BIANCHI Methanol FS 29.1 – Zwischenbericht: von Thomas Hebestreit
Die Geschichte der italienischen Kultschmiede BIANCHI begann bereits im Jahre 1885. Der erste Sieg bei einem Rennen auf einem Fahrrad der Traditionsmarke folgte 14 Jahre später. Seither sind die Räder mit der traditionellen Celeste-Farbgebung oft siegreich bei allen großen Rennen dieser Welt gewesen, bisher allerdings vornehmlich auf der Straße. Doch die Italiener drängen ins Gelände. Die jüngsten Erfolge der BIANCHI Fahrer Leonardo Paez und Tony Longo für die Langstrecke sowie Alexander Gehbauer und Gerhard Kerschbaumer im XC-Zikrus beweisen dies eindrücklich.
Letztes Jahr hatte c_g ja bereits das reinrassige Hardtail Methanol SL 29 am Garda Festival´12 gefahren (hier). Doch die Mailänder beließen es nicht beim harten Heck und schoben letzten Sommer zur Eurobike ein 29er FS-Bike das Methanol FS 29 in diversen Versionen nach, die wir hier schon im Detail vorgestellt haben. Weil c_g dort der technischen Basis mit allen Details bereits auf den Grund gegangen ist, erspare ich mir diese und verweise auf den Post dort. Dafür konnte ich mich bei der Testrunde beim letzten BIKE Festival am Lago (hier) voll auf die ersten kurzen Fahreindrücke konzentrieren, die ich jetzt im richtigen TNI-Test nochmal vertiefe.
Als regelmäßiger Leser wisst ihr bereits aus der Ankündigung, dass Bianchi uns deren Top-Modell Methanol FS 29.1 zum ausgiebigen Test zur Verfügung stellte. Dieses Bikes ist nun schon seit etwa zwei Wochen bei uns im Einsatz. Das Methanol FS 29 ist ein unverwechselbares Bike mit einzigartiger Optik und einer reinrassigen Race-Ausstattung. Das ist alles andere als Standardware!
AUSSTATTUNG: Der Preis des Testbikes von € 7499.- schmerzt, das sei zugegeben, dafür gibt’s aber SRAM XX Antriebs- und Schaltkomponenten (Ausnahme ist die FSA-Karbonkurbel), ein von Magura gedämpftes und gebremstes Fahrwerk (mit je einem Lenker-Lockout für Gabel und Dämpfer), Fulcrum Red Metal XL Laufradsatz. Weiterhin spendiert Bianchi dem Topmodell FSA-Komponenten aus Karbon.
Und als hatten die Bianchi-Jungs geahnt, dass ich meine Lenker immer auf 680 Millimeter kürze, kommt das aufgeräumte Cockpit in exakt dieser Breite. Bereift ist das Bike mit Hutchinson Python-Pneus an Front und Heck.
Die Waage pendelt sich bei unserem Testbike bei 10,5 Kilogramm ein, ein sehr guter Wert für ein 29er Fully. Die Italiener wissen halt, was Racer wollen.
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RAHMEN: Doch was beinahe noch wichtiger ist: Das Methanol FS 29.1 bietet ein an Dynamik und Ästhetik kaum zu überbietendes Fahrwerk. Allein der Rahmen, der nur knapp 1900 Gramm auf die Waage bringen soll, wirkt schon auf den ersten Metern nicht nur enorm schön, sondern auch äußerst steif. Wer mit dem Methanol 29 FS einmal auf dem großen Blatt einen Anstieg hochdrückt, wird vom wirklich steifen Hinterbau verblüfft sein.
Das Fahrwerk zeigt sich als perfekt ausbalanciert, schön mittig ohne jede Tendenz nach vorne oder hinten. An steilen Anstiegen bleibt das Vorderrad sehr lang am Boden und zirkelt bei vollster Kontrolle auch engste und technische Trails hinauf. Ist der Dämpfer blockiert, fährt sich das Bike wie ein Hardtail: Selbst Bergsprints mit dem großen Blatt und vollen Beineinsatz lassen nicht erahnen, dass hier ein vollgefedertes Rad bewegt wird. Das Methanol reagiert prompt auf Erhöhung des Pedaldrucks mit Vortrieb. Auf engen Kursen mit schnellen Richtungswechseln macht das Bianchi Methanol FS richtig Spaß. Der naturgemäß etwas längere Radstand bei einem Fully ist absolut nicht spürbar. Das Bike ist wirklich beeindruckend wendig, der Grenzbereich in Kurven kommt sehr spät. Dabei ist das Lenkverhalten derart präzise, dass ich einige Passagen mit dem Methanol immer und immer wieder fuhr, weil ich es nicht glauben wollte – ein so leichtes Racefully mit so viel Kontrolle und rasiermesserscharfer Lenkung bin ich noch nicht gefahren!
Dazu trägt nicht nur der sehr steife Steuerkopf des Karbonrahmens bei, sondern auch die Magura-Gabel, die sich ebenso wenig von heftigen Fahrmanövern aus der Ruhe bringen lässt. Die Fulcrum-Laufräder sind steif und geben nur im schweren Gelände ab und an leicht nach. Die ist aber nur für wirklich feinfühlige Fahrer spürbar und geht überhaupt nicht auf Kosten der Kontrolle. Die Fahrwerksabstimmung ist nichts für komfortsuchende Tourenfahrer, trifft meinen Geschmack aber punktgenau: Die racetypisch straff arbeitenden Dämpfer und Gabel bringen ein sehr direktes Feedback vom Untergrund und nehmen doch den mittleren und gröberen Schlägen die Lastspitzen sehr gut ab. Auf den Abfahrten behält der Bike die volle Kontrolle, solange es nicht zu grob wird. Und selbst dort wundert man sich über die recht großen Reserven des Bianchi-Fahrwerks.
Nochmal erwähnenswert ist die Federungsphilosophie der Bianchi-Ingenieure: Der Dämpfer kommt komplett ohne Plattform-Modus. Wie alles an diesem Rad gilt auch hier: Null oder eins, an oder aus, ganz oder gar nicht: Im Rennen wird kaum jemand Zeit haben, sich über ein wippendes Heck zu beschweren. Zumindest dann, wenn auch der Fahrstil passend dazu racetypisch „Null oder Eins“ ist. Bergauf wird der Dämpfer blockiert, bergab offen gefahren. Dies lässt sich leicht per Remote am Lenker bewerkstelligen. Übrigens fahre ich das Methanol als überzeugter Hardtailer überraschender Weise fast nur offen. Mehr dazu im nächsten Teil, in dem wohl unweigerlich auch ein wenig die Hardtail-oder-Fully Diskussion angeschnitten werden muss. Denn auch wenn das Methanol 29 FS richtig beeindruckt, wiegt es immer noch mehr als das Hardtail-Pendant (Wie das wohl abgeht?) und muss das wieder wett machen.
ZWISCHENFAZIT: Die Italiener wollten mit dem Methanol 29 FS nicht nur ein vollgefedertes Racebike bauen, sondern das „perfekte vollgefederte Racebike“ – ein hoher Anspruch. Doch nach meinem bisherigen Eindruck sind sie nahe an diesem Ziel. So nah, das ich meine über Jahre hinweg gehegte Skepsis gegenüber Fullys im Renneinsatz bereits nach dem ersten Anstieg überdenken musste, und mittlerweile kurz davor bin, sie ganz über den Haufen zu schmeißen. Mehr dazu in einem späteren Bericht.
Thomas Hebestreit