POLE Evolink 158 (Rahmenkit) – Vorstellung/Testintro: von c_g

Der Winter hat auf unseren Test-Trails Einzug gehalten und damit eine Zeit, in der wir euch nicht mehr ganz so regelmäßig mit spannenden Tests versorgen können. Damit es euch (und uns J) aber nicht langweilig wird, haben wir aber schon ein Aufbau-Projekt am Start, das wir in der hoffentlich nur kurzen Zwangspause vorstellen werden. Den Anfang dazu macht der Rahmen – ein POLE Evolink 158.

Das POLE Evolink gehört zu den Vorreitern inn Sachen progressiver Geometrie. Auch das Enduro Evolink 158 ist eine staatliche Erscheinung.

Wer unserer Site regelmäßig liest, oder sich generell für progressive Bikes interessiert, weiß was und wer POLE ist: Eine finnische Boutique-Bikemarke unter der Führung des bike-begeisterten Industriedesigners und Querdenkers Leo Kokkonen die nicht nur den Begriff „progressive Bike-Geometrie“ neu definiert haben, sondern ganz nebenbei auch noch eine komplett eigene Kinematik besitzen. Seit letztem Jahr stemmt man sich mit den in der eigenen Fabrik gefertigten und aus massiven Alublöcken CNC-gefrästen Machine Rahmen gegen den aktuellen Carbon-Trend (wir berichteten in den Best-Of’18 darüber). Wir haben zwar keinen Machine Rahmen zum Test, dafür aber das klassisch aus Rohren und Schmiedeteilen gefertigte Gegenstück mit nahezu identischer Geometrie und Kinematik, das POLE Evolink 158.

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KONSTRUKTION & DESIGN

Nicht nur aus dieser Perspektive wirkt der Rahmen richtig lang und gestreckt …

Schon auf den ersten Blick erkennt man, dass es sich bei dem Bike nicht um ein normales 08/15-Bike handelt sondern etwas Außergewöhnliches. Alles an diesem Rahmen aus 7005 T6 Alu scheint anders und eigenständig zu sein, egal wo man hinsieht. Obwohl viel Hydroforming am Werk war, wirkt der Hauptrahmen mit seinen geraden Profilrohren sehr kantig, fast schon sperrig. Das einzige echte Rundrohr ist der Sitzrohrstummel, der aber schon wenig unter dem Kreuzungspunkt zum Oberrohr  endet und deswegen eine große vordere Abstützung braucht. Nach unten setzt sich das Sitzrohr in zwei geteilten Rohren fort, die sich um den mittigen Dämpfer winden. Der mächtig wirkende Tretlagerbereich ist ein einziges großes und maximal steifes Schmiedeteil in dem sich die Kinematik abstützt und in dem das geschraubte BSA-Tretlager sitzt.

Auch an der Front geht POLE mit einem 135 mm langen konischen Steuerohr (übrigens bei allen Rahmengrößen gleich ) einen anderen Weg als heute üblich und schafft damit viel Platz um das Ober und Unterrohr möglichst steif zu verbinden. Optisch nicht wirklich schön gelöst ist die obere Dämpferaufnahme aus zwei dicken Alublechen, die ans Oberrohr geschweißt sind. Ach ja, Ösen und Gewinde für Flaschenhalterungen gibt es sowohl auf der Ober- wie auch der Unterseite des Unterrohrs.

Die Kinematik ist eine Eigenentwicklung von POLE und hat einen unteren hauptdrehpunkt, der um das Tretlager rotiert. Die Strebe auf der linke Seite sorgt für zusätzliche Steifigkeit im Hinterbau.

Der Hinterbau mit virtuellem Drehpunkt selbst ist, wie schon gesagt, eine Eigenentwicklung von POLE. Das System besteht aus einem festen einteiligen Hinterbau und zwei kurzen gefrästen Umlenkhebeln. Der untere Umlenkhebel dreht sich konzentrisch um das Tretlager – oder genauer gesagt, wird das Tretlager direkt in den Umlenkhebel geschraubt, der wiederum mit mächtigen Industrielagern im Rahmen sitzt. In diesen Umlenkhebel integriert ist auch die ISCG05 Aufnahme.

Erwähnenswert ist auch die mit 29x 2,8“ (oder 27,5×3,0“) angegebene Reifenfreiheit des Hinterbaus.

POLE gibt für den Rahmen, der nur für 1-fach Schaltungen ausgelegt ist eine maximale Kettenblattgröße von 36-Zähnen an … mehr als ich je fahren will und werde. Der obere Umlenkhebel stützt sich nur wenig oberhalb ab und ist über den eigentlichen Dreh-punkt hin verlängert, wo die hintere Dämpfer-aufnahme sitzt. Aufgrund der damit sehr kleinen Abstützung muss dieser Bereich auch besonders steif ausfallen um den Hinterbau ausreichend zu stabilisieren.

