Der Biss des Anaconda-Trails: „The Longest Day“ mit dem CUBE Action Team von Thomas Hebestreit

Vorwort: Die Marke CUBE zeigt bei seinem Action Team großes Engagement im Endurosport. Unser Tester Thomas Hebestreit, ein echtes XC und Marathon-Urgestein, wusste nicht ganz wie ihm geschieht. Er wurde zur Teampräsentation 2012 in Torbole eingeladen. Zum „CUBE – The Longest Day: 10.000 Tiefenmeter“ auf dem Enduro-Bike, an einem Tag. Kein wie  üblicher TNI-Test, sondern einfach eine unterhaltsame Lektüre zu den Facetten unseres Lieblingssports.
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Als kurz nach sechs Uhr früh die Schiebetür des Bikeshuttle-Busses krachend ins Schloss fällt, scheint es fast, als würde es zur Startrampe der ersten Marsmission gehen. Zwei Busse, innen voll besetzt, auf dem Dach und am Heckträger stehen und hängen Räder. Die wirken eher wie Geländemaschinen, und sind es auch: Enduro-Mountainbikes, die nur darauf warten, ihre Fahrer irre schnell und spektakulär die aberwitzigsten Trails am Gardasee hinunter zu bügeln. Die Müdigkeit steckt mir noch in den Gliedern. Eine Stimmung, in der man gerne so etwas wie eine wage Vorahnung spürt. So wie vor ein paar Minuten, als ich mein Bike vom Hotel zum Parkplatz schob. „Wirst schon sehen, das gibt heute Ärger – mein Freund!“, schienen mir die dicken Reifen und der ewig lange Federweg einzuflüstern.
Ich versuche die dunklen Gedanken zu verscheuchen. Die Busse quälen sich im Konvoi die Serpentinen hoch. Draußen ist es noch frisch. Vom Wachsein weit entfernt, könnte ein Kaffee nicht schaden. Hoffnungsvoll drehe ich mich in Richtung Wagenheck – ob da eine Kaffeemaschine steht? Fehlanzeige. Wieder nur Endlosfederweg und Stollenbreitreifen, die hämisch raunen: „Dir Rasenheizer zeigen wir’s heute.“

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Helfen Protektoren gegen Angst?

Die Aufregung verdrängt langsam alles andere. Immerhin geht es heute um was: „The longest Day“ wurde ausgerufen – vom Cube Action Team, bestehend aus die beiden französischen Megavalanche-Spezialisten Valerie Priem-Schandene und Nicolas Lau, den Deutschen DH Meister Andrè Wagenknecht, Ludwig Döhl (2-facher CaiDomSieger), 4X Spezialistin Laura Brethauer und die Enduro-Spezialistin Julia Hofmann. 10.000 Höhenmeter abwärts lautet die Ansage – an einem Tag. Auf den berühmt berüchtigten Gardasee-Trails. Fahrtechnik vom Allerfeinsten ist gefragt. Die Damen und Herren vom Team können diese durchaus vorweisen. Ich weniger. Meine märkische Wiesen- und Sand-Cross-Country-Fahrtechnik könnte da durchaus an ihre Grenzen kommen. So etwas macht schon Angst. Ein bisschen zumindest. Den Bammel können mir auch die unzähligen Protektoren nicht nehmen, die mich erstmalig zieren und mit denen ich den Habitus eines Astronauten verströme. Ich sinniere weiter, bis uns das Shuttle am Einstieg des ersten Trails ausspuckt. Ich gebe mir einen Ruck. Freudige Erwartung frisst die Müdigkeit auf.
Der Bikeguide zieht an einer Zigarette und begutachtet die Abladezeremonie der Bikes von den Autodächern. Ich ziehe an meiner Freeride-Short, dem Freeride-Trikot und den Protektoren. Alles viel zu weit, sollen die Klamotten auch als Fallschirm dienen? Für eine Antwort bleibt keine Zeit. Mir wird mir ein Enduro-Bike in die Hand gedrückt. Eine Sekunde sehne ich mich nach 2.0er Trennscheibenbereifung, bockhartem Carbon-Hardtail und Lycra-Strumpfhosen. Doch dafür ist keine Zeit, nach einer handvoll Kurbelumdrehungen sind wir auf dem Trail.

