BIANCHI Methanol FS 29er – Testfazit: von Thomas Hebestreit

Drei Monate lang begleitete mich das BIANCHI Methanol FS 29.1. Es ist nun Zeit, ein Fazit zu ziehen und – in meinem Fall – die Taschentücher bereit zu legen. Denn der Abschied von einem Bike diesen Kalibers wird schwer, liebe Bikergemeinde – soviel sei schon hier verraten.

Seit den ersten Fahreindrücken erlebte ich also einen heißen Sommer, im Zwischenbericht beschrieb ich schon klare Tendenzen und Erfahrungen zum Methanol FS. Neben den vielen Test- und Trainingskilometern saß ich auch bei zwei sehr unterschiedlichen Rennen auf dem BIANCHI Racefully, das kompromissloser nicht sein kann.

Einmal fuhr ich damit die WM-Strecke der Salzkammergut-Trophy und wurde immerhin noch 23. gegen eine reine Hardtail-Armada. Die Trophy ist eine typische Marathonstrecke mit langen Anstiegen und Abfahrten, aufgelockert mit einigen technischeren Einlagen in Form von steilen und verblockten Trails. Beim 15. Buchholzer Stevens-Cup schlug dann ein zweites Mal „die große Stunde“ des Methanol FS: Ich beendete das Rennen auf dem 5. Platz – oder das Methanol mit mir? Buchholz ist in der Nähe von Hamburg. Ja, hier kann auch gehörig MTB gefahren werden. Der Kurs war recht CC-typisch, denn kurze steile Anstiege wechselten mit schnellen Abfahrten auf um Bäume gewundene Trails. Hier zeigte das Methanol für mich seine Glanzleistung: Die enorme Wendigkeit und Antrittsstärke des Bikes war auf jedem Meter spürbar. Die knackigen Anstiege ging das Fully souverän hinauf, selbst mit offenem Dämpfer. Das straffe Fahrwerk bügelte noch so ruppige Wurzelpassagen bei hoher Geschwindigkeit glatt – was will das Racerherz mehr?

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Der Antrieb…

…gibt keinen Anlass zur Kritik. Die standesgemäßen SRAM XX-Komponenten passen nicht nur gut zum Bike, sie funktionieren einwandfrei. Die Schaltvorgänge sind präzise, die Übersetzung passt perfekt zum Einsatzbereich des BIANCHI. Die verbaute FSA-Karbonkurbel ist gestuft in 38 bzw. 24 Zähne. Der 24er ist als Rettungsanker zu verstehen, falls ein langer Anstieg allzu ambitioniert begonnen wird. Ich kam mit dem 38er vorn in allen Rennlagen aus, immerhin wartet ja noch das 36er Ritzel am Hinterrad. Klar, 1×11 wäre sicher auch eine sehr passende Option.

Das Cockpit …

… besteht, wie im Intro schon beschrieben, aus FSA-Karbonteilen. Der Lenker lässt sich zwar sichtbar verformen, wenn ordentlich „am Horn gezogen wird“, das stellt aber keinen Anlass zur Sorge dar. Auffällig sind die Lockout-Hebel für Gabel bzw. Dämpfer. Die funktionieren gut, sollten aber penibel nebst Schalt- und Bremshebel nach eigenem Belieben ausgerichtet werden, um vollen Komfort zu bieten. Lenkerbreite und Vorbaulänge passen perfekt zu Bike und Einsatzgebiet, ich fühlte mich sehr wohl und hatte jederzeit das Gefühl voller Kontrolle.

Das Fahrwerk …

     

… mit seinem Maguradämpfer und –gabel kommt im Renntrimm daher. Das Heck spricht dabei etwas sensibler an als die Gabel, was aber nur bei leichtem Gelände und mäßiger Fahrweise spürbar ist. Das BIANCHI ist ein Vollgas-Bike, und wenn es so bewegt wird, harmoniert das Fahrwerk gut. Die Gabel will allerdings für eine optimale Performance behutsam eingestellt werden. Für meine Anforderungen war das Fenster für den richtigen Luftdruck und die Einstellung des Rebounds sehr klein und musste erst einmal ausgetestet werden. Einmal gefunden, geht’s dann aber perfekt. Das Heck ist recht schnell abgestimmt und kann trotz fehlender Plattform weitestgehend offen gefahren werden. Letztlich empfiehlt sich spätestens beim Sprint der Lockout. Ich bin mehrere Rennen mit dem Bike gefahren, bei CC-Rennen konnte der Dämpfer immer offen bleiben. Sogar im uphill profitierte ich dann noch von perfekter Traktion. Einzig an langen Anstiegen mit recht planem Untergrund schaltete ich hinten aus.