Dass der Hinterbau mit seinen großen Ovalrohren und der Versteifungsstrebe sehr steif ist, erkennt man sofort. Eine Besonderheit des Systems ist auch die Klappfunktion des Rahmens: Allein durch Aushängen von zwei Schrauben kann man den Hinterbau nach vorne klappen und so den Rahmen bemerkenswert klein zusammenklappen – etwa für den platzsparenden Transport bei Flugreisen. Sie funktioniert allerdings nur dann ohne weiteres, wenn man die Leitungen ausreichend lang und um das Tretlager herum verlegt. Der Hinterbau ist für 148 mm Boost Naben vorgesehen, kann aber durch zusätzliche, dickere Ausfallenden auch mit 142 mm Naben gefahren werden – ein Feature, das POLE die „Boost Brothers“ nennt. Statt der heutzutage üblichen PM-Bremssockel findet man am Evolink noch eine IS-Aufnahme.

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ZUGVERLEGUNG

Eine Besonderheit des Rahmens sind auch die vielfältigen Möglichkeiten der Zug-/Leitungsverlegung. Wer sich den Rahmen genauer anschaut findet an jeder dafür in Frage kommenden Stelle sowohl Einlässe für eine interne, wie auch Anlötteile und Klemmmöglichkeiten für eine externe Verlegung. Die diversen Kleinteile sind natürlich auch im Lieferumfang enthalten. Wer will, könnte sogar eine Dropper mit externer Anlenkung intern im Oberrohr verlegen. Mit diesem Rahmen kann man also frei entscheiden welchen Weg man gehen will – optisch aufgeräumt intern oder lieber funktionell und schnell zu wechseln extern.

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GEOMETRIE

Nachdem die Rahmenkonstruktion besprochen ist, sollten wir aber unbedingt einen Blick auf die extravagante Geometrie des POLE Evolink 158 werfen – das wie kaum ein anderes den „Longer, Lower’n Slacker“ Trend vertritt. Schon in 2015, also lange bevor derartige Geometrien salonfähig wurden und von größeren Herstellern adaptiert wurden, hatten POLE und NICOLAI (und MOJO) parallel und unabhängig voneinander die Idee, dass die Mountainbike-Geometrien noch viel Spielraum für Verbesserungen lassen. Nach vielen Experimenten und Versuchen kam man darauf, dass noch flacheren Lenkwinkeln und deutlich steilere Sitzwinkel in Kombination mit längeren Hauptrahmen und langen Hinterbauten sowohl im Downhill, wie auch im Uphill diverse Vorteile bringen: Viel Spielraum für den Fahrer zur Schwerpunktverlagerung im steilen Down- wie auch Uphill,  eine hohe Laufruhe die Sicherheit für jeden Fahrer bringt und Rennfahrern damit die Möglichkeit noch schneller zu fahren. Heute weitgehend akzeptierte Philosophien, doch vor 3 Jahren wurden POLE und NICOLAI dafür noch ausgelacht …

Geometrietabelle des POLE Evolink 158 – zum Vergrößern anklicken.

Im Fall des POLE Evolink 158 in meiner Rahmengröße Large handelt es sich um ein richtig langes Bike. Der Radstand liegt bei aberwitzigen 1328 mm– das sind immer noch fast 8 cm mehr als das zuletzt gefahrene SCOTT Ransom 900 tuned (in Large) oder das LAST Glen in XL! Diese Länge kommt einerseits von dem flachen 64° Lenkwinkel, dem langen Hautrahmen (mit einer effektiven Oberrohrlänge von 644 mm und einem Reach von 510 mm!!) und auch durch den langen Hinterbau mit 455 mm Kettenstreben. Durch den sehr steilen Sitzwinkel von effektiv 78°, soll das Gewicht dennoch zentral und die Sitzposition nur moderat gestreckt bleiben. Interessant ist noch die Tretlagerabsenkung, welche beim Evolink 158 mit -17 mm relativ gering ausfällt. Wie gesagt – damit sitzt das POLE Evolink ganz weit im Extermbereich der aktuellen Bike-Geometrien.

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FEDERWEG und GEWICHT

Mit einem nominellen Federweg von 158 mm am Heck ist der Rahmen für Gabeln zwischen 160 und 180 mm ausgelegt. Alle oben angegebenen Werte basieren auf einer 170 mm Referenzgabel mit 581 mm Einbaulänge.


