NICOLAI ION15 – Erste Eindrücke: von c_g
Das NICOLAI ION15 wurde uns nach Herstellerangaben als waschechtes Race-Enduro mit satten 145 mm am Heck und einem dennoch recht kompakten Hinterbau (440 mm Kettenstrebenlänge) vorgestellt.
Entgegen den Abbildungen im Intro-Artikel mit allen Spezifikationen und Details haben wir noch vor Beginn des Tests den dort abgebildeten SUNTOUR Dämpfer gegen den Seriendämpfer, einem ROCK SHOX Monarch Plus getauscht. Die SUNTOUR AION Federgabel ist aber geblieben. Außerdem habe ich witterungsbedingt die CONTI Trail Kings gegen die SCHWALBE Ice Spiker getauscht … auf den Bilder erkennt man warum :-).
Wie sich das Bike fährt? Anders als erwartet. Ehrlich, ich hatte ein richtig aggressives und raceorientiertes Enduro erwartet mit einer typischerweise hecklastigen Sitzposition. Was ich aber auf den ersten eher gemäßigten Ausfahrten erlebt habe, war ein Bike, das mich statt dessen mit seiner Gutmütigkeit und Vielseitigkeit begeistert hat.
Einmal auf mich eingestellt, saß ich auf dem Bike recht entspannt, ja fast kompakt und dennoch durch die Sattelüberhöhung und zentrale Gewichtsverteilung angenehm effizient und sehr vertrauenerweckend.
Und noch ein anderer Punkt hat es mir sehr angetan – die unauffällig-effektive Hinterbaufederung. Ich bin gegenüber Federungsbewegungen beim Pedalieren recht sensibel und normalerweise gehört der Griff zum Plattformhebel bei Bikes in der Federwegsklasse zu den fast schon beiläufigen Bewegungen. Nicht aber hier beim NICOLAI ION15. Ein Bike mit einer so gut arbeitenden und dennoch absolut unauffälligen Federung ist auch heute noch recht selten. Dabei fühlt sich die Federung linearer an, als erwartet, der Federweg ist sehr gut nutzbar. Nein, das Viergelenker-System ist nicht 100% antriebsneutral, vielmehr ist die Federung und die Kinematik genau so konstruiert, dass sich das ION15 sowohl unter Kettenzug, wie auch im Downhill einfach nur gut fährt. Bisher hatte ich deswegen noch nie Anlass dazu den Dämpfer anders als offen zu fahren.
Wie üblich habe ich anfangs viel mit dem Dämpferdruck gespielt und von 20 bis 40% Sag vieles durchprobiert. Oft bei derartigen Bikes gefällt mir das straffere Spektrum (20-25%) besser, vor allem bergauf, weil damit das Wegsacken des Hinterbaus spürbar geringer ist. Interessanterweise ist es hier genau andersherum. Auch wenn weniger Sag etwas weniger Gewichtsverlagerung bergauf erfordert, so war schnell klar, dass die Traktion spürbar leidet. Ab 30% Sag dagegen, scheint der Hinterbau förmlich am Boden zu kleben und war nach bisherigen Erkenntnissen klar die effektivere Art grobe Wurzel- und Singletrails zu erklettern. Erst ab 40% beginnt der Hinterbau zu weich zu werden. Wohlgemerkt – all diese Erkenntnisse beruhen auf durchweg sehr schwierigen Trailbedingungen, ich bitte sie deswegen eher als vorläufige Aussagen zu werten.
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Bergab gibt sich das NICOLAI ION15 dann erwartungsgemäß noch potenter. Man spürt, das man bei NICOLAI ein gutes Händchen dafür hat wie sich ein Bike bergab fahren sollte.
Die Lenkung ist agil aber nie nervös und dennoch sehr sicher. Unterstützt durch den sehr steifen Rahmen zirkelt man ebenso souverän um High-Speed-Turns, wie auch echte Slalomkurse. Dass das NICOLAI zum maximalen Potential auffährt wenn man es sehr aktiv fährt ist nicht überraschend. Das passt zu unseren Erfahrungen mit anderen NICOLAI Bikes. Was mich aber zugegebenermaßen überrascht hat, ist dass das ION auch passiv gefahren sehr viel Spaß macht und zur erwähnten Agilität auch eine hohe subjektive Sicherheit generiert.
In einer geübten Hand lässt sich das ION15 wunderbar aus der Hüfte steuern. Das Bike liebt es im Manual über Bodenwellen zu rauschen und lässt sich generell sehr intuitiv und einfach aufs Hinterrad ziehen. Kurvendrifts werden mit dem ION15 zum wahren Vergnügen. –> Ich sagte ja bereits, dass das ION15 es mir sehr angetan hat 🙂
Erst als sich die Trailbedingungen wieder gebessert hatten und auch die steileren Trails wieder bergauf fahrbar wurden, hat sich dann doch gezeigt, dass das ION eine Schwäche hat. Durch das kompakte Heck das viel mit die oben genannten Traileigenschaften zu tun hat, wandert der Schwerpunkt dann doch schnell nahe an die HR-Achse und sorgt für ein etwas zu frühes Aufbäumen. Hier heißt es entweder aktiv das Gewicht nach vorne verlagern oder gleich im Wiegetritt fahren, so meistert das ION15 auch die steilsten Rampen souverän.
Zusammenfassung: Soweit für die ersten Eindrücke des NICOLAI ION15, dem Bike mit dem größten Federweg aller NICOLAI 29er. Bisher hat mich das ION 15 mit seinen ausgezeichneten Handling und Fahreigenschaften beeindruckt und mit seiner gutmütigen Vielseitigkeit positiv überrascht. Keine Spur von einem hochgezüchteten oder gar zickigen Race-Enduro, sondern ein durch und durch fähiges All-Mountain mit großen Reserven.
Ich habe kaum Zweifel, dass auch ein echtes Enduro im ION15 steckt – Eigenschaften und Reserven die ich bei den bisherigen Trailbedingungen noch nicht voll habe ergründen können … aber in der nächsten Testphase noch werde. Als einzigen Kompromiss des ungemein gutmütigen und vielseitigen Handlings ist mir die etwas frühe Aufbäumtendenz aufgefallen.
RIDE ON,
c_g
Welche Rahmengröße testet ihr hier beim Ion 15? Wie nennt sich die Lackierung (Pulverlackierung, oder)?
@ Phillip: Falls wir vergessen haben das im Intro mit anzugeben: Es ist ein Medium. Ja, der Hauptrahmen und die Kettenstreben sind pulverbeschichtet (keine Ahnung wie die Farbe in RAL heißt). Die Sitzstreben und die Wippe sind eloxiert.