NICOLAI Saturn 14 – Fahreindrücke von den Eurobike Media Days’19: von c_g

Was passiert wenn das XC-/Trailgeschoß Saturn-11 und das Ion G13 in den Werkshallen von NICOLAI eine ungestüme Nacht miteinander verbringen? Das Ergebnis davon ist wohl das neue Saturn-14 – ein Bike das NICOLAI uns erst Anfang Juni offiziell vorgestellt hat und zu dem wir nun ich im Rahmen der Eurobike Media Days die Gelegenheit hatten es schon zu fahren.

Nach Aussagen von NICOLAI ist das Saturn-14 das Ergebnis vieler Anfragen von Kunden, die ihr Saturn-11 eben genauso viel als Trail- wie auch als XC-Biek genutzt haben. Wie auch ich seinerzeit in unserem Test des Saturn-11,finden wohl auch andere, dass eine Dropper-Stütze, aggressiven Reifen und anderer traillastige Zutaten auch hier nicht Fehl am Platze waren. Das Saturn-14 ist damit quasi die Trail-Version des  Saturn-11: Angeblich weiterhin richtig effizient und vortriebsstark aber dank seines auf 130 mm angewachsenen Federwegs (als 27,5“ auch mit 138 mm) auch bergab und im Groben noch potenter.

Die Zutaten sind auf den ersten Blick die gleichen, wie beim Saturn 11 – gerade Rahmenrohre (auch wenn hier ein anderer Rohrsatz verwendet wird), der im Rahmen stehende Dämpfer, die aufwendig gefräste Umlenkwippe, die obligatorische Zugstange hinter dem Dämpfer, die außen verlegte Züge und Leitungen und ganz viel rohes Alu mit groben Schweißraupen. Aber wenn man genau hinsieht, fallen doch so einige Neuerungen auf die das Saturn-14 noch spannender machen.

Ein der wichtigsten sind die sogenannten Mutatoren an den Druckstreben. Diese kleinen verschraubten Verbindungsstücke zwischen den Druckstreben und dem Umlenkhebel, die immer mehr auch bei anderen aktuellen NICOLAI Modellen zum Einsatz kommen, erlauben es das Saturn je nach verbautem Mutator noch weiter in seiner Geometrie den Anforderungen und Wünschen und auch in der Laufradgröße anzupassen.

Durch den angewachsenen Federweg und die gestiegenen Belastungen hat man sich einen neuen Umlenkhebel einfallen lassen, der zwar nicht mehr ganz so extrem leicht und filigran ist, wie der ursprüngliche des Saturn-11, aber weiterhin aus einem Block gefräst ist und wunderbar zur Schau stellt wofür NICOLAI eben auch bekannt ist: Aufwendigste und wunderschöne CNC-Frästeile.

Egal wohin das Auge wandert – überall findet man kunstvoll gestaltete Bauteile mit den feinen Spüren der Metallfräse, Die Ausfallenden, das Kettenstreben-Yoke, die Sitzrohrversteifung und an beiden Dämpferaufnahmen. Sogar am Steuerrohr hat man das Firmenlogo eingefräst. Wer mag kann sogar eine ISCG-05 Aufnahme an dem Rahmen befestigen.

Auch die für die Saturn-Baureihe typische Verstrebung hinter dem Dämpfer ist formschön gefräst. Sie soll das Sitzrohr vor Überbelastungen schützen und ermöglicht es so ein noch leichteres Sitzrohr einzusetzen. Wie man sehen kann, ist das Teil nun wie eine starre Zugfeder über eine vertikale M5-Schraube vorgespannt. Einfach aber effektiv.

Auch an der externen Kabelverlegung hat man noch ein wenig getüftelt und durch verschiedene Kunststoffelemente eine noch cleanere und einfacher zu verlegende Option gefunden. Und während ich beim Saturn-11 noch die eingeschränkte Reifenfreiheit angemerkt und moniert hatte, scheint dies beim Saturn-14 bereits behoben zu sein. Hier hat man dem Hinterbau offenbar doch ein paar Millimeter extra spendiert.

Was die Geometrie angeht, ist das Saturn-14 natürlich noch ein stück aggressiver und laufruhiger ausgelegt als sein kleiner Bruder. Mit einer effektiven Oberrohrlänge von 648 mm, einem Reach von 500 mm (beide in Rahmengröße L) und einer Kettenstrebenlänge von 446 mm, dazu einem sehr flachen 65,5° Lenkwinkel und einem 76,5° Sitzwinkel bleibt es der Geolotion Philosophie durch und durch treu und und bewegt sihc damit wieder einmal am Limit dessen was man  für die neue Bikekategorie „Downcountry“ sonst so kennt – solche Werte würden so derzeit eher an einem Enduro suchen.

Insgesamt ist auch das Saturn-14 ein Bike, das plakativ zur Schau stellt, wofür NICOLAI bekannt und berühmt ist: Die hohe Kunst des Fahrradrahmenbaus in Alu, gepaart mit sexy Frästeilen und seit ein paar Jahren mit den wohl progressivsten Geometrien für die jeweiligen Federwegsklassen. Mit einem Rahmenpreis von 2499.- Euro (ohne Dämpfer) und individuell und komplett  nach Wunsch aufgebauten Komplettbikes ist das Saturn-14 sicher kein Schnäppchen, aber das waren NICOLAI Bikes bisher noch nie.

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Fahreindrücke

Aber wie fährt sich das neue Saturn-14? Wie angekündigt hatte ich die Gelegenheit ein Testbike in Rahmengröße Lmit einer sehr hochwertigen und vielseitigen Ausstattung auf eine Runde um Bruneck und den Herrensteig am Kronplatz zu entführen und dabei zu sehen, was es so kann. Wie der regelmäßige Leser weiß, komme ich persönlich sehr gut mit langen und flachen Bikes zurecht. Es gab bisher noch kein NICOLAI Geolution Bike, das mich nicht begeistert hat. Aber wie fährt sich das aufgebohrte XC-Bike wenn es hart zur Sache geht, wie am Herrensteig? Schafft es bergab den Spagat zum schon sehr potenten Ion G13, das es in naher Zukunft ablösen wird … oder ist es am Ende doch eher ein langhubiges XC-Bike?

Wie ich schon auf den ersten Metern feststelle durfte, ist das neue Saturn-14 einfach nur saugut! Es hat keine drei Kehren gedauert, da hatte ich meine Kollegen weit hinter mir gelassen und hatte mich schon perfekt an das Bike gewöhnt. Es ist jedes Mal faszinierend für mich, zu erleben wie „ehrlich“ sich die NICOLAI Bikes fahren – keine versteckten Eigenheiten oder Überraschungen im Grenzbereich, sondern einfach nur eine in jeder Situation perfekt berechenbares Handling. Egal ob im Flowtrail oder über richtige Rumpelstrecken war das Saturn-14 für mich ein richtig gute Trail-Bike. Die CONTI Mountain King 2.3 Reifen zeigten mir zwar hin und wieder doch Grenzen auf, wenn ich dem Saturn zu sehr die Sporen gegeben habe, aber unterstütz durch die laufruhige Geo hatte ich mit dem Saturn-24 keinerlei Probleme es schnell wieder einzufangen und auch mit federwegsstärkeren Bikes locker Schritt zu halten.

Und auch wenn das Bike in richtig engen Spitzkehren ein wenig aktiver gefahren werden muss (es ist einfach ein langes Bike J), beginnt man spätestens in richtig technischem oder steilem Gelände zu staunen, wie viel subjektive Sicherheit  und Gelassenheit einem das  Saturn-14 vermittelt. Bergab würde ich sagen, dass das Saturn-14 schon sehr nahe ans Ion G-13 kommt. Aber beim Biken geht es ja nicht nur ums Bergabfahren. Auch wenn die von uns gewählte Teststrecke überwiegend Tiefenmeter und technische Trails beinhaltete, waren doch auch immer wieder längere Gegenanstiege und Transfers zu fahren. Auch dabei hat sich schnell gezeigt, dass das Saturn-14 weiterhin in Saturn ist und auch in Sachen Vortrieb richtig was kann. Mit einem runden Tritt geht das Saturn-14 beinahe genauso effizient nach vorne wie sein kurzhubiger Bruder und zeigt, wie viel XC-Gene doch noch in ihm stecken. Erst im ungestümen Wiegetritt beginnt das Heck zu wippen, aber mit dem gut erreichbaren Plattformhebel am Dämpfer ist auch das im Nu behoben und man kann unbeirrt Höhenmeter sammeln.

Zugegeben, mit gewogenen 13,35 kg ist auch unser edel ausgestattetes Testbike kein Leichtgewicht mehr, aber wie schon oft an der Stelle gesagt: Leichte Bikes sind gut, aber ich nehme bereitwillig ein paar Pfunde mehr in Kauf, wenn die Geometrie so gut passt und es mir ermöglicht vollkommen unverkrampft auch steile Passagen bergauf zu treten … und hierbei gehört das Saturn-14 zweifelsohne zu einem der für meinen Geschmack besten Bikes.

Während ich anfangs noch etwas skeptisch war, wie gut die Kombination aus Saturn und mehr Federweg funktionieren würde, kann ich nach dem Kurztest ehrlich sagen, dass es mich richtig überzeugt hat – ein ungemein vortriebsstarkes Trailbike, mit dem man vom Marathon bis hin zum technischen Alpencross alles fahren kann. Für meine Art zu fahren und meine Trails ein extrem guter Allrounder von der deutschen Edelschmiede.

RIDE ON,
c_g