BERGAMONT Fastlane 29er – Erste Eindrücke: von c_g
Hier in Deutschland ist tiefer Winter – verschneite Trails und Minusgrade, da kam die Einladung von BERGAMONT zum Launch des brandneuen FASTLANE 29ers auf Mallorca letzte Woche gerade recht. 20° und Sonnenschein? Weit gefehlt – zwischen 5 und 10° und immer wieder Regen, aber immer noch besser als zuhause :-).
Für uns im Fokus des Besuchs lag das neue BERGAMONT Fastlane 29er 100 mm Fully.
Wir hatten es ja bereits im Zuge der Eurobike-Berichterstattung hier kurz vorgestellt. Zur offiziellen Vorstellung nach Mallorca wurden jetzt die ersten Serien-Produktionsrahmen in Größe M eigens eingeflogen um sie der Presse und den BERGAMONT Vertragshändlern dort vorzustellen. Besonders gespannt waren wir darauf wie man das Handling des Revox Hardtails, allen voran die Agilität und Verspieltheit in einem 29er Fully umgesetzt hätte. Nicht umsonst kam vor allem deshalb das Revox in unseren ´12er Top Ten auf einen wohlverdienten 4. Platz als bestes 29er Hardtail. Das Fastlane ist das erste 29er Fully von BERGAMONT und das zweite Vollcarbonbike der Hamburger. Ähnlich dem Revox ist es als echtes XC- und Marathonbike konzipiert, soll aber auch echtes Trailbikepotential haben.
Der Rahmen: Beim Fastlane Rahmen kommen diverse Fertigungsverfahren zum Einsatz jedes mit der Zielsetzung das Gewicht zu drücken und die Steifigkeit zu pushen. So ist z.b. das Steuerrohr mit einem Teil des Ober- und Unterrohrs, sowie der Tretlagerbereich zusammen mit dem Sitzrohr als zwei Monocoque-Bauteile gefertigt, die entweder in tube-to-tube (Sitzrohr an Oberrohr) oder Muffenbauweise (Unterrohr zum Tretlager) zusammengefügt werden. BERGAMONT nennt dieses aufwendige Verfahren CMC („Carbon Multi Connect“).
Um auch wirklich jede Carbonfaser kraftschlüssig einzubinden, werden zusätzlich zum internen Druckschlauch im Steuersatzbereich und dem Tretlager spezielle Kunststoff-Innenmolds eingebracht. Sie werden nach dem Aushärten wieder entfernt und sorgen für eine wunderbar glatte innere Oberfläche (siehe oben).
Natürlich verfügt der Rahmen über alle steifgkeitsfördernden Standards – konisches Steuerrohr (für Zero-Stack Steuersätze), PF92 Tretlager, 142/12 HR-Achse … zusätzlich für ein XC-Bike ungewöhnlich große Lager an allen Drehpunkten des Hinterbaus und die großvolumige und breit abgestützte Carbon-Umlenkwippe.
Die Bremsen sind mit PM-Sockeln an der rechten Kettenstrebe befestigt (leider auf max. 160 mm Durchmesser begrenzt) und damit sehr schön im Hiterbau aufgeräumt.
Anders als derzeit im Trend, verlaufen die hintere Bremsleitung und der hinter Schaltzug (mit durchgehender Hülle) extern am Unterrohr. Die leichtere Wartung war das Hauptargument. Nur der Umwerfer wird intern durch das Oberrohr angelenkt – mit dem Austrittsport in der Oberrohrgabelung kurz vor dem Sitzrohr.
Ein kleines aber feines Detail: Obgleich ein waschechtes XC-/Marathonbike ist der Rahmen bereits für eine interne Dopper-Post Zugverlegung vorbereitet – der kleine Kunststoffstopfen kurz vor dem Tretlager im Bild oben zeigt es.
Entgegen dem 26“ Vorgänger besitzt das 2013 Fastlane 29er einen abgestützten Eingelenker-Hinterbau mit einem Drehpunkt nur knapp über und vor der HR-Achse. Der Dämpfer steht tief im Rahmen. Neben dem tiefen Schwerpunkt konnten die BERGAMONT Entwickler dadurch genau die Federungscharakteristik realisieren, die sie sich wünschten.
Die ausgeprägte Biegung des Unterrohrs am Tretlager hat übrigens neben der ausdrucksstarken Formsprache auch den Vorteil, dass man damit selbst in der kleinsten Rahmengröße noch eine große Trinkflaschen im Rahmendreieck unterbringt.
Insgesamt soll der Rahmen des BERGAMONT Fastlane (in Größe M, ohne Dämpfer) knapp 1980 g wiegen.
Größen und Geomtrie: Es wird das Fastlane 29er in 4 Rahmengrößen von S (420 mm Sattelrohr) bis XL (540 mm) geben.
