KUBIS Bikdig Race 9,5 – Kurztest an einem langen Testwochenende: von Oli
Die Tour geht relativ lange bergauf, hat einen kurzen, nicht zu unterschätzenden Trail und eine lange Abfahrt und abschließend eine schnelle Flachpassage. In meinen Augen genau das richtige Gelände für die erste Annäherung an das KUBIS Bikdig Race 9.5, das sich laut Aussage KUBIS BIKES als „Wolf im Schafspelz“ zeigt. Das Format 29×3“ oder 29plus war mir nicht ganz neu, hatte ich doch in Willingen schon eine kurze Proberunde auf einem Surly Krampus (hier von c_g schon getestet) gedreht und aus Neugierde mein Singular Puffin auch schon auf 29+ umgebaut, was gerade so passt.
Ich war richtiggehend angefixt von dem 29plus-Format, scheint es mir doch der ideale Kompromiss zu sein zwischen 29ern und Fatbikes. Ich bin allerdings mit 1,88 m auch relativ groß und komme auch mit großvolumigen Reifen ohnehin gut klar. Insofern kam mir das Angebot von c_g an dem test der beiden KUBIS 29+ Bikes mitzuwirken, mehr als recht. Ich habe mich wirklich gefreut über die Möglichkeit, zunächst das aktuelle KUBIS Bikdig Race 29+ und in folge das Bikdig Pinion All-Mountain zu testen.
Bevor ich jetzt in den eigentlichen Fahrbericht einsteige, muss ich was zu meinem ersten Spontan-Eindruck des Bikes sagen: Optisch ist es eine Wucht. Die cleane, schwarze Stealth-Optik (auch unterstützt durch den Carbonice Lenker, der mir sehr zugesagt hat) mit kleinen roten Akzenten bei der Bremse (Magura MT8) , den Schrauben und sogar den Schaltzugendkappen … ich mag sowas.
Als ich das Rad in Empfang nahm war ich auch wegen dem geringen Gewicht des Komplettrades begeistert. Zudem freue ich mich auch sehr, dass eine kleine Firma aus Deutschland hier den Markt etwas aufmischt und Innovationsbereitschaft zeigt!
Zu Ausstattung muss ich nicht viel sagen, das hat c_g hier schon ausführlich gemacht. Die ist top und begründet auch den hohen Preis – macht aber auch erst das geringe Gewicht möglich.
Aber, und jetzt kommt ein für mich großes ABER: Egal wie sich das Bike fährt und der Test ausfällt … ich hätte persönlich Schwierigkeiten mit dem Namen , der früher BigDick (…) und jetzt auf BikDig umgeändert wurde. Wer nicht genau weiß, was das bedeutet muss nur mal Suchmaschinen bemühen und wird schnell die unwillkürliche Zweideutigkeit entdecken.
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Doch nun meinen ersten Praxiserfahrungen:
Das KUBIS Bikdig Race 9.5 ist ein unglaublicher Klettermaxe. Mit seinen 9,5 kg, den leichten Tubeless-Laufrädern und der starren Gabel vorne machte das Bergauffahren und heizen in der Ebene richtiggehend Spaß. Suchtgefahr!
Auf der oben beschriebenen Tour war ich mit meiner Frau (sie auf ihrem zu einem 29+ umgebauten ON ONE Fatty – auch das passt gerade so) unterwegs. Zunächst hatte ich ein schlechtes Gewissen, weil es für mich so vergleichsweise leicht schien, die ersten paar hundert Höhenmeter zu bezwingen … ihr Fatty ist deutlich schwerer. Wenn es aber stellenweise steil wurde, beneidete ich sie, weil ich wieder mal mit einer 1×11 Sram XX1 Schaltung mit 30/10-42 unterwegs war (siehe auch hier meine und c_g’s Beobachtungen) und siemit ihrer 2×10 Übersetzung schlichtweg leichter treten konnte. Wollte ich besser vorankommen, blieb mir nichts übrig als im Wiegetritt weiter zu gefahren. Dabei ist mir das Hinterrad aber deutlich schneller und mehr durchgedreht als erwartet. Denn als ich stand, hatte ich das Gefühl dass mein Schwerpunkt etwas zu stark über das Vorderrad verlagert wird. Am langen Vorbau kann das nicht liegen, und auch die Oberrohrlänge von 615mm fällt für mich genau richtig aus.
Da ich wusste, dass es erst mal nur 600 hm würden, habe ich es schließlich dabei belassen und bin fast nur noch im Sitzen den Berg hoch gefahren. Nach der Tour habe ich dann mal nachgemessen und recherchiert. An 29+ selbst kann s nicht liegen, denn vom SINGULAR Puffin in der 29+ Variante kannte ich das so nicht. Meiner Meinung hängt es stark mit dem 467mm (!) langen Hinterbau zusammen. Das sind immerhin 20 mm mehr als bei vergleichbaren 29plus der anderen Hersteller (SURLY Krampus, SINGULAR Rooster, NINER Ros9plus). Ich denke das ist der Grund warum ich nicht genug Druck auf das Hinterrad bringen konnte. Dass der Hinterbau lang ist sieht man auch beim Blick auf das Yoke im Bereich Kettenstreben/Innenlager und die große Reifenfreiheit zum geraden Sitzrohr.
