QUANTOR Kraftwerk 9.0 – Zwischenstand: von c_g
Und schon wieder sind gut zwei Wochen vergangen in denen wir das QUANTOR Kraftwerk 9.0 über die hiesigen Trails jagen. Das andauernd schlechte und nasskalte Wetter ist eine echte Herausforderung für klassische Kettenschaltungen, aber absolut kein Problem für das Kraftwerk mit seinem integrierten PINION 1.18 Getriebe – ein kleines bisschen Kettenschmierung hin und wieder ist alles was dieses Bike selbst jetzt an Wartung braucht (für ganz besonders Wartungsfaule gäbe es das Bike auch mit dem GATES Centertrack Riemantrieb).
Die Zahlen, Daten und Fakten findet ihr hier im Testintro.
Kommen wir zu den Fahreindrücken des Kraftwerk:
Die allererst Ausfahrt war etwas überraschend insofern, dass die hintere AVID XX Worldcup Bremse plötzlich ohne erkennbaren Grund ohne Druckpunkt durchgefallen ist Luft im System. Also wurde es eine lange Ausfahrt über Forstraßen und gemäßigte Trails. Wie sich schnell herausgestellt hat, eine gute Kombination mit dem Kraftwerk – die Sitzposition ist, mit dem langen TUNE Vorbau recht sportlich. In der Ebene bringt man viel Druck aufs Vorderrad und nimmt eine voll auf Vortrieb getrimmte, effiziente Position ein – ein klassisches Marathonbike, so der erste Eindruck.
Der Alu-Rahmen, der ja bekanntlich von NICOLAI Maschinenbau gefertigt wird, ist ausgesprochen steif – so steif, dass man förmlich spürt, dass der einzige Flex im System von den NOTUBES Crest Laufräder und der SID XX WC Gabel stammen. Dass es am Heck trotzdem nicht zu hart zugeht, verdankt das Kraftwerk der sehr angenehm flexenden CARBONICE Sattelstütze „Flotte Lotte“, deren Komfort wir ja bereits am RADON in einem 27,2er Durchmesser fahren. Auch wenn die Kombi sicher nicht Mainstream ist – das Resultat aus einem maximal effizienten und steifen Rahmen mit der ausgesprochen komfortablen Stütze (selbst mit dem 31,6 mm Durchmesser) kann überzeugen.
Sobald die hintere Bremse entlüftet war, ging es mit dem Kraftwerk natürlich sofort auf echte Trails und es bewahrheitete sich mein Verdacht, dass der verbaute 100 mm Vorbau mich doch zu frontlastig und gestreckt positioniert. Mit Mühe und Not gelang es mir zwar immer rechtzeitig hinter den Sattel zu rutschen, der Wege nach vorne war aber nicht immer so einfach (in solchen Situationen wäre ich für ein Schnellspanner-Sattelstützklemmung herzlich dankbar gewesen mit der ich den Sattel wohl doch öfter mal nach unten gefahren hätte. Erst mit einem ganz nach vorne geschobenen Sattel und einem 80 mm Vorbau war der für mich notwendige Spielraum auf dem Bike wieder hergestellt. Ich bin mir nicht ganz sicher warum es mir ausgerechnet am Kraftwerk Probleme bereitet, denn von den Geometriewerten liegt das Bike mit dem eff. 620 m Oberrohr ziemlich gut im Mittelbereich für mich. Evtl. ist es der flache Sitzwinkel, der den Sattel mit dem großen Auszug eben doch etwas weiter hinten platziert.
Eine weitere Beobachtung stützt diese Annahme: Während das Kraftwerk im Stehen jede Steigung hochzieht wie auf Schienen, ist es sitzend kein Kletterkünstler. Angesichts der beim Testrad auf stattliche 450 mm eingestellten Kettenstrebenlänge hatte ich hierbei ein viel gelasseneres Fahrverhalten erwartet. Aber zu meiner eigenen Überraschung verbringe ich beim Kraftwerk doch viel Zeit auf der Sattelspitze wenn´s wirklich steil wird. Wie gesagt – dafür klettert es stehend wie eine Gemse – gebremst nur von der unter den aktuellen Bedingungen fehlenden Traktion der Racing Ralph Reifen. Hier werde ich wohl für die zweite Testphase etwas aggressiveres montieren um das Trailpotential des Kraftwerk noch besser auszuloten.