Bemerkenswert an der Geometrie des Bikes sind vor allem der für ein XC-Marathon 29er recht flache Lenkwinkel von 69,5°, der kurze Hinterbau mit seiner effektiven Kettenstrebenlänge von 440 mm und das tiefe Tretlager mit einer Absenkung von ganzen 45 mm gegenüber den Laufradachsen. Entgegen dem flachen Lenkwinkel fällt der Sitzwinkel mit effektiven 74,5° sehr steil aus und soll damit die Effizient und die Klettereigenschaften optimieren.
Allesamt Zahlen, wie sie bisher eher untypisch für ein 100 mm 29er-Fully waren. Die Neugier war geweckt :-).
**********************************************
Modelle: Insgesamt wird es für 2013 drei Modelle des Fastlane geben – alle mit den identischen Carbonrahmen.
Das Topmodell Fastlane MGN (steht für „Mehr Geht Nicht“) haben wir während der Vorstellung gefahren und hier bereits vielfach abgebildet. Es kommt mit einer kompletten SRAM XX Gruppe (inkl. Bremsen, nur der Umwerfer stammt aus der X.0), REYNOLDS AL 29er Laufrädern und allerlei feinen Carbon-Anbauteilen. Als Federelemente kommen vorne die F32 Float CTD mit 100 mm und hinten ein FOX Float High Volume Dämpfer zum Einsatz – beide selbstverständlich aus der prestigeträchtigen, kashima-gecoateten Factory Serie.
Dementsprechend gesalzen ist der VK von € 4999,-.
Insgesamt brachten es unser Testmuster damit auf respektable und voll racetaugliche 10,67 kg. In typischer BERGAMONT Manier ist das Top-Modell MGN in mattem Carbonfinish mit kleineren farbigen Akzenten sehr dezent gehalten.
Daneben gibt es noch das blau/weiß/schwarze Fastlane Team das mit etwas abgespeckter Ausstattung (ROCK SHOX SID RL Gabel und Monarch Dämpfer, SRAM X.9 Antrieb, REYNOLDS Al Laufräder und Elixir 7 SL Bremsen) zwar etwas an Gewicht zulegt, dafür aber mit € 3799.- auch deutlich günstiger ist. Wie gesagt, bei dem identischen Rahmen wie das MGN.
Laut BERGAMONT soll es knapp 11 kg auf die Waage bringen – ebenfalls nicht schlecht für ein preisbewusstes Marathonbike!
Das dritte im Bunde ist das Fastlane 9.3 das mit nochmals einfacherer Ausstattung auf angeblich 11,6 kg bei einem VK von € 3199.- kommt. Mit seiner 3×10 SHIMANO XT/SLX-Schaltung dürfte es damit besonders den sportlichen Tourer und Gelegenheits-Marathonfahrer ansprechen.
**********************************************
Der Fahreindruck:
Soviel zur Vorstellung des BERGAMONT Fastlane, aber wie würde sich das neue Bike auf der Testrunde auf Mallorca machen?
Nun, der erste Eindruck war etwas gespalten. Die vorgeschlagene Testrunde über einen ca. 7 km langen Rundkurs bot alles was man sich zum Test eines XC-Bikes so erwarten würde. Zwar fehlte es an wirklich technischen Abschnitten, aber sonst war alles dabei, flache Rollpassagen, Holperpisten, steile Anstiege (mal sanft und mal ruppig), schnelle, gewundene Schotterstraßen, Rüttelpisten und auch eine ruppig-schnelle Abfahrt. Wie gemacht für ein solches Bike.
Bereits auf den ersten Trailmetern wurde klar, dass das Fastlane die positiven Handlingeigenschaften des Revox voll übernommen hatte. Es ist vielleicht einen Tick neutraler und nicht ganz so agil, in der Riege der vergleichbaren 29er Fullies bietet es ein mustergültiges Handling. Jede Lenkbewegung wird sofort umgesetzt – fast als würde das Bike auf die schieren Gedanken des Fahrer reagieren. Egal ob gedrückt, gelenkt oder allein durch Gewichtsverlagerung eingeleitet – das Fastlane zirkelt bereitwillig um jeden noch so kleinen Radius. In Sachen Agilität und Handling gibt´s also schon mal volle Punktzahl.
Als 183 m Mann mit normalen Proportionen liege ich eigentlich zwischen dem gefahren M-Rahmen und dem Large – beim M musste ich den gesamten Sattelauszug der 400 mm Stütze nutzen, und auf dem L Rahmen saß ich etwas zu gestreckt drauf. Weil ohnehin nur ein Rahmen in L verfügbar war und ich mich auf dem M wohler gefühlt hatte, blieb ich für diesen ersten Eindruck als bei der Größe M.
