MI:TECH Epsilon – Zwischenstand II (Schwerpunkt Bike): von c_g
Nach dem Zwischenstand Teil I mit dem PINION P1.18 Getriebe im Fokus (hier) folgt nun der Teil II mit den Praxiseindrücken des MI:TECH Epsilon auf heimischen Trails. Hier der Link zum Intro der ganzen Technologien (Antriebsschwingen Fully, PINION P1.18 Getriebe und Gates Riemenantrieb) und den allerersten Praxiseindrücken (hier).
Gegenüber dem ursprünglich vorgestellten Bike ahre ich seit etwa 4 Wochen die „29er Ideal-Übersetzung“ von 1:1 – je eine 39T Riemenscheibe vorne und Riemenscheibe hinten – hinten auf einen speziellen Spider-Prototypen mit dem man die vordere Scheibe auf dem Freilauf montieren kann. Dadurch reicht die Übersetzung von wunderbar kleinen Gängen, mit denen man beinahe jede Steigung locker hochtreten kann, bis hin zu so langen Gängen, das auch einen Trainingseinheit auf der Straße realisierbar wäre (andere Reifen als die SCHWALBE Hans Dampf vorausgesetzt, natürlich ;-)).Wir sind ja bereits im Zwischenbericht I (Schwerpunkt PINION – hier) darauf eingegangen welch luxuriöse Übersetzungsbandbreite einem mit der P 1.18 zur Verfügung steht.
MI:TECH hat uns dazu zwei verschieden lange Riemen mitgeschickt – einen mit 120 und einen mit 122 „Zähnen“, was uns die Gelegenheit gab das Epsilon ausgiebig mit unterschiedlichen Kettenstrebenlängen zu testen. Zuerst habe ich den kürzeren Riemen montiert, wodurch die Ausfallenden fast bis Anschlag nach vorne gerutscht sind (445 mm effekt. Kettenstrebenlänge) und mussten feststellen, dass man mit dem kürzeren zwar etwas an Agilität gewinnt, bei echten Steilansteigen aber schon ordentlich das Gewicht verlagern muss um keine steigende Front zu riskieren. Was 1 cm an Änderung doch für einen unterschied machen können! Mit dem längeren Riemen ergab sich eine effektive Kettenstrebenlänge von 455 mm und damit ein ruhiges Kletterverhalten, das für unser Empfinden besser zum Grundcharakter des Bikes passt.
Der GATES CARBON DRIVE Center Track Riemen ist die Komponente die gerade dadurch hervorgetreten ist, dass sie vollkommen unauffällig ihren Dienst verrichtet. Während unter den aktuellen Bedingungen bei meinen anderen bikes andauernde Kettenpflege (nach mindestens jeder Ausfahrt) Pflicht ist um eine ordentliche Schaltperformance und einen quietschfreien Antrieb zu haben, hat der Riemen und die dazugehörigen Zahnscheiben bisher keinerlei Pflege erfahren und nie aufgemuckt.
Trotz der mehrfachen Umbaumaßnahmen (Wechsel der hinteren Zahnscheibe, und mehrfacher Wechsel des Riemens – siehe oben) und dementsprechenden Variationen in der Riemenspannung (ich habe ihn ganz ohne Hilfsmittel nach Gefühl und tendenziell eher zu locker gespannt) läuft das System völlig unauffällig und problemlos. Weder Schlammbeschuss, anfrierender Schneematsch oder Dauerregen haben bisher irgendeinen Einfluss auf das System gezeigt.
Was die Geometrie und Sitzposition angeht ist und bleibt das Epsilon ein langes Bike. Eine eff. Oberrohrlänge von 625 mm bei einem 47 cm Rahmen (bzw. 610 mm bei einem 42 cm Rahmen) sind doch ungewöhnlich – und mit dem montierten 80 mm Vorbau sitze ich recht gestreckt auf dem Epsilon. Ich würde es gerade noch als komfortabel und langstreckentauglich bezeichnen, in technischeren Abfahrten aber ist die Bewegungsfreiheit auf dem Bike doch eingeschränkt.
Ein klassischer Tourer war unser erstes Urteil, bis wir unmittelbar vor Fertigstellung dieses Artikels erfuhren, dass die ungewöhnlich lange Geometrie eigentlich mit einem sehr kurze Vorbauten um 50 mm zu kombinieren wäre. Wir warten noch auf den passenden Vorbau um das Epsilon noch mal in dieser Konstellation zu fahren – daher mehr dazu im Abschlussbericht in ein paar Wochen.
… jetzt aber ohne weitere Umwege zur spannenden Antriebsschwingen-Federung des Bikes:
Mein allererster Eindruck des Epsilon (hier), war der eines extrem sensiblen Hinterbaus im Sitzen – und mit etwas mehr Zeit auf dem Bike würde ich das sogar fast als Dr. Jekyll /Mr. Hyde Persönlichkeit bezeichnen – unglaublich sensibel mit gefühlten 150 mm Federweg am Heck im Sitzen (aber auch wippanfällig) und viel straffer mit gefühlten 70 mm Restfederweg im Stehen. War die Antriebsschwinge vielleicht doch keine so gute Idee? Als wir unsere Beobachtungen der ersten beiden Wochen mit dem Chef von MI:TECH im Detail besprochen haben, stellte sich heraus, dass an unserem Epsilon einen werkseitig zu schwach gedämpften FOX Dämpfer montiert worden war. Man schickte uns einen ROCK SHOX Monarch RTC3 Plus mit dem wir den Test seither bestreiten.
