FOX 36 Talas Federgabel (2015) – Testfazit: von c_g
Was, schon wieder 2 ½ Monate seit wir die 2015er FOX 36 Talas Factory in den test bekommen haben? Wahnsinn, wie die Zeit im Herbst mit den Messen und allem vergeht! Zeit um nach ein paar ausgedehnten Alpentouren zu einem Fazit zu der Enduro-Racegabel von FOX zu kommen.
Alle Spezifikationen und Details zur F36 Gabel findet ihr im Testintro und die ersten vielversprechenden Fahreindrücke sind im Folgeartikel nachzulesen.
Auf den vielen Ausfahrten und Touren mit der F36 hat mich die Gabel wirklich herausgefordert – und tut es mit dem Abschlussbericht noch einmal, denn sie hat ganz besondere Eigenschaften, die nicht unbedingt so leicht in Worte zu fassen sind.
Eines der Rätsel der F36 war folgende Beobachtung: Im Stand fühlt sich die F36 so sensibel an, wie kaum eine andere Federgabel (das Thema Reibung scheint hier kaum zu bestehen), aber wenn ich mit ihr unterwegs bin fährt sie sich viel weniger wie eine „Komfortgabel“, sondern eher wie eine Racegabel? Auf normalen Trails schient die F36 fast gelangweilt, aber wenn man ihr die Sporen gibt, wacht sie so richtig auf.
Logischerweise liegt die Antwort in der auf den Enduro-Race-Einsatz ausgelegten Dämpfung. Wie im Zwischenbericht ja schon angedeutet, habe ich die Gabel schon recht bald vom werkseitig vorgeschlagenen Set-Up, das mit einfach zu straff vorkam, noch mal ordentlich in Richtung aktive Federung getrimmt. Im weiteren Testverlauf habe ich die Druckstufendämpfung noch mal um einiges zurückgenommen und fahre mittlerweile die High-Speed-Druckstufe nur noch 1 Klick von ganz offen und die Low-Speed-Druckstufe etwa 6 Klicks von offen. Auch beim Sag habe ich anders als die vorgeschlagenen 15-20% bei 25 % mein persönliches Optimum erfahren.
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Trotz aller dieser Maßnahmen hat die F36 eine bemerkenswert eigenständige Grundcharakteristik an den Tag gelegt, auf die ich im Folgenden eingehen möchte:
Eine Besonderheit der F36 ist, dass sie trotz einer sehr aktiven Dämpfungseinstellung nur eine sehr geringe Wipptendenz hat – ganz anders als die viel komfortbetonteren ROCK SHOX Pike, bei der die Plattformdämpfung absolut notwendig war um sie zu beruhigen. Lediglich im Wiegetritt habe ich mir auf den längeren Touren mitunter einen zuschaltbaren Lockout gewünscht, doch ein paar Klicks in der Low-Speed-Dämpfung haben schnell die gewünschte Ruhe gebracht.
Die weitere Besonderheit der F36 ist, dass sie egal in welcher Einstellung man sie fährt, stets sehr hoch im Federweg steht. Egal wie schnell die Schlagfolgen sind, sie bleibt nie „im Federweg stecken“, federt immer sehr schnell aber eben auch genial kontrolliert wieder aus. Damit gibt sie sich sowohl auf ruppigen High-Speed-Abfahrten, wie auch in technischen Trialpassagen sehr gutmütig und potent. Wenn es darum geht eine Federgabel in einer Einstellung maximal vielseitig auszustatten, dann ist die F36 die ungeschlagenen Königin darin. Wer sich erinnert – habe ich bei der Pike immer wieder zwischen der offenen und plattformgedämpften Position hin und her geschalten um das Optimum zwischen schnellen und technischen Passagen zu erreichen.
Dafür fehlt es der F36 an diesem unglaublich hohen Komfortfaktor, den die Pike im offenen Zustand generiert. Die F36 ist zwar im Stand extrem sensibel, liefert aber selbst in der weichsten Einstellung immer spürbar mehr Feedback und lässt mehr Vibrationen und Schläge zum Fahrer durch. Besonders auf langen und gemäßigten Touren war das deutlich zu spüren. Der direkte Vergleich mit der 160 mm Pike auf dem DRÖSSIGER XEA 29.2 bestätigte diesen Eindruck noch mal deutlich.
Auf der anderen Seite scheint die F36 aber im aggressiven Gelände keine Grenzen zu kennen. Wenn man wirklich aggressiv unterwegs ist und dem Bike so richtig die Sporen gibt, wirkt die F36 so gelassen wie es auch die Pike nicht mehr schafft. Ich erinnere mich an diverse Situationen, in denen ich vorher dachte: „Das wird ein heftiger Schlag! Wenn das mal gut geht.“ Und jedes Mal blieb der erwartete Crash aus und das Hindernis wurde von der F36 wunderbar weggearbeitet.
Die mit insgesamt 4 Schrauben gesicherte Steckachse , welche selbst auch nur mit Inbus zu drehen ist, bietet einen grandiosen Kraftschluss, zwischen Nabe und Chassis, ist aber recht umständlich in der Handhabung. Für mich als Tester, der sehr häufig die Laufräder wechselt oder zum Transport demontiert, war es oft ein echtes Geduldsspiel und ich habe wieder ganz nue gelernt für Schnellspanner-Steckachsen á la QR15 oder Maxle Lite sehr dankbar zu sein. Allerdings wollen wir nicht Vergessen, dass die F36 auch schnell auf 20 mm Achsen umgebaut werden kann. Auch hier scheinen sich wieder die Race-Ambitionen der Gabel durch.
Die Talas Funktion habe ich, wie vorher auch beim Test der Pike, nur auf langen alpinen Touren wirklich genutzt. Bei meinen heimische Trails mit nie mehr als 15 minütigen Anstiegen, bin ich die Gabel fast nur mit vollem Federweg gefahren.
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TESTFAZIT: Nach gut 2 ½ Monaten auf der FOX F36 bin ich weiterhin tief beeindruckt von dem was die Gabel im heftigen Gelände leisten kann. Wie keine andere mir bekannte Gabel, schafft sie es trotz sehr hoher Schluckfreudigkeit kaum zu wippen und auch bei einem Sag von 25-30 % immer sehr hoch im Federweg zu stehen. Allerdings erkauft man sich diese Performance durch Abstriche in der Komfortwertung, denn trotz aller reibungsreduzierenden Maßnahmen (die zweifelsohne hier voll greifen) bleibt die F36 auch in ihrer weichsten Einstellung mehr Race- als Komfortgabel – eine sehr langhubige Race-Gabel, aber eben doch eine Race-Gabel.
Womit wir wieder bei dem Zitat von FOX Rep Christoph wären, der ja schon eingangs gesagt hat: „ … wenn man mich fragt ist die Pike ein Gabel, die speziell auf die Bedürfnisse der Konsumenten – also Komfort – ausgelegt ist, während die F36 klar für die Bedürfnisse des Enduro-Rennfahrers ausgelegt ist.“ Recht hat er!
Das geringe Gewicht und das sehr breite Dämpfungsspektrum der RC2 Kartusche mit separater High- und Low-Speed-Druckstufe sind weitere Faktoren, die eher dem Rennfahrer und sehr aggressiven Fahrer zugute kommen, die eben gern auch mal extremere Setups fahren, als der Normalfahrer. Die F36 erhält demnach eine klare Empfehlung für alle ambitionierten Enduristen – Tourenfahrer und komfortbetonte Biker finden aber in der F34 Plattform einen besseren Partner
RIDE ON,
c_g