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Und gleich geht‘s ordentlich zur Sache. Der Bikeguide vorneweg, die Damen und Herren des Cube Actionteams knapp dahinter, wedeln sich mit dem Hinterrad und einer gehörigen Portion Speed die Spitzkehren, Drops und das lago-typische lose Geröll hinab. Teammanager Claus Wachsmann kann da fast mithalten. Danach kommt eine ganze Weile nichts. Dann komme irgendwann ich. Richtig Flow dürfen die Profis hier kaum haben, müssen sie doch an jeder Trail-Abzweigung auf uns warten. Wer sich hier oben verirrt, wird in 1000 Jahren neben seinem Enduro-Bike als Garda-Ötzi wiedergefunden. Die dann lebende Generation dürfte sich fragen, was für ein seltsames Jagdgerät der gepanzerte Krieger mit sich führte – vielleicht irgendetwas gegen Aliens?
Der erste Trail ist vorbei, zack – die ersten 1000 Höhenmeter sind abgehakt. Bikes aufs Autodach, wieder hoch – gleich nochmal. Einige grinsen schon breit, da hat‘s wohl trotz der unchristlichen Zeit ordentlich gekickt. Schon hocken wir wieder im Shuttle: hinauf geht‘s die schönen Höhenmeter, die ich viel lieber selbst hinauf kurbeln würde, um mich dann mit der Abfahrt zu belohnen. Das ganze erinnert schon etwas an ein Skigebiet: Lift bergauf, herunter rasen. Ein ganz schönes Geraffel für ein paar Minuten Trailsurfen; und kein Espresso weit und breit.

Beim zweiten Trail-Einsatz tun mir bereits die Arme weh. Und auch die Oberschenkel fangen an zu brennen. Ganz schön ungewohnt, diese Belastung. Eben doch fast wie Skifahren! „Abfahrtshocke“ heißt das wohl. Und so langsam keimt auch in mir so etwas wie Abfahrtsrausch auf. Wahnsinn, was so ein gut gehendes Enduro-Bike alles fahrbar macht! Da kommen selbst Fahrer, die den Ruf haben, nicht radfahren zu können, heil den Berg hinunter. Nicht schnell, aber sie kommen an. Ich zähle mich einfach mal dazu. Zumindest was Enduro-Strecken der anspruchsvolleren Klasse angeht. Jedenfalls müsste ich an meiner Endurokarriere noch die eine oder andere Minute arbeiten.

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Als hätte es noch eines Beweises dafür bedurft, kommt der ein paar hundert Meter weiter in Form eines Wassergrabens. Mühelos wie einst Ludger Beerbaum auf seinem Pferd Goldfever springen die Profis hinüber auf die andere Seite. Ein französischer Pressekollege versucht es ebenfalls und verschwindet kopfüber im Graben. Zu meiner Überraschung flucht er nicht “merde”, sondern “shit”. Mountainbiken ist eben Völkerverständigung, selbst im absoluten Grenzbereich. Zum Glück ist nichts weiter passiert. Nur der dunkle Fleck auf dem gelben Trikot zeugt vom Abflug. Und Zahl der Flecken auf den Trikots und Hosen im 18-köpfigen “Peloton” nimmt ständig zu.

Unten angekommen, warten bereits wieder Bikeguide und Teamfahrer. Die sind sicher schon eine Stunde da, hätten locker Brunch, Bikewash und eine Stunde Schlaf nachholen können. Ich weiß genau, wie sich fühlen, bei der Warterei. Ich kenne das, allerdings vom Bergauffahren.
Wieder im Bike-Shuttle, geht ein Raunen durch die Reihen der Passagiere: Nun steht der Anaconda-Trail an. Ein Trail nach einer Schlange benannt – das klingt nicht nach schneller Schotterabfahrt. Der Trail zeigt sich oben von seiner freundlichen Seite, zumindest was mich angeht. Völlig untypisch für die Gegend bohren sich die Stollen der Reifen in allerfeinste “Blumenerde”. Das ist ja wie zu hause! Flowig und teilweise sehr steil geht‘s hinab. Spätestens jetzt hat‘s mich auch gepackt. Mein Rausch endet jäh, als ich die Teamfahrer wieder hüpfen sehe. Weiter unten zeigt die Anaconda ihre scharfen Zähne: Geröll, sehr verblockt, steil.

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Schiffbruch an der Klippe

Irgendwie komme ich da durch, eher als Passagier denn als Pilot. Unten auf See-Level angekommen, bin ich breit wie eine Flunder. Dabei bin ich heute doch noch keinen Meter richtig Rad gefahren. Egal, die Anaconda will ein zweites Mal gebändigt werden. An einiger schwierigen Stelle endet der Tag für mich auf einem schönen Felsen. Ich komme mir vor wie ein Schiffbrüchiger, ausgelaugt und gestrandet auf einer Klippe nach „nur“ 6500 Höhenmetern. Ich bin nicht der einzige. Die Gruppe wird nun alle paar hundert Höhenmeter kleiner. Die Hälfte etwa wird abends völlig fertig, aber glücklich die 10.000er Marke gerissen haben – Respekt! Ich verspreche, ich werde weiter trainieren. Nächstes Jahr treffen wir uns wieder. Dann fahren wir wieder 10.000 Höhenmeter – aber bitte hinauf :-).

Thomas Hebestreit

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