Auf dem Foto unten sieht man auch, dass sich hier leider gut Schmutz sammelt. Das Yoke könnte hier – wie bei mittlerweile vielen Bikes ein Loch oder anderweidig schmutzabweisende Konstruktion vertragen. Gerade bei nassen oder winterlichen Touren sammelt sich hier leider hervorragend der Dreck.
Eines fiel mir auch auf und ich dachte erst, ich hätte das Hinterrad falsch montiert – was aber wegen der X12 Steckachse (unbedingt Inbus auf Tour mitnehmen!) gar nicht möglich ist: Im ersten Gang schliff die Kette immer wieder am 3.0er Reifen. Ich konnte mir das erst nicht erklären, denn von oben besehen sieht das noch ganz okay aus, aber nach Überprüfung merkte ich, die Reibgeräusche kommen von unten. Auf dem Foto wird auch klar, was ich meine.
Oben wären wir gerne eingekehrt, doch die Aueralm hatte zu. Und die Aussicht war nicht vorhanden, aber die Stimmung sehr mystisch.
Als es dann bergab ging zeigten sich die weitere Qualitäten des BIKDIG Race 29plus Bikes:
Die großvolumigen Reifen bringen nämlich einiges an Dämpfung und scheinen erst mal eine Federgabel überflüssig machen. Die Gabel ist ausreichend steif und flext auch unter starker Belastung kaum. Sehr erfreulich! Die Traktion des Knards ist – zumindest solange man im relativ trockenem Gelände unterwegs ist gut, aber ich muss zugeben, dass ich recht bald von den von Lukas KUBIS empfohlenen 0,9 bar abgewichen bin. Gerade in Kurven war das Fahrgefühl zum Teil weich, fast schwammig, unangenehm weich. Ich glaube nicht, dass das am LRS selber liegt und nehme an dass niedrige Drucke einfach zu viel für die Reifen auf der schmalen Carbon-Felge mit 29 mm Maulweite sind – aber das werden wir schon bald im anstehenden Kurztest mit dem bikdig 29+ All Mountain klären – wo breitere Felgen verbaut sind. Ich bin auch mit ca. 92 kg fahrfertig auch kein Leichtgewicht. Ich musste jedenfalls den Druck auf (gefühlt) etwa 1,2 bis 1,5 bar erhöhen sehr zugunsten der Fahrstabilität, allerdings mit leichten Abstrichen in Komfort und Traktion.
Bei sehr steilen Abfahrten und vor allem Stufen hatte ich auch das Gefühl, dass ich wegen des langen Radstandes und langen, tiefen Cockpits etwas weiter hinter den Sattel gehen musste als gewohnt um aufkommenden Überschlagsgefühlen entgegenzuwirken. Mit einem kürzeren Vorbau könnte man das evtl. noch ein wenig entschärfen.
Ein bisschen vom Pech verfolgt waren wir schon auf der Tour: Je weiter wir runter kamen, fing nicht nur unangenehmer Schneeregenan, sondern das Hinterrad verlor schleichend Luft 🙁 …. 29+ nachzupumpen ist fast so mühselig wie Fatbikes – wenn auhc noch nicht ganz so schlimm. Nachdem zweimaliges Nachpumpen das Tubeless Setup nicht mehr dauerhaft dicht zu bekommen, habe ich mich widerwillig entschlossen, einen Schlauch zu montieren. Im Schneeregen bei drei Grad. Meine gute Laune begann zu schwinden. Zusätzlich wurde es langsam auch dunkel, weshalb wir auf der folgenden breiteren Forstwegsabfahrt Gas gegeben haben, um noch vor Einbruch der Dunkelheit am Auto zu sein. Dabei hat das KUBIS Bikdig Race eine weiterer Eigenart offenbart: Gerade bei höheren Geschwindigkeiten fährt sich das Bike nicht mehr nur agil und direkt, sondern fast schon nervös. Es bedarf einer ruhigen, geübten Hand um damit übr Highspeed-Schotterstraßen zu heizen. Nur gut, dass der Rahmen mit seiner unnachgiebigen Härt auch ausgesporchen lenkpräzise ist und jeden Impuls direkt umstzt. Insgesamt kam mir die 29+ Kombi sogar steifer vor als als das RADON Carbon-hardtail mit der NINER RDO Carbongabel im Frühjahr.
Da das Wetter zunehmend schlechter und es auch immer dunkler wurde, war unser Ziel, einfach nur noch anzukommen, weshalb ich am Sonntag noch mal eine ausgedehnte Isarrunde gedreht habe, um meine Eindrücke vom Vortag zu vertiefen.
