QUANTOR Kraftwerk 9.0 – Testfazit: von c_g
Kaum zu glauben aber es ist schon wieder über ein Monat vergangen den wir das QUANTOR Kraftwerk 9.0 im Test haben. Ein Monat in dem es meist schlammig nass und kalt war. Aber wie bereits im Zwischenbericht geschrieben, sowas kümmert das Kraftwerk dank des PINION Getriebes herzlich wenig. Schmutz, Wasser und Schlamm lassen das Bike völlig unbeeindruckt.
Nach den ersten positiven Eindrücken als Tourenbike wollte ich das Trailpotential auszuloten und einen Satz etwas gröberer Reifen montieren. Leider ist das Unterfangen gescheitert: Aus meinem gesamten Trailreifen-Fundus bekam ich nämlich nur den SCHWALBE Hans Dampf auf der NOTUBES Crest Felge montiert … die aber wiederum passen nicht zwischen die Kettenstreben :-(. Am Ende habe ich mich mit einer Kombi aus Hans Dampf vorne und dem Racing Ralph hinten zufrieden gegeben. Wenigstens war das Wetter in der letzten Woche des Tests etwas trockener und so konnte ich das Bike auch mit RR hinten noch ordentlich über die Trails rocken.
Dabei zeigte sich, dass das Kraftwerk auch dort ein gute Figur abgibt, mit seiner Geometrie aber doch mehr Marathon- und Langstreckenbike als echte Trailrakete ist. Das soll nicht heißen, dass man damit nicht auch technische Trails fahren kann, ganz im Gegenteil, aber vom Grundcharakter braucht es hier eine ruhige und erfahrene Führung. Das Kraftwerk ist einfach kein Bike, das einen zu technischen Singletrail-Abenteuern anspornt, sehr wohl aber eines, das sie gut und sicher meistert.
Das im Zwischenbericht angemerkte, für meinen Geschmack zu frühe Aufbäumen in steilen Uphill hielt auch in der späteren Testphase an. Hier war die Kombination aus eingeschränktem Verstellbereich des SELLE Italia SLS Carbonio Sattels auf der CARBONICE Leichtbaustütze (hier zusammen mit dem CARBONICE Lenker ausführlicher angesprochen) und dem in meinen Augen etwas zu flache Sitzwinkel nicht ganz optimal. So konnte ich den Schwerpunkt, trotz des sportlich tiefen Cockpits, nie weit genug nach vorne bringen um wirklich entspannt sitzend hochzutreten.
Etwas zwiespältiger fällt das Urteil zum PINION P1.18 Getriebe am Testbike aus. Wie im Zwischenstand geschrieben hat mir der Antrieb ja im gemäßigten Toureneinsatz gut gefallen hat. In Abschnitten mit geringer Trittfrequenz und maximalem Pedaldruck, wie etwa in technischen Uphills oder im Wiegetritt, werden die eingangs erwähnten Mahlgeräusche der unteren 6 Gänge aber zunehmend kräftiger … bis hin zu spürbaren Vibrationen an der Kurbel. Fast so als würde man einen Downhillreifen auf Asphalt fahren und merklich stärker als an der ROHLOFF Speedhub die ich parallel dazu am IDWORX (hier fahre). In den richtig steilen Anstiegen hat mich das schon etwas gestört. Die gute Nachricht ist, dass der Effekt aber nur bei niedriger Trittfrequenz und unter Maximallast auftritt.
In Terrain in dem man die Trittfrequenz im Normalbereich halten kann, geben die unteren Gänge nur ein leichtes Surren von sich, das man lediglich akustisch wahrnimmt. Sobald ich mit dem Bike wieder auf schnellern Trails unterwegs war, verlor sich dieser Eindruck wieder vollkommen und ich habe das Fahren mit dem Kraftwerk in vollen Zügen genossen. Die Übersetzungsbandbreite ist ohne Konkurrenz und trotz aller Bemühungen blieben die schnellsten 2 Gänge stets ungenutzt, ohne, dass ich mit den Berggängen an echte Limits gestoßen wäre.
Letztlich entscheidet die Sensibilität des Fahrers und das Terrain darüber wie man diesen Effekt bewertet, der wohl bei allen PINION Getrieben auftritt (das MI-TECH Epsilon hatte es ebenso – hier), An diesem Punkt kann die PINION sich gegenüber herkömmlichen Kettenschaltungen für mich nicht durchsetzen.
(Update: Nach Auskunft von QUANTOR soll es schon bald ein Update zur P1.18 geben, das diesen Effekt deutlich reduziert)
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TESTFAZIT: Das QUANTOR Kraftwerk 9.0 ist ein ganz besonderes Bike. Angefangen von der großen Detailliebe an dem bei NICOLAI gefertigten Rahmen, den sehr hochwertigen und exklusiven Komponenten – viele davon „Made in Germany“ – bis über die sehr ansprechende und aufgeräumte Optik ist es ein echtes Bike Highlight. Leichte Kritik gibt´s für die nicht so großzügige Reifenfreiheit an den Sitzstreben, mit der manch gröbere Reifen eben nicht mehr passen.
Was die Geometrie und das Handling angeht ist das Kraftwerk stimmig und für lange Touren sowie Kilometerfresser/Weltenbummler prädestiniert. Im steilen Uphill oder auf technischen Trails gibt sich das Kraftwerk zwar keine echte Blöße, ist dort aber auch nicht wirklich zuhause – hierfür ist die Geometrie einfach zu sehr die eines Langstrecken-/Marathonbikes.
Der etwas rauhe Lauf des PINION Getriebes unter Vollast und das hohe Gewicht sind Kompromisse, die man für diesen absolut witterungsunabhängigen und wartungsarmen Antrieb dessen Übersetzungsbandbreite alles andere übertrifft in Kauf nehmen muss. Wer darüber hinweg sehen kann, findet in dem QUANTOR Kraftwerk, egal in welcher Version, ein sehr potentes und vortriebsstarkes Bike mit hohem Sorglosfaktor.
Es ist wohl nicht jedermann verständlich zu machen, dass ein Bike mit 11,8 kg knapp € 5500,- kosten kann, aber das kümmert die Zielgruppe eines Kraftwerk 9.0 nicht wirklich. Die Symbiose aus High-End Komponenten und PINION Getriebe macht ja gerade den besonderen Flair des Bikes aus. Wem der Spannungsbogen des Kraftwerk 9.0 zwischen „Leichtbau“ und „Sorglos“ zu groß ist und mehr das Thema „Sorglosbike“ im Fokus hat kann getrost auch eine der anderen Versionen nehmen.
RIDE ON,
c_g