Die Laufräder …

… sind schön leicht und passen gut zum Methanol. Allerdings ist der Preis für das geringe Gewicht auf verblockten Abfahrten recht bald spürbar. Dann geben die Fulcrums fühlbar nach. Das ist bei meinem Gewicht von knapp 76 Kilogramm alles noch durchaus im Rahmen. Dagegen zeigten die Laufräder auf schnellen CC-Kursen keine Schwächen. Hier gab nichts fühlbar nach, dafür ließen sie sich nebst Bike schnell beschleunigen: Sprintstark ging das Methanol im letzten Rennen auf Platz 5 ins Ziel. Die verbauten Hutchinson Python sind recht schmal, leisten sich aber selten Schwächen – nur auf Schotter fühlte ich mich ab und an unsicher. Das Highlight: Die Jungs von BIANCHI verpassten dem Bike keinen Schlauch, sondern gleich ein tubeless System.

Die Bremsen …

….das nicht selten kritisierte Modell MT8 aus dem Hause Magura machte genau das, was ich ertwartete: Verzögern!
Wenn ich es brachial wollte, bekam ich ebenso geliefert wie fein dosierte Bremseinsätze. Auch hier: keine Kritik. Vorn werkelt übrigens eine 180er Scheibe, hinten eine 160er.

Der Rahmen …

…zeigt sich nicht nur von der steifen Seite, nach fast dreimonatigem Einsatz nahm er mir mehrere Argumente, die mich vom Fully-Fahren abhielten. Die Steifigkeit ist wirklich beeindruckend, und gerade das in Relation zum Gesamtgewicht des Rades halte ich es für sensationell. Darüber hinaus zeigte das gefederte Heck weder Neigung zum Knacken, Knarzen oder sonst irgendwelchen Kritikpunkten.

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TESTFAZIT:

Das BIANCHI ist ein Race-Bike, das mich begeistert hat. Technisch ist es ganz sicher eine Meisterleistung (das wurde ja bereits ausführlich weiter oben behandelt), doch dahinter steht die eindrucksvolle BIANCHI Tradition: 110%iger Fahrspaß. Es macht das, wofür es die Ingenieure konstruiert haben: Es erfreut das Rennfahrerherz und ist schnell unterwegs!

Der Preis mag auf den ersten Blick schmerzen, der ist nach den ersten Ausfahrten allerdings schnell vergessen. Es war halt schon immer etwas teurer, einen besonderen Geschmack zu haben. Das merkte ich auch immer, wenn ich mit diesem Bike unterwegs war: Es fällt auf und weckt Neugierde.

Aus der Sicht eines Racers (und als solcher testete ich das Methanol FS) ist an diesem Bike nichts zu kritisieren. Alles funktioniert, der Rahmen ist nicht nur technisch beeindruckend, unglaublich vortriebsorientiert und enorm steif. Er besitzt Details, die zeigen, dass sich hier Leute Gedanken machten, deren Passion die MTB-Rennstrecken dieser Welt sind. Das Fahrwerk kommt im Renntrimm daher, fühlt sich aber für sportliche Touren noch komfortabel genug an.

Die Ausstattung ist recht kompromisslos, wie eigentlich alles an diesem Bike. Mein persönliches Fazit lautet: Ohje, und ich hab’ mir grad ein Hardtail gekauft! Und mein Allgemeines Fazit: Ein absolut stimmiges Rennfully mit enorm steifen Rahmen, beeindruckend geringem Gesamtgewicht und überzeugenden Fahrleistungen. Für Leute – Achtung Wortspiel – die nicht mit dem Bike fahren wollen, sondern biken. –> Für Vollgaspiloten.

Mein herzliches Danke noch an BIANCHI, dass sie uns dieses besondere Racefully 29er zur Verfügung gestellt haben.

Thomas Hebestreit

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PS: Fully oder Hardtail?… ist weiter die Gretchenfrage. Nach dem Test des Methanol FS kann ich mich erstmalig nicht mehr so einfach und klar gegen ein Racefully entscheiden. Zu genial war die Performance und Traktion auf den ruppigeren CC-Kursen. Hier fällt das Mehrgewicht gegenüber dem Hardtail kaum mehr auf. Das sieht bei langen Anstiegen schon anders aus. Bei der Salzkammergut-Trophy mit ihren langen Uphills war das Mehrgewicht definitiv spürbar und auch durch die schneller zu fahrenden Downhills schwer herauszuholen. Wenn ich ganz frei entscheiden könnte: Ich hätte gern ein BINACHI Methanol Hardtail UND ein Methanol Fully, dann könnte ich mich je nach Kurs entscheiden.