NORDEST Sardinha (Rahmenset) – Testfazit: von Oli
(bisher hierzu erschienene Artikel: NORDEST Sardinha – Testintro und Erste EindrückeZwischenstand)

In der finalen Phase des Tests habe ich das NORDEST Sardinha noch mit der eigenen Starrgabel aufgebaut und plötzlich ein ganz anderes Bike gehabt …

Gerade weil sich das MORDEST Sardinha als Trailhardtail so gut gemacht hatte, war ich anfangs gar nicht so recht die motiviert es auf starr umzubauen. Das Schöne an Hardtails ist für mich jedoch, dass sie so enorm vielseitig sind und selbst kleine Änderungen am Aufbau aus einem Rad gleich etwas komplett anderes machen. Außerdem – wenn ein Bike schon mit seiner eigenen Starrgabel kommt, dann wäre der Test ohne dies einfach unvollständig gewesen.

Die Stahl-Starrgabel des Sardinha hat einen durchgehenden 1 1/8“ Gabelschaft während das Steuerrohr ja zeitgemäß konisch ist. Ich nehme an, dass dies fertigungstechnisch bedingt ist um die schlanken Gabelschneiden einfacher an den Gabelschaft anzubinden, denn ansonsten ist das Rad an so vielen Ecken sehr gut durchdacht. Weil ich mir die Möglichkeit eines schellen Wechsels wieder zurück auf die Federