SRAM´s 1×11-fach XX1 Schaltung im Dauertest: von c_g

Seit dem Sommer 2012 ist es offiziell, dass es eine 1×11-fach Schaltung von SRAM unter dem Namen XX1 geben wird und in diesem Jahr bin ich sehr viel mit der ersten derartigen Schaltung der XX1 unterwegs gewesen – immer wieder auf diversen Demorides und Testbikes – zuletzt am ROCKY MOUNTAIN Instinct 999 MSL (hier). Die meisten Kilometer und Höhenmeter sind es aber ganz sicher auf dem RADON Black Sin 10.0 Testbike, gewesen, dass ich sehr oft und gerne seit diesem Juni fahre. Im Kurztest-Fazit des Bikes (hier) hatte ich ja bereits angekündigt, mir die SRAM XX1 in der Praxis etwas genauer anzusehen und das soll die erste Zusammenfassung hierzu sein.

Wer sich über die zahlreichen technischen Innovationen der SRAM XX1 informieren will, kann dies nochmal hier – beim Post zur Produktvorstellung machen. Dort werden die ganzen spannenden Details, sowie Preise und Gewichte genau aufgeführt und erklärt.

Im Folgenden soll es in der Tat allein um die Praxiserfahrungen gehen:

Zuerst zur Schaltfunktion: Würde nicht der linke Schalthebel fehlen, würde wahrscheinlich kein Biker den Unterschied zur bestehenden XX Schaltung merken. Die Gänge sind sehr präzise, knackig und auch unter Last sehr gut schaltbar.

Seit ich mit der XX1 nur noch rechts schalte, fällt mir aber mitunter auf, dass sehr schnelle Schaltvorgänge zu schwereren Gängen hin ein maschinengewehrartiges Drücken mit dem Daumen brauchen (hier hat SHIMANO mit deren 2-fach Sprüngen in einem Schaltvorgang die Nase vorne), aber in der für mich wichtigeren Schaltrichtung hin zu leichteren Gängen fehlt es mir an nichts. Die Trigger-Shifter fühlen sich genauso präzise gerastert und ergonomisch an, wie die bisherigen 10-fach Pendants … im Grunde merkt man den einen zusätzlichen Gang nicht, wenn es um den reinen Schaltvorgang geht.

Trotz sehr vieler Fahrten bei widrigen Bedingungen und viel Nässe konnte ich bisher keine Verschlechterung der Schaltpräzision oder Ansteigen der Schaltkräfte verzeichnen, was auch in Sachen Schaltzüge und Lagerdichtung der Schaltwerksgelenke ein bisher gutes Gesamtbild ergibt.

Das Schaltwerk selber ist mit der X-Horizon Auslegung (obere Schaltrolle merklich nach hinten versetzt), zwar optisch und funktional anders als andere, schaltete sich in der Praxis aber genauso präzise und sauber. Als Fan der Type2 – Schaltwerksdämpfung kam ich ebenfalls sehr gut mit  der Cage-Lock Funktion bei der  Laufradmontage zurecht. Optisch finde ich das System nicht so gefällig, aber der Vorteil ein aufgeräumtes Cockpit mit nur einem Hebel dauerhaft vor Augen zu haben ist mir zig-fach lieber, als das hübscheste Schaltwerk hinten ;-).

Kettenführung: Das Thema abspringende Ketten, das anfangs so im Vordergrund stand, ist ganz schnell keines mehr gewesen – denn das System funktioniert einfach. Seit ich die XX1 fahre,  hatte ich keine einziges Mal eine abgesprungen Kette mehr. KEINE! Auch wenn ich anfangs noch skeptisch ob dieser Qualitäten war und erwartet hatte, dass sie mit zunehmender Nutzung  (und damit Abnutzung des Kettenblattes) schlechter würde, waren abspringende Ketten bis jetzt kein Thema.
Bei normalen 2×10 und 3×10 Systemen kann ich das nicht sagen und obgleich eine abgesprungene Kette hier schnell durch Schalten behoben ist, ist für mich das 1×11 System in dem punkt klar besser.

