NICOLAI Helius TB 29er – Testfazit: von c_g
Und wieder ein Test neigt sich dem Ende zu – meine Zeit auf dem NICOLAI Helius TB („Trailbike“) ist fast vorbei und nachdem es mich einige Fahrten gekostete hat bis ich glaubte das Bike verstanden zu haben, waren es eine spannende 2.Testphase mit dem Helius TB. Ist das Helius TB wirklich ein Short Travel Enduro – wie im Zwischenbericht formuliert? Oder doch was anderes?
Nun ich denke, die oben genannte Bezeichnung lässt viel Raum für Interpretionen, daher möchte ich es an der Stelle noch etwas näher ausführen.
Das Helius TB ist definitiv kein klassisches 120 mm 29er Fully. Mit seiner überaus agilen Lenkung bei gleichzeitig großer High-Speed-Laufruhe und der straffen Federung ist es nicht das was man normalerweise in der Federwegsklasse erwarten würde. Dafür ist es ungemein direkt und präzise – sowohl im Antrieb, wie auch der Lenkung.
Um zu sehen was das Bike noch hergibt habe ich probeweise einen noch aggressiveren Satz reifen montiert – die MAXXIS Minion DHR/Highroller II Kombi vom letzten Jahr und habe das Bike nochmal richtig hart rangenommen. Die Kombi passte perfekt zum Charakter des Bikes, denn gerade die extrem agile Lenkung verführt zu Kurvefahrten, die sowohl die Serien CONTI MK IIs wie auch die kurzfristig gefahrenen HUTCHINSON Squale schnell über deren Grenzen hinaus herausgefordert haben.
Und während ich das Potential des Bikes damit wirklich habe ausfahren können, sind mir zwei Dinge aufgefallen:
- Auch wenn ich nicht behaupte, dass das Helius TB mehr Federweg braucht (schaden würde es aber auch nicht), so habe ich mit der All-Out-Fahrweise die verbaute Revelation doch mehr als einmal hart durchschlagen lassen. In Folge musste ich mit dem Luftdruck noch etwas höher gehen, was die Federung nochmals etwas straffer gemacht hat.
- Als zweites hat mir das Helius TB gezeigt, dass die Kombination aus sehr agilem Handling und der großen High-Speed Laufruhe eine ruhige Hand erfordert. Beim Versuch das TB zu charakterisieren kam mir öfter eine hochgezüchtetes Rennpferd in den Sinn, das in den richtigen Händen eines erfahrenen Reiters zu Höchstleistungen fähig ist, mit einem Reitanfänger, aber schnell zickig ja sogar bockig wirken kann.
Es ist oft meine liebste Phase in einem Test wenn ich glaube ein Bike verstanden zu haben und ich für ein paar Ausfahrten einfach dem Charakter des Bikes folgen kann, es genau nach dem ausfahre, wo ich mich damit am wohlsten fühle und es genieße. Und ich kann ehrlich sagen, dass es nicht allzuviele Bikes gibt, die einmal in ihrem Element so viel Spaß machen wie das NICOLAI Helius TB.
Solange die Trails nicht zu wurzelig oder grob wurden sondern eher flowig mit engen Kurven, Anliegern und Drops gespickt sind, kenne ich nur wenige Bikes die soviel Laune machen. Ich war überrascht wie grob das Gelände mit dem straffen Federweg werden kann ehe die 120 mm an ihre Grenzen kommen (…. einer gute Fahrtechnik vorausgesetzt), aber es ist offensichtlich, dass das Helius TB zur direkteren Sorte von Fully gehört.
Das TB ist ein Bike mit dem man sich seine Erfolge erarbeiten muss – keines von der Sorte mit dem alles von alleine geht – dafür ist der Gewinn dieser Bemühungen einfach genial viel Fahrspaß.
Dass man dennoch sehr heftige Trails damit fahren kann und das auch mit richtig viel Speed habe ich aber oft genug selbst erlebt. Bergauf kann das Helius TB auch recht gut, aber es gibt kein Verleugnen, dass das Gewicht von um die 13 kg (ohne Pedale) ihm bergauf nicht unbedingt zugute kommt.
Zur Ausstattung kann ich mich nur durchweg positiv äußern. Die SRAM X01 Gruppe war einfach genial, wie schon andere zuvor. Die E:THIRTEEN TRS-r Kurbel hat wunderbar funktioniert, war vollkommen unauffällig und ich hatte keinen einzigen Kettenabsprung. Die ERGON GE1 Griffe und der SME3-S Sattel haben mir ebenfalls sehr gut gefallen, ich spare mir aber weitere Kommentare, weil wir gerade erst einen Satz davon zum Test bekommen haben.
Eine sehr positive Sache angesichts der bevorzugten Fahrweise des Bikes fand ich auch die Reverb Stealth mit 150 mm Verstellbereich. Die WTB Laufräder haben die Testphase unbeschadet überstanden, auch wenn die KOM i23 Felgen eigentlich eher für eine gemäßigte Fahrweise ausgelegt sind. Also auch von der Ausstattungsseite gibt es keine Kritik.
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Testfazit: Betrachtete man die Zutaten (Geometrie, Komponenten, …) erscheint das Helius TB recht „normal“, erlebt man aber die Summe daraus so eröffnet sich das Bike fast schon eine eigene Nische was 29er Bikehandling angeht. Und wie es so oft mit Nischenprodukten ist – sind sie nicht für jedermann geeignet:
Für Fahrer die einfach nur ein normales 120 mm Fully für Touren und den Allroundeinsatz suchen, die nicht immer versuchen am Limit zu fahren, ist das Helius TB so wie ich es im test hatte nicht unbedingt der ideale Partner. Mir hat es für meine technischeren Trails und schnellen Wechsel von Bergauf/Bergab sehr gut gefallen, für eine lange Alpentour wäre es aber nicht meiner erste Wahl. Allroundbikes in dieser Federwegsklasse findet man für weniger Geld bei anderen Herstellern.