Noch ein paar Worte zum Gesamtgewicht von immerhin 11,8 kg in der Top ausgestatteten Version 9.0. Mit den verbauten Leichtbauteilen dürfte das Bike nahe an dem Minimalgewicht sein, was man mit dem schweren PINION Getriebe und dem NICOLAI Alu-Rahmen erreichen kann. An sich also ein sehr gutes Gewicht, aber die Physik lässt sich eben nicht betrügen während das Bike durch die sehr leichten Laufräder und Reifen sehr gut beschleunigt und sich überhaupt eher agil fährt übersetzt sich das Gewicht bei langen Anstiegen dann doch in einen erhöhten Kraftaufwand. Ein Kompromiss, den man mit dem Sorgloskonzept eines PINION Getriebes wohl einfach eingehen muss.
Optisch wirkt das Kraftwerk jedenfalls maximal aufgeräumt und clean – so viel positive Kommentare zu einem Bike habe lange nicht mehr gehört :-).
Auf die PINION 1.18 Nabe und deren Funktion bin ich ja bereits bei dem Review des MI:TECH Epsilon genauer eingegangen. Mit diesen Erfahrungen im Hinterkopf war ich auf die beiden „Sperrgänge“ in den Stufen 6/7 und 12/13 vorbereitete, die sich nur schalten lassen, wenn man kurz die Pedale ganz (!) entlastet. Was mich auf dem Trail Fully Epsilon aber richtiggehend gestört hat, war mit dem Grundcharakter des Kraftwerks als Sporttourer bis Marathonbike viel besser zu vereinbaren. Nach ein paar blockierten Schaltungen und etwas Übung ist das hier kaum mehr ein Thema. Auch der Leerhub, den ich damals bemängelt habe, ist mit der sehr fein gerasterten ACROS HR-Nabe nur noch marginal vorhanden.
Dafür sind mir diesmal die Mahlgeräusche in bestimmten Gängen stärker aufgefallen, die man auch an der Kurbel deutlich spürt. Wenn man dann noch in ausgerechnet diesen paar Gängen mit maximalem Druck fährt, fühlt es sich an als würde der Reifen am Hinterrad durchrutschen. Ich kann und will keine Aussagen über den Wirkungsgrad oder die Effizienz des Getriebes machen und ich habe aus der Fahrpraxis keinen Anlass hier Probleme zu vermuten, aber rein subjektiv wirkt dieses Mahlen (wenn es auftritt) wenig motivierend auf mich gibt mit immer ein flaues Gefühl.
Wie gesagt, das ist ein rein psychischer Effekt, denn in allen anderen Belangen ist die Pinion eine Wucht. Die Gesamtübersetzungsbreite von 636% mit einer absolut gleichmäßigen Gangabstufung (11,5% zwischen jedem Gang) übertrifft alles bisher dagewesene (inkl. einer 3×10 Schaltung) und stellt in jeder Situation den geeigneten Gang bereit. Die gekapselte Bauweise zentral im Rahmen bietet eine sehr gute Schwerpunktslage des Bikes und sorgt neben der aufgeräumten Optik auch für eine absolute Sorglosfunktion.
Zweifellos ist das QUANTOR Kraftwerk eine spannendes Bike das versucht Sorglosigkeit und Exklusivität „Made in Germany“ zu verbinden … trotz Leichtbau kein echtes Leichtgewicht, kein Budgetbike und dennoch ein echtes Sorglosbike mit einer tollen Ausstrahlung.
Mehr dazu in ein paar Wochen mit dem Testabschluss.
RIDE ON,
c_g