Hier habe ich dann wieder richtig Gas gegeben, mich eher an die Grenzen getraut, denn hier kenne ich seit beinahe zwanzig Jahren jede Kurve, jeden Stein… und ich kann alles bestätigen: Der Vortrieb ist aufgrund des geringen Gewichtes enorm, die Lenkung bedarf aber einer sehr (!) ruhigen Hand, da das Rad sehr steif ist und die Geometrie sich trotz des langen Vorbaus in der langen Kettenstreben maximal wendig, ja fast nervös anfühlt. Dabei hat mich das Bike sehr stark an die hochgezüchteten Race-Hardtails erinnert, wie sie heute im XC-Rennen gefahren werden. Da bleibt wenig Rum für Fahrfehler. In schnellen Kurven schien besonders das Vorderrad immer wieder etwas wegzuschwimmen, was aber sicher auch mit dem oft rutschigen Untergrund und den SURLY Knard Reifen zusammenhängt. Das Fahren im Wiegetritt bedurfte für mich etwas Umgewöhnung, da mein Schwerpunkt etwas weiter vorne liegt als sonst gewohnt. Die Übersetzung ist wie schon beim Test des WFO beschrieben ein guter Kompromiss, allerdings muss man wegen des größeren Volumens eines 29+ bei 30×42 noch kräftiger bergauf treten.
Zwei Anmerkungen noch: Der Q-Faktor der Kurbel ist mit 168 schon der breitere der vbei einer XX1 Kurbel möglichen, dennoch geht sie nur knapp an der Kettenstrebe vorbei. Hier würde ich mir eine andere konstruktive Lösung für den Rahmen wünschen – etwa einen leichten S-Bend der Kettenstreben.
Die Zugbefestigung auf der an sich schönen KUBIS-Gabel könnte optisch auch schöner gelöst werden. Außen aufgeklebt wirkt es etwas provisorisch. Auch die Steckachse, die eigentlich nichts anderes ist, als ein überdimensionierter Schnellspanner (kein Gewinde in der Gabel) könnte etwas gefälliger ausfallen. Wie schon bei der NINER RDO Gabel hat auch die KUBIS Carbongabel keine Führung für die Nabe und mach damit die Laufradmontage unnötig diffizil.
Wieder zuhause angekommen dachte ich beim Ablick dieses puristischen 29+ Racers wieder: Wow, was für ein optisch geiles Rad!
Mein Fazit: KUBIS geht mit dem Bikdig Race einen großer Schritt in die richtige Richtung. 29+ in dieser Gewichtsklasse macht von Anfang an Spaß – vor allem bergauf und in der Ebene. Die großvolumigen Reifen machen eine Federung auf leichteren und mittelgroben Trails erst mal unwichtig, machen es sogar komfortabler, als mit Federung, weil vor allem auch die feinen Schäge absorbiert werden. Außerdem ist das KUBIS Bikdig Race unglaublich agil, fast schon zu viel des Guten, und macht damit seinem Beinamen alle Ehre. Es bedarf eines erfahrenen Reiters mit kräftigen Beinen, diesen Vortrieb auszuleben, aber auch dessen hochsportlichen Charakter zu zügeln. Aber wer 4799,- Euro für diese besondere Starrbike ausgibt, ist sicher auch kein Bikeanfänger J.
Ich freue mich schon auf den zweiten Teil des Tests, mit dem gefederten Bruder des Bikdig Race, das KUBIS BIkdig Pinion All-Mountain mit den breiteren Felgen und der RS-1 Gabel.
Bis dann,
Oli
Also ich weiß nicht,
4799,- Euro für ein Alu Starrbike von einem bis dato noch unbekannten Hersteller und dann noch einigen unpassenden Teilen bzw. Schwierigkeiten…
Kann in Wunder warum Radon&Co momentan so gut sind (Preis-/Leistung, Optik).
Egal, schön dass es abseits davon auch andere neue Hersteller gibt.
Frei mich schon auf den Kubis Am Pinion Test 🙂
LG wo
@ Wolfgang: Wie alle KUBIS Bikes ist auch das Bindig Race 9.5 eine Einzelanfertigung – ob also die Teile den persönlichen Geschmack treffen ist eher subjektiv.
Logisch, dass solche Kleinserienhersteller mit ihren Rahmen „Made in Germany“ nicht mit den großen Stückzahlen und dementsprechend besserer Ausschöpfung, was Preis-Leistung der Ausstattung mithalten können.
Nein, das Rad ist keineswegs perfekt (wenn es sowas überhaupt gibt ;-)), aber es ist sehr anerkennenswert, wenn jemand sich traut außerhalb der bekannten und bewährten Boxen zu denken und sowas wie die Bindig 29+ Bikes auf die Beine stellt. Wir werden definitiv die Schwächen oder Entwicklungspotentiale dieser Bikes ansprechen, wollen aber auch etwas so neues und gewagtes nicht über den gleichen „Preis-/Leistungskamm“ scheren, wie etwa ein 100 mm Full von denen beinahe jeder Hersteller etwas im Programm hat und schon ausreichend Erfahrungen hat sammeln können.
Die Marke und der haendler ist hier (Stuttgart u. Umland) schon seit Jahren ein Begriff.