VITTORIA Agarro Trail 4C Graphene 2.0 TNT 29×2,6“ & 29×2,35“ – Testintro: von MiMü

Erst im Oktober haben wir euch den neuen VITTORIA Agarro Trailseifen in einer vorgestellt und bereits jetzt haben uns die Italiener einen Satz der Reifen zugesandt – einen in der 2,6“ Midsize-Variante und einen der mit 2,35“ schmäleren Variante. Beide Modelle sind auch in 27,5“ erhältlich, jeweils mit einem UVP von 62,95 Euro (wer aber etwas recherchiert, wird den VITTORIA Agarro auch deutlich günstiger finden).

Der Agarro ist der jüngste Spross im Sortiment des italienischen Reifenherstellers VITTORIA und soll ein vielseitiger und potenter Trailreifen sein.

Konziptionell ist der Agarro als moderner Trailreifen, eine Kombination anderer bekannter VITTORIA-Reifen wie dem Martello (hier im Test), den CC-Brüdern Barzo (Testfazit hier) und dem Nässesepzialisten Gato II (Testfazit vom Juni 2017), die alle Vorzüge und möglichst wenige Kompromisse in sich vereinen soll: Das hohe Gripniveau und der Pannenschutz des Enduro-Pneus Martello, kombiniert mit den lauffreudigen, quirligen Eigenschaften der Barzo-/Gato-Geschwister, soll den Agarro so zum idealen Trailreifen machen, der sich auf unterschiedlichsten Böden zu Hause fühlt.

Dementsprechend breit gefächert ist auch das Einsatzspektrum des Agarro, das VITTORIA für den Agarro definiert hat: Mit Hardpack (10 von 10), Mixed (9 von 10), Loose (8 von 10) sowie interessanterweise auch Wet (10 von 10) bleiben nur Mud (7 von 10) und Hard/Icy (6 von 10) um in nicht zur „eierlegenden Wollmilchsau“ zu machen. Um einen derart breiten Einsatzbereich abdecken zu können, hat VITTORIA die vom Martello bekannte innovative Siping Technologie weiter verfeinert. Bereits auf den ersten  Blick erkennt man das in V-Form ausgeprägte Profildesign des Agarro. Es soll dadurch wie ein Schaufelrad funktionieren und dem Reifen zu optimalen Grip auf soften Böden genausom wie auf nassen Felsen oder Wurzeln verhelfen.

Mit seinem Profil nimmt der Agarro Anleihen von verschiedenen Profilen im Sortiment mit allen aktuell möglichen technischen Finessen.

Das  Kantendesign des neuen Trailreifens erinnert dabei in Gundzügen an den Barzo, über dessen angesichts dr Stollerngröße bemerkenswerten Grip auch der Agarro verfügen soll. Beim Mittelprofil vertraut man auf abwechselnd in Zweierreihe angeordneten Stollen. Längliche, in Fahrtrichtung gestuft abgesenkte Stollen (vom Gato „geborgt“?) sollen für Spurtreue und Laufruhe bei gleichzeitig geringem Rollwiderstand sowie guten Überrolleigenschaften sorgen, während die quer orientierten Blöcke die Traktions- wie Bremskraft des Agarro optimal auf den Boden bringen sollen. Daneben reiht sich eine Art Zwischenprofil aus kleineren, fast quadratischen Stollen ein. Es soll den Grip in leichter Schräglage hoch halten und den Übergang zu den eigentlichen Seitenstollen harmonischer gestalten.

Die Seitenstollen stehen recht eng und sind stabil abgestützt – das verspricht auch auf tiefen Böden guten Kurvenhalt. In dem Bild sind auch die längs gerichteten Übergangsstollen gut zu erkennen.

Die deutlich massiver gestalteten Blöcke des Seitenprofils stammen in ihren Grundzügen wohl vom Martello. Sie sind leicht versetzt angeordnet und stabil an der Reifenwand abgstützt. Sie sollen für ein sicheres, direktes Kurvenhandlung ohne plötzliche wegknickende Stollen sorgen. Alle Profilblöcke verfügen im Übrigen über zumindest eine meist sogar mehrere zusätzliche, unterschiedlich tiefe Gripkanten – die bereits erwähnten „Sipings“. Je nach Ausrichtung – in der Mitte längs und quer, beim Zwischenprofil schräg nach außen verlaufend, an der Seite wiederum längs orientert – sollen sie für weiter verbesserten Traktion und Grip in den jeweiligen Richtungen sorgen. Die mittlerweile bestens bekannte 4C Gummimischung – im Übrigen unseres Wissens nach noch immer das einzige am Markt vertretene 4-fach Compound – hat VITTORIA für den weit gesteckten Einsatzbereich des Agarro weiter verfeinert und an die trail-orientierte Ausrichtung des Reifens angepasst. Unter dem Namen 4CGraphene 2.0 kommt das 4-fach Compound jetzt als auf den Einsatzzweck des jeweiligen Reifens hin optimierte Gummimischung zur Verwendung – mit geringerem Rollwiderstand bei den CC-Reifen, einer Grip-lastigen Auslegung bei den Enduro-Pneus und einer Mischung aus beiden (und natürlich anderen wichtigen Tugenden) bei den Trailreifen wie dem Agarro. Ebenfalls weiterentwickelt wurde die tubeless-ready TNT Karkasse, die jetzt dem Einsatzbereich angepasst ist und im Fall des Agarro als Trail Karkasse bezeichnet wird. Dabei soll die 120 TPI Karkasse mit Hilfe der APF-Nyloneinlage („Anti Pitch Flat Insert“) an Seitenwand und unter der eigentlichen Lauffläche  gegen Schnitte und andere Beschädigungen geschützt werden, wobei diese Pannenschutzeinlage den Reifen zusätzlich stabilisieren soll. In der Theorie wirken die ganzen technischen Finessen schon mal sehr interessant, was davon auch auf den Trails zu erfahren ist wird unser Praxistest zeigen.

Bevor es an die eigentliche Montage ging, durften beiden Agarro-Reifen auf der Waage Platz nehmen. Das 2,6“er Modell zeigt ein Gewicht von 1005 g, die schmälere 2,35“ Variante kommt auf 964 g. Das Herstellergewicht von 970 g bzw. 940 g überschritten unsere Testreifen somit ein wenig. Wie schon bei den bisher getesteten VITTORIA-Reifen waren auch die beiden Agarro-Testexemplare äußerst einfach zu montieren. Ohne Reifenheber waren sie mit relativ geringer Daumenkraft über den Felgenwulst gewuchtet, das tubeless-Setup funktionierte dabei problemlos mit einer einfachen Standpumpe. Auch ohne den Zusatz von tubeless-Milch waren beide Reifen auf Anhieb absolut dicht und hielten den Luftdruck auch über mehrere Tage. Als Testfelge diente einmal mehr meine RACE FACE Aeffect R 30 mit 30 mm Innenbreite.

Auf ihr konnte ich beim 2,6“ Modell nach 24h Rast mit 2 Bar Luftdruck eine maximale Karkassenbreite von 60,2 mm ablesen, die Stollenbreite betrug 61,6 mm. Seinen Querschnitt würde ich als nahezu kreisrund bezeichnen. Beim 2,35“ Agarro zeigte die Schublehre eine maximale Karkassenbreite von 55,8 mm und eine Stollenbreite von 54,1 mm. Er wirkt beim genaueren Hinsehen leicht quadratisch, was sich auch in der nahezu identen Stollen- und Flankenbreite widerspiegelt. Der Vollständigkeit halber habe ich auch den Reifenumfang sowie die Reifenhöhe ermittelt: beim Agarro 2,6“ waren 2369 mm bzw. 754 mm abzulesen, beim 2,35“ zeigten sich 2341 mm bzw. 754 mm. Beide Agarro hinken im Übrigen ihren ERTRO-Angaben recht deutlich hinterher: beim 2,6“ (65-622) fehlen in der Breite doch einige Millimeter, ebenso beim 2,35“ Modell (57-622). Im direkten Vergleich zum kürzlich getesten BONTRAGER SE5 Team Issue TLR 29×2,6″ mit seiner maximalen Breite von satten 66 mm wirkt der breitere Agarro nahezu zierlich. Nachdem diese Angaben zumeist theortischer Natur sind, werde ich Testverlauf noch weitere Felgen verwenden um euch weitere Zahlen liefern zu können.

Im aufgezogenen Zustand sieht man recht schnell, dass VITTORIA die Stollenabstände beim Agarrro an die Reifenbreite angepasst hat. Beim breiteren 2,6“ Modell fallen sie etwas größer aus, ich würde die Abstände zwischen den einzelnen Profilblöcken aber auch hier als eher moderat bezeichnen. Gerade jetzt im herbstlich-aufgeweichten Terrain wird sich zeigen, inwieweit diese geringen Freiräume das Thema Selbstreinigung beeinflussen. Verglichen mit dem weiter oben schon erwähnten BONTRAGER SE5 Team Issue Reifen fällt das Profil des VITTORIA Agarro um einiges gemäßigter, mehr auf seine Allroundfähigkeiten hin entwickelt, aus. Speziell das Mittelprofil mit einer maximalen Höhe von 4 mm zeigt sich vortriebsorientierter, durch die aufwändige Stufenkonstruktion sowie die vielen Gripkanten dürften Haftung, Traktion und gleichzeitig geringer Rollwiderstand aber absolut in Ordnung gehen. Das massiver ausgeführte Seitenprofil mit 5-7 mm Höhe wirkt äußerst vertrauenserweckend, die breite Abstützung sollte das Kurvenhandling direkt ausfallen lassen.

Vorne in 2,6″ Brote und hinten in 2,35″ – so werde ich den neuen VITTORIA Agarro an meinem NINER RIP9 RDO testen.

Nach Gato, Barzo und Morsa ist der neue Agarro mittlerweile mein vierter VITTORIA-Reifen den ich in den letzten Jahren imTest hatte und gerade weil er ja Designelemente einiger seiner Geschwister übernommen hat, bin ich sehr gespannt, wie er sich im Test schlagen wird: Wird er, wie von VITTORIA angekündigt, wirklich das Beste von Gato, Barzo und Martello in sich vereinen können? Wie werden Traktion und Kurvenhalt ausfallen? Wie mit dem Rollwiderstand? Kann das 2,6“ Modell auch mit hohem Fahrkomfort punkten? Wie fallen die Unteschiede zwischen den beiden Reifenbreiten aus? Viele Fragen, die unser Praxistest hoffentlich beantworten wird. Ihr dürft gespannt sein.

MiMü