern erwartet, doch zu meiner Überraschung, klettert das ROS9+ ausgezeichnet und auch sitzend recht entspannt. Solange die Trailverhältnisse und die Knard Reifen die Traktion aufrecht erhalten konnten, gab es fast keine Grenzen was ich damit im Sattel haben fahren können. Anders als das KUBIS damals verliert das ROS9+ auch im Wiegetritt erst sehr spät den Grip am Hinterrad. Insbesondere für Singlespeeder ein wichtiges Argument.
Während die SURLY Knard in tiefen Böden und bei Nässe sehr schnell ans Limit kommen, sind sie sonst in allen anderen Bereichen – egal ob festgepackter Schnee, Eis oder über Wurzeln ein echtes Muster an Gutmütigkeit. Wie bereits bei B+ und den ebenfalls sehr zahmen WTB Trailblazer B+ Reifen damals im Fazit angemerkt, schafft es das Plus Format einen geringen Rollwiderstand und dennoch sehr gute Traktion auch bei solchen Reifen zu generieren, denn man optisch nicht unbedingt heftiges Gelände zutrauen würde. Letztlich muss ich dem Knard also unter den gefahrenen Bedingungen also ein deutlich besseres Urteil aussprechen, als ich je gedacht hätte.
Eine kleine Problemstelle des ROS9+ ist, genau wie damals beim KUBIS Bindig Race 9.5, der nur sehr geringe Platz zwischen Kette und Reifen im kleinsten Gang der 11-fach Kassette. Während des Fahrbetriebes hat sich das allerdings überhaupt nicht bemerkbar gemacht – weder Probleme mit einer eingeklemmten Kette oder einem reibenden Reifen. Letztlich bleibt es eine Problemzone bei den Plusformaten, ganz besonders, wenn man versucht auch noch kompakt zu bauen wie das NINER.
Die einzige echte Einschränkung des ROS9+ ist systembedingt sein starrer Charakter – ein Umstand den es der Tatsache verdankt, dass es einfach noch keine 29+ Federgabeln gibt. Wenn man mal mit etwas zu viel Speed über heftigeres Gelände räubert, merkt man schnell, dass die Reifen eben doch nur bedingt eine Federgabel ersetzen können. Am Heck dagegen ist das ROS9+ seinem 29er Bruder in jeder Situation überlegen weshalb ich mich auch immer wieder gefragt habe, wie sich das ROS9+ wohl mit einer 100 bis 120 mm Federgabel fahren würde.
Doch das ist wohl eher eine Frage des „Wann“ als des „Ob überhaupt“, denn wenn man zwischen den Zeilen ließt, ist das ROS+ bereits für Federgabeln mit 100 bis 120 m ausgelegt … und wie sich ein solches Bike dann (evtl. auch noch mit aggressiveren Reifen) fahren würde, kann ich nur mutmaßen. Ich jedenfalls freue mich schon jetzt auf diesen zukünftigen Test.
Bei aller Begeisterung über die Fahreigenschaften des NINER ROS9+ möchte ich aber eine eher grundsätzliche Überlegung nicht außer Acht lassen. Es bleibt nämlich die Frage offen, ob 29+ es auch wirklich schafft sich langfristig einen festen Platz in der Riege der legitimen Bikeformate zu sichern, oder ob es nicht schon bald in die Exotennische zurückrutscht aus der es aktuell versucht auszubrechen. Derzeit sehe ich sehr viele der Eigenschaften von 29+ auch in B+ erfüllt, mit dem Zusatz, dass das B+ Format eben auch in vielen existierenden 29er Rahmen nachzurüsten ist und somit die Problematik der speziellen Rahmen- und Gabelkonstruktion umgeht. Egal wie überzeugend die Fahreigenschaften auch sein werden – 29+ wird es nicht leicht haben sich als „Player“ zu etablieren.
Testfazit: Am Ende bleibt das NINER ROS9+ ein echtes Spaßbike, das für mich die verspielten Eigenschaften des ROS9 übernimmt, sie aber durch das Plus-Format auf eine gutmütig, gelassenere Art interpretiert. Nicht unbedingt ein Bike um damit Marathonsiege einzufahren oder Endurorennen zu bestreiten, aber wer nicht nach Pulsuhr sondern nach Funfaktor fährt, der findet im NINER ROS9 das derzeitige Maximum an Komfort, Fahrspaß und Einfachheit … und all das ohne auf fatbike-spezifische Standards ausweichen zu müssen. Unter den wenige bisher existierenden 29+ Bikes besetzt das ROS9 damit klar die Position des verspielten Spaß-Trailbikes und erhält damit unsere aufrichtige Empfehlung in Sachen Handling. Was das Gewicht uns den gesalzenen Preis angeht gibt es dennoch Abzüge in der B-Note.
RIDE ON,
c_g