Wie schon mehrfach angeklungen ist es eine echte Herausforderung einen derart langen Rahmen noch steif genug zu bekommen. Im  Fall des Evolink nutzt POLE dafür neben konstruktiven Kniffen wie große Kontaktflächen und Schmiedeteilen auch die Rohrwandstärken, die in diesem Fall von DH-Bikes stammen. Mit diesem Wissen ist es auch wenig verwunderlich, dass der Evolink 158 Rahmen (in Größe Large und mit seinem ROCK SHOX Monarch Plus Dämpfer in 216 x 63 mm und der Steckachse) auf stattliche 4,45 kg Gesamtgewicht bringt.Damit liegt unser Testmunter doch recht ordentlich über dem weg, was POLe selbst auf der Homepage angibt, nämlich 3,6 kg (mit Kleinteilen, aber ohne Dämpfer). Mit einem 450 g Gewicht des Dämpfers müsste das Kit demnach nur knapp über 4 kg liegen … Andererseits gehöre ich zu den Fahrern, die das Gewicht nur als einen Faktor unter vielen sehen, und bei weitem nicht den wichtigsten.

Nicht nur mit seiner Geometrie ist das POLE Evolink ein extremes Bike auch im Rahmengewicht stellt es die meisten anderen Bikes in den Schatten – der Rahmen wiegt mit Dämpfer und Steckachse stolze 4,45 kg.

Damit ist das POLE Evolink 158 mit Abstand der schwerste Rahmen den wir bei TNI bisher getestet haben – mit einem hochwertigen Aufbau sollten aber dennoch ein Gewicht um die 14 kg drin sein. Auf die Rückfrage hin, warum der Rahmen so schwer ist, kam die einfache und pragmatische Aussage:

Wir hätten den Rahmen mit dünneren Rohren durchaus ein paar hundert Gramm leichter machen können, aber uns ist die Robustheit, Steifigkeit und Fahrperformance wichtiger, als das Gewicht. Wer unbedingt ein leichtes Bike will, kann das Evolink mit leichten High-End Komponenten durchaus auf sehr gute Gewichte trimmen und erhält so ein rundum besseres Bike. Wir haben viel ausprobiert und sind zu dem Ergebnis gekommen, dass dies der beste Kompromiss ist. Andernfalls würde immer die Fahrqualität leiden. Dafür kannst du das Evolink aber auch bedenkenlos im Bikepark fahren.“  

(Leo Kokkonen, Gründer, Entwickler und Designer von POLE CYCLES)

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VERSIONEN & PREISE

Aktuell gibt es das Evolink 158 in vier Rahmengrößen von S bis XL, womit POLE eine Fahrergrößen-Spektrum von 160 bis über 195 abdecken will. Neben dem hier gezeigten ROCK SHOX Luftdämpfer bietet POLE seine Bikes neuerdings auch mit EXT Stahlfederdämpfern an. Die Preise des Rahmenkits liegen bei 2150.- Euro mit RS Monarch Luftdämpfer beziehungsweise 2450.- Euro mit dem EXT Stahlfeder-Dämpfer. Daneben gibt es noch zwei Komplettbike-Modelle zu 4300.- Euro (Evolink 158 TR) und 5800.- Euro (Evolink 158 EN).

Neben den bisherigen drei Standardfarben (Schwarz wie unser Testrahmen, Hellblau und Gelb) stehen mit der nächsten Charge von Bikes insgesamt 14 Rahmenfarben zur Auswahl und bieten damit noch mehr Raum für individuelle Aufbauten – der geplante Auslieferungstermin hierfür ist Februar’19.

Hier das POLE Evolink in seiner ersten Aufbauphase mit allerlei bereits vorhandenen Testprodukten und Komponenten-Favoriten.

Der Rahmen ist mittlerweile aufgebaut und steht bereit für den Testeinsatz, ein gesonderter Artikel mit den Spezifikationen und Details des Komplettbikes folgt in den kommenden Tagen. Ganz ehrlich – auch wenn ich es mittlerweile gewohnt bin lange Bikes mit flachem Lenkwinkel zu fahren, bin ich doch sehr gespannt, wie sich die noch mal progressivere Geometrie des POLE Evolink 158  fährt … auch wenn die Wettervorhersage mit erneutem Schneefall nicht ganz so vielversprechend ist aussieht.

RIDE ON,
c_g

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Die anderen POLE 29er Fullies:

Der Vollständigkeit halber möchte ich aber auch die anderen POLE Fully-Modelle nicht unerwähnt lassen:

Das All-Mountain Evolink 140 (hier im Kurztest aus Riva’16), das Trailbike Evolink 131 (Bild oben links) und das XC-/Trailbike Evolink 110 (von OLI auf denEurobike Media Days’16 bereits kurz gefahren)– jedes für sich und in seiner Federwegsklasse sehr progressiv. Darüber hinaus gibt es natürlich noch die beiden CNC-gefrästen Modelle Machine (Bild oben Mitte) und das Stamina (oben rechts) die beide preislich in einer ganz anderen Liga spielen. Wie gesagt, ist das hier vorgestellte Evolink 158 in seiner Geometrie und Kinematik fast identisch zum Machine während das Stamina, noch einen Schritt progressiver und race-lästiger ausfällt sowie 180 mm Federweg am Heck besitzt.