Das NICOLAI Helius TB stattdessen ist ein ganz besonderes Bike, das man nicht so einfach über einen Kamm scheren kann. Nicht umsonst darf man von einem NICOLAI immer etwas Besonderes erwarten.
Das Helius TB will nicht gefahren, sonder „geshreddet“ werden. Es mag die Worte „gemäßigt“ und „Allrounder“ sehr viel weniger als es mit Worten wie „Trailperformnce“ und „Fahrspaß“ umgeht. Das Helius TB ist eines der wenigen Bikes in der 29er Landschaft die genau für solche Fahrer gemacht sind, die eine gute bis überdurchschnittliche Fahrtechnik mitbringen und nach der Kombination aus maximalem Trailpotential und einer sehr direkten Federung suchen. Für die Fahrer denen Federung nicht zum Komfortgewinn, sondern primär zur Kontrolle auf heftigen Trails dient, ist das Helius sehr wahrscheinlich eine Offenbarung – eine Art BMX unter den 29er Fullies.
Ich jedenfalls bin vorher noch nie ein ähnliches Bike gefahren und fand meine Zeit damit äußerst spannend und lehrreich. Danke für dieses andere Bike.
RIDE ON,
c_g
Schöner Test! Ein Vergleich mit einem PYGA ONETEN29 wäre da mal interessant!
Hi c_g. Schön dass du die Bike testest, die bei mir auf der Liste stehen Helius TB und Rocky Instinct (MSL oder Alu?). Ich möchte nämlich downsizen von einem Enduro welches ich vor Jahren in der Schweiz gekauft habe auf ein agiles Trailbike fürs Bergische Land. Wo siehst du die Stärken und Schwächen im direkten Vergleich. Insbesondere auch in Bezug auf den Fahrer mit etwas mehr als 100kg und knapp 2m. Das Gute ist ja das Rocky gibt es als XXL. Nicolai geht wenn XL zu klein auch Custom.
Mit der Anspielung auf die Körpermaße meine ich natürlich Steifigkeit und Stabilität. Alles nur bezogen auf die Rahmen. Komponenten suche ich mir selbst. Kann vielleicht auch jemand was zum Unterschied in der Steifigkeit zw. Instinct Alu und Instinct MSL/Carbon sagen Absolut, nicht relativ zum Gewicht. Ist am Ende ja eine Preisfrage.
@ Frankin: Hm … interessante Vorauswahl, die du da getroffen hast. Wenn du dir unsere Testeindrücke zu den jeweiligen Bikes durchliest, wird dir aber auffallen, dass die beiden genannten Bikes (RMB Instinct und NICOLAI Helius TB) sich grundlegend unterscheiden.
Das Instinct ist vom Grundcharakter ein XC-Bike mit etwas mehr Federweg (130 mm) während das Helius TB mehr ein Enduro mit straffem Federweg (120 mm) ist. Was die Stetigkeit angeht fehlt es keinem der beiden Bikes (zumindest was den praktischen Fahreindruck eines 85 kg Mannes angeht :-)).
Es ist eigentlich recht ausführlich in den Berichten – das Nicolai Helisu TB wenn es mehr um Singletrails shredden und Spaß haben geht, das RMB Instinct wenn es mehr um die Effizienz und klassischen Toureneinsatz geht.
Über die Komponenten kannst du aber wiederum jedes der Bikes noch weiter in die eine oder andere Richtung ausrichten.
Schöner Bericht. Ich hatte anfänglich auch das TB und Rocky Instinct in der Vorauswahl. Entschieden habe ich mich dann für Nicolai und habe es bisher nicht bereut. Allerdings fahre ich anders als im Test eine 140mm Gabel, 120mm fände ich eher zu knapp bemessen.
@ HPA: Und was waren die Haupt Beweggründe, wenn ich fragen darf?
@Frankin: bei Nicolai fasziniert mich die zeitlose Optik, der robuste und sehr unempfindliche Rahmen sowie der Custom Aufbau. Ich bin letztes mehrere Nicolai Bike Probegefahren und war begeistert.
Klasse Bericht, danke! Ich fahre jetzt selbst eins und kann nur sagen, dass dein Fazit es genau auf den Punkt bringt! Ich geb meins auf jeden Fall nicht mehr her!
@ Sascha: Freut mich zu hören, dass es dir genauso geht. Umso mehr, dass dir dein Helius so viel Spaß macht!
>Betrachtete man die Zutaten (Geometrie, Komponenten, …)
Vielleicht hab ichs ja über lesen, aber wenn nicht, konntet ihr diese „Zutaten“ (va Geo) angeben?
LG Wolfgang
@ Wolfgang: Unsere normalen TNI-Tests sind fast immer mehrteilig und im Testintro fixest du fast immer entweder die Agaven direkt oder eben einen Link dazu.
So auch in diesem Fall, aber für dich haben wir ihn hier nochmal:
https://docs.google.com/spreadsheet/pub?key=0ApNhXyVGHlPldDVmc3JxeHI4LVFGa0hoblF5anM2eFE&single=true&gid=44&output=html
Grüße,
c_g