Kommen wir zum erwartungsgemäßen Knackpunkt von 1×11 Schaltung, das Übersetzungsspektrum – bei dem auch ich eher skeptisch war:

Mein Testbike kam mit einem 34er Kettenblatt, was mir zwar maximalen Speed erlaubt, mich aber bei den steilen Anstiegen auch des Öfteren an meine Belastungsgrenzen gebracht hat. Mit den bevorstehenden alpinen Touren im Kopf habe ich dann zwei Stufen kleiner geschaltete und statt dessen ein 30er Kettenblatt montiert.
Eigentlich hatte ich erwartet, dass der Kettenblatt-Umbau, der dank des Gewindes im Kettenblatt ganz ohne Abnehmen der Kurbel und nur mit einem 5er-Inbus in wenigen Minuten von Statten geht, ein kürzen der Kette nach sich ziehen würde, aber nachdem ich keinerlei negative Effekte bemerkt hatte, blieb die Kette bis dato unberührt.

Ich erspare dem Leser an dieser Stelle die tabellarischen Übersetzungsverhältnisse, wie sie in den Magazinen zuhauf zu finden sind, mit denen man die gängigen 2×10 und 3×10 Übersetzungen der 1×11 gegenüberstellt, wohl wissend, dass das Gesamt-Übersetzungsspektrum bei der 1-fach immer schlechter abschneidet.

Warum? weil für mich die Praxis zählt und da habe ich nach dem Umbau auf das passende Kettenblatt nie etwas vermisst. Ich habe zwar auf meinen Fahrten fast immer das gesamte Spektrum der 11-Gänge voll ausgenutzt, habe mir aber fast nie gewünscht noch mehr Gänge zur Verfügung zu haben. Selbst bei den steilsten alpinen Auffahrten, ist mir nie die Puste ausgegangen und bergab ging es mir immer schnell genug.

Diese Aussage treffe ich allerdings für mich als sportlichen Tourenfahrer – der vor allem gut bergauf kommen will und bei sehr schnellen Abfahrten gerne auch mal ohne zu treten, die Fahrt genießt. Wenn ich um Sekunden kämpfen würde – etwa beim Marathon – glaube ich, dass mir an einem Ende des Übersetzungsspektrums dann doch etwas fehlen würde. Nachdem ich aber eben kein Racer, erscheint mir die Übersetzungsbandbreite der 1×11-fach XX1 als absolut ausreichend.

Beim Vergleich sollte man sich außerdem vor Augen führen, dass die 11-fach Kassette der XX1 sich ohnehin nur im kleinsten Ritzel (10 Zähne anstatt der 11 Zähne der 1-fach Kassetten) und dem größten 42er Ritzel unterscheidet – die anderen Gänge decken sich mit den bestehenden Schaltungen. Wer also seinen bestehenden 10-fach Antrieb einfach nur mit einem dementsprechenden Kettenblatt fahren würde, bekäme lediglich einen geringfügig leichteren Gang im kleinsten Ritzel und müsste auf den 42er „Rettungsring“ verzichten – mehr ist es in der Theorie nicht.

Da ich parallel dazu auf meinem CUBE Stereo ja genau das mache – ein 30er Kettenblatt mit 10fach Kassette (11-36) – und dort aber gerade bergauf immer wieder an Grenzen stoße, spielt für mich der eine Rettungsring wohl doch eine wichtige Rolle :-).

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Mein persönliches Fazit nach gut 5 Monaten auf SRAM´s XX1 ist, dass die Schaltgruppe in Sachen Schaltperformance (Präzision, Schaltkräfte und Ergonomie) nicht schlechter abschneidet, als andere High-End Gruppen auch, in der Kettenführung bis jetzt keinerlei Schwächen aufweist und mir persönlich auch in der Übersetzungsbandbreite sehr gut passt. Das aufgeräumte Cockpit, der fehlende Umwerfer und die psychische Einfachheit der Schaltung bringen mir selber mehr Vorteile, als die leicht eingeschränkte Übersetzungsbandbreite Nachteile liefert.
Wer höhere Anforderungen an die Bandbreite stellt, sollte sich damit abfinden mitunter das Kettenblatt zu wechseln (was, dank der speziellen Kettenblattbefestigung sehr schnell geht) oder eben doch mit einer 2-fach oder 3-fach Gruppe zu fahren.

Aus meiner Sicht ist eine 1×11-fach Schaltung nicht für jeden Fahrertypen, aber vorausgesetzt die Technologie findet ihren Weg auch in die weniger exklusiven Gruppen, bin ich überzeugt, dass viel mehr Fahrer damit glücklich werden würden, als sie es selber glauben. Mit der für 2014 vorgestellten X0.1 Gruppe sind zumindest schon mal die Weichen hierzu gestellt auch wenn diese im Aftermarket preislich noch nahe an der XX1 liegt – aber da wird in der nahen Zukunft noch viel passieren … wetten, dass!?!

 RIDE ON,
c_g