Bereits nach der ersten Grundeinstellung offenbarte uns das Epsilon eine ganz andere Seite. Zwar war die Sitzend-Sensibilität etwas geringer, aber dafür blieb alles wunderbar ruhig – egal wie aggressiv wir in die Pedale traten. Jede Wipptendenz war wie weggeblasen und zu unser aller Überraschung auch der vorher auffällige Unterschied zwischen Sitzend- und Stehendfahren. Wie war das möglich?
Offensichtlich erlaubt die spezielle Dämpfungscharakteristik des Monarch RT3 Plus einen bessere Abstimmung des Hinterbaus und kaschiert die subjektive Verhärtung des Hinterbaus sehr effektiv. Während ich mit dem FOX Dämpfer der Antriebsschwinge wirklich eine gespalteten Persönlichkeit attestiert hätte, wirkt das Epsilon mit dem Monarch viel stimmiger.
Es wäre gelogen zu sagen, dass das Heck keine Unterschiede mehr zwischen sitzen und stehend hätte, aber sie waren weniger auffällig. Mit den Erfahrungen von zahllosen Fullies unter dem Hintern, würde ich es eher beschreiben als wäre würde man an einem normalen Fully die Plattformdämpfung um 2 Stufen höher stellen, wenn man aus dem Sattel geht.
Daraus ergeben sich für den Fahrer ein paar wichtige Vor- aber auch Nachteile:
- Das ohnehin ruhige Heck stabilisiert sich im Wiegetritt zusätzlich. Damit erhöht sich die Effizienz in Anstiegen. Fahrer, die vorher kaum aus dem Sattel gegangen sind – aus Furcht vor dem Hinterbauwippen oder ihr Fully zum Bergauffahren blockieren – bekommen völlig automatisch eine maximale Wiegetrittstabilität. Diese „automatische“ Plattformdämpfung ist ein klares Plus des Antriebsschwingen-Bikes.
- Andersherum steht es bei schnellen und ruppigen Downhills in denen man die Federung nötig hätte. Hier bedeutet stehendes Fahren ein subjektiv strafferes Heck und auch eine Reduktion in Komfort … etwas, das man durch eine aktive Fahrweise zwar teilweise, aber doch nie ganz ausgleichen kann. Interessanterweise konnte wir im direkten Vergleich mehrfach nachweisen, dass der effektiv genutzte Federweg nahezu gleich blieb – das straffere Heck also zum Teil einfach ein subjektives Empfinden ist.
- Eine andere Sache ist mir allerdings noch aufgefallen. In Steilstücken oder an Stufen bergab sinkt das Heck wenn man hinter den Sattel rutscht weniger tief ein, als bei herkömmlichen Federungssystemen (… weil man effektiv ja die gefederte Masse reduziert). Die Folge ist je nach Situation ein etwas steilerer Lenkwinkel und damit manchmal ein leicht kippeliges Fahrgefühl, an das man sich erst gewöhnen muss. Im gemäßigten Einsatz ist das vollkommen unproblematisch, wenn man aber im persönlichen Grenzbereich fährt, kann das sehr wohl das subjektive Sicherheitsempfinden beeinflussen.
Geblieben und nicht wegzudiskutieren ist das hohe Gesamtgewicht des Epsilons von über 14,5 kg mit Pedalen … zu einem gehörigen Anteil auch durch das PINION Getriebe. Dieser Faktor fällt vor allem beim Beschleunigen auf … nur gut, dass die PINION mit ihren sehr leichten Berggängen dem genussvollen Höhenmetersammeln keine Grenzen setzt.
Unser Zwischenfazit: Es macht richtig Spaß ein Bike zu fahren, das konzeptionell so anders ist, als alle anderen. Es gibt so viel zu entdecken und zu lernen, dass wir sehr gerne Zeit auf dem MI:TECH Epsilon verbringen. Am Ende jedoch muss auch für uns eine klare Aussage stehen, für wenn das Bike geeignet ist , wo es seine Schwächen und Stärken hat und ob wir es überhaupt weiterempfehlen würden.
Nach dem aktuellen, fortgeschritten Stand des Tests, sehen wir das MI:TECH Epsilon sehr wohl als potentes Mountainbike an, allerdings passt es in der Summe aller Eigenschaften – der tendenziell gestreckte Geometrie (nach akteullem Stand), die hohe Laufruhe dem maximal wartungsarmen und zuverlässigen PINION Getriebe mit GATES Riemenentrieb, der Charakterisitk des Antriebsschwingenhecks und nicht zuletzt auch des hohen Gesamtgewichts klar prädestiniert als Tourenfully.Wir werden uns noch weiter mit dem MI:TECH Epsilon beschäftigen und kommen in ein paar Wochen mit unserem Gesamturteil zurück.
RIDE ON,
c_g
Ein klasse Bericht, der einen guten Eindruck über viele Details vermittelt.
@Marcymarc: Danke freut und zu hören … wir geben unser bestes :-).
Vielen Dank für den unvoreingenommenen Bericht.
Das Thema Antriebsschwinge wurde in der Presse wegen angeblicher Schwächen beim Downhill lange genug totgeschrieben.
Dabei hat dieser Tage Gee Atherton mit einem GT die britische Downhillserie gewonnen.
http://www.vitalmtb.com/news/news/Race-Results-Gee-Atherton-Wins-British-Downhill-Series-1-Combe-Sydenham,583
Beim GT steht der Fahrer ebenfalls mit seinem Gewicht im Hinterbau, was aufgrund der Konstruktion nur nicht so offensichtlich ist.
Ich freu mich auf den nächsten Teil des Berichts.
VG Stefan