GIANT XTC Composite 29er 1 – Testintro: von Thomas Hebestreit

Eigentlich gehört die gepflegte Rennraserei ja ins Grundgesetz als Grundrecht aufgenommen, schließlich gibt es keinen größeren Dopamin- und Adrenalinschub, als sein Bike am Limit auf der Rennstrecke zu bewegen. Der Branchenriese GIANT BICYCLES hält selbstredend auch Geräte vor, die das ermöglichen sollen. Die mit dem Hauptsitz in Taiwan agierende und als größter Radhersteller der Welt geltende Marke sprang erst relativ spät auf den Zug mit den 29ern auf, sind jetzt aber mit einem recht kompletten Sortiment am Start. Die 2013er Palette umfasst eine ganze Reihe an geländetauglichen Rennmaschinen fürs CC- und Marathongeschäft, aber auch gemäßigtere Hardtails sowie die Fullies Anthem bzw. Trance X  aus dem XC- bzw. Trailbike Genre.

Klar mit einer gehörigen Portion Racergenen versetzt ist das XTC Composite 29er 1, welches wir hier ausführlich testen werden.

Das XTC 29er Composite 1 ist das Topmodell der „Amateurliga“ der 29zölligen Rennhardtails, zielt jedoch  mit dem VK von € 2399.90 massentauglich auf die weiterhin noch nicht überbesetzte preisliche Mittelklasse. Die nahen Verwandten sind das Composite 29er 2 (€ 1.999.90), beziehungsweise das 29er Composite 29er 3 (€ 1799.90) jeweils mit dem identischen Rahmen aber abgespeckter Ausstattung. Außerdem gibt es noch die Advanced SL-Reihe als kompromisslose Rennlinie, bestehend aus dem SL 29er 0 (€ 6799.-) und dem SL 29er 1 (€ 3499,90) – Bikes bei denen es um jedes Gramm geht. Aus der XTC Reihe gibt es außerdem noch eine Alu-Version in 2 Varianten (XTC 29er 0 für € 1899.90 und das XTC 29er 1 für € 1399.90) in Die Verwandtschaft dritten Grades geht dagegen in die entgegengesetzt Richtung: Die Talon-Linie hält ebenfalls großrädriges vor, zielt aber eher auf die Hobbybiker ab und rundet die Palette der Hardtails ab.

Angenehm schnörkellos kommt das Carbon Hardtail daher und vermittelt dennoch schon beim Auspacken, dass es Ambitionen hat. An den Giant-Rahmen sind oft viereckige Unterrohre zu finden, so auch an diesem Bike, das mit echt wuchtigem Pressfit-Innenlagerbereich daher kommt. Am Carbonrahmen findet sich ein Mix aus Shimano’s XT- und SLX-Komponenten – die optisch auffälligen Teile, Kurbel und Schaltwerk, von der XT, der Rest aus der SLX.

     

Die 180er Bremsscheibe vorne sticht sofort ins Auge. Die ist zwar Standard und bietet viel Sicherheitsreserven – Hobbyrenner und leichte Fahrer (wie ich ;-)) tauschen diese aber gern gegen eine 160er aus. Wenn die Gene der aktuellen XT-Bremse bis zur SLX durchgeschlagen sind, sollte auch dann die Bremsleistung mehr als ausreichen (Grannygear hat ja hier eine identische Bremse im Rahmen seines Tests der SLX-Komplettgruppe am Start). Überhaupt wollen wir im Topgruppenwahn des Rennzirkus´ einmal wissen, ob es immer XTR oder XX sein muss. Oder geht ernsthaftes Heizen auch mit mittelpreisigen Komponenten?

Vorbau, Lenker und Sattelstütze sind aus den Regalen der Eigenmarke Giants, sind aus Alu und machen einen wertigen Eindruck.

Der Rahmen winkelt im Lenkbereich mit relativ steilen 71,5° im Sitzbereich dafür mit zurückhaltenden 72,5° – fast schon Old-School, denn aktuell geht es auch bei Racebike hin zu flacheren Lenk- und steileren Sitzwinkeln. Mal sehen – der Lenkwinkel verspricht schon vorab eine hohe Wendigkeit, der es hoffentlich nicht an Kontrolle mangelt. Die Kettenstreben fallen mit 439 mm moderat aus. Überhaupt sind die Rahmengeometrien innerhalb der gesamten XTC Reihe identisch – hier kann also Rackern jedes Budgetniveaus geholfen werden.

Das Steuerrohr überholt schon fast den aktuellen Trend nach Konischem: Oben lassen sich 1 1/4, unten 1 1/2 Zoll messen.  Die Taiwanesen nennen dies „Overdrive2“ – die Idee ist die gleiche: Größere Durchmesser bringe mehr Steifigkeit und Lenkpräzision durch großflächigere Anbindung von Ober- und Unterrohr an das Steuerrohr. und einen größeren Gabelschaft. Allerdings benötigt man für Overdrive2 spezielle Vorbauten und hier ist die Auswahl derzeit noch eingeschränkt. Entgengen der aktuellen Mode verzichtet Giant am Heck auf ein Steckachsensystem und setzt auf Schnellspanner.
Die Gabel aus dem Hause  FOX bringt eine QR15 mit und federt mit XC-klassischen 100 Millimetern. Der Vorname der Forke lautet Fox F29 CTD Evolution (mit der bei FOX allgegenwärtige „Climb-Traction-Descend“ Trinität) und kommt ohne Lockout-Fernbedienung aus.

Die 2×10 Übersetzung wirkt mit maximalen 38 – 11 Zähnen relativ hobbyfahrerfreundlich. Wir orakeln schon einmal vorab, dass das 38er Blatt für lange Anstiege passt und das kleine bei mir höchstens als Rettungsanker zum Einsatz kommt. Für Antritte an 5% Steigungen, die das Fahrerfeld zerreißen sollen oder sonstigen  High-Speed-Einlagen in Flachlandtirol (sprich Berlin) könnte selbst der größte Gang zu kurz sein, wenn allzu ambitionierte Piloten am kurbeln sind.  Die Sitzposition wirkt auf den ersten Blick nicht übermäßig racelastig, sondern eher komfortabel. Hier wird es spannend, ob der positiv montierte Vorbau doch eher umgedreht werden sollte. Das Cockpit ist schön breit und sollte so auch Rennfahrer gegen die Kreiselkräfte im High Speed ankommen lassen, die oben herum eventuell die Fitness vernachlässigten. Die Bereifung ist mit Schwalbe’s Racing Ralph in 2.25 Performance (also Dual-Compound) Standardware.

Die  Laufrädern aus dem Hause Giant wirken für die Preisklasse auffällig leicht. Wir werden berichten wie sie sich schlagen.  Passend zum Race-Ambiente verzichtet das Rad auf einen Schnellspanner an der Sattelstütze. Echte Racer verstellen den Sattel ohnehin nicht, der hier in Form des Fizik Tundra schon im Stand knackige Sitzungen verspricht.

Giant nennt 11,0 kg für das XTC Comp 1, unser Muster in Größe L wiegt 11,15 kg (ohne Pedale) – angesichts der Komponentenzusammenstellung und vor allem des Preises ist das voll OK.

Wir sind bereits fleißig dabei zu erkunden, ob das Giant auf der Rennstrecke der Konkurrenz das Fürchten lehren kann. Bald mehr dazu hier.

Thomas