Die Sitzposition fällt schön mittig und neutral aus. Zwar erzeugt der negativ montierte Vorbau mit Flatbar einen etwas tiefe, sportliche aber keineswegs unbequeme oder frontlastige Position. Wie der Selbstversuch mit positiv montiertem Vorbau zeigt, passen Effizienz und Kletterverhalten aber auch noch mit einer aufrechteren Sitzposition.
Wie viele moderne 29er greifen die Konstrukteure zu einem gebogenen Sitzrohr um nach hinten Platz zu gewinnen – so auch beim Fastlane. Wegen des damit geänderten Sitzwinkels ergibt sich bei tief eingefahrener Stütze damit eine kompaktere und bei weit ausgefahrener eine etwas hecklastige Sitzposition. Dementsprechend mit der Stütze am maximalen Auszug, unterstützt durch das kurze Heck, hatte ich erwartet, dass das Fastlane in den steilen Ansteigen etwas Gewichtsverlagerung fordern würde um das Vorderrad zu kontrollieren. Stattdessen zog es ruhig und willig jede Steigung hoch und zeigte keinerlei Aufbäumtendenzen – ein Effekt des steilen Sitzwinkels. Trotzdem lässt sich das Vorderrad des Fastlanes mit etwas Zug am Lenker sehr leicht in den Wheelie bringen und dort auch gut halten. Aus meiner Sicht trifft das Fastlane damit genau die sensible Balance aus Handlichkeit, Agilität und dennoch uneingeschränkter Kletterfreudigkeit.
Positiv überrascht war ich dann als der Trail sich nach dem Anstieg nach unten neigte und die schottrigen Passagen dem Racing Ralph Reifen mehr abverlangten als sie zu leisten vermochten. Soll heißen, auch wenn der Bodenkontakt zu schwinden drohte, bleib das Fastlane stets gut beherrschbar und sicher zu fahren. Dank der guten Gewichtsverteilung, der hohen Rahmensteifigkeit und des flachen Lenkwinkels wurde das Bike auch in schnellen Passagen nie unsicher.
Umso verwunderter war ich dass mich die Federung des Fastlanes auf der ersten Runde so gar überzeugen konnte – bergauf konnte das Heck im kleinen Kettenblatt nur mit einer hohen Plattformeinstellung beruhigt werden (zum Leid des Komforts) und bergab wollte das Heck allzu gerne den Bodenkontakt verlieren. In der Annnahme, dass es sich um eine Einstellungsfrage handeln würde, bin ich das Bike noch ein paar Runden mit allen verschiedenen Einstellungen und Luftdrücken gefahren ohne je wirklich überzeugt zu sein.
Erst als ich mir am Nachmittag noch ein anderes Testbike geschnappt habe, kam der AHA-Effekt. … WOW! Selbst im offenen Modus blieb das Heck im Anstieg anstandlos ruhig, schluckte jede Unebenheit bereitwillig und bot maximale Traktion. Beim Downhill blieben die Reifen wie am Boden festgeklebt, folgten dem Untergrund wunderbar kontrolliert und kamen erst mit wirklich groben Schlägen an die Grenzen – Schläge, bei denen jedes andere 100 mm Bikes ebenfalls zu knabbern gehabt hätte.
Zur Kontrolle habe ich mir wechselweise ein weiteres MGN Testbike vorgenommen und direkt mit dem ersten verglichen. Nachdem auch das dritte sich als wunderbar „rundes“ Bike erwiesen hatte, habe ich die anfänglichen Kritikpunkte unter der Rubrik „defekter Dämpfer“ abgehakt.
FAZIT: Die Einführung des BERGAMONT Fastlane war für uns wirklich spannend. Hätten wir das Bike nach dem ersten Eindruck auf dem ersten Tesbike beurteilen müssen, hätte ich dem Fastlane zwar eine geniale Geometrie und ein wunderbar agiles Handling mit hohen Sicherheitsreserven attestiert, ihm aber auch Schwächen in der Federung anrechnet. Doch wie sich herausgestellt hat lagen die Kritikpunkte allesamt an einem defekten Dämpfer. Auf allen späteren Fahrten hat mich das Fastlane wirklich begeistert.
Es macht einfach Spaß ein Bike zu fahren bei dem Handling, Gewicht, Steifigkeit und Federungsperformance soo nahtlos zusammenfügen – dann bleibt einfach wenig Anlass zur Kritik. Von mir jedenfalls erhält das BERGAMONT Fastlane das Prädikat „uneingeschränkt empfehlenswert“.
RIDE ON,
c_g
Danke für den trotz begrenzter Zeit gewissenhaften
Test und Mühe die Dämpferperfomance mit anderen Testmustern zu vergleiche.
Gut !
Freundliche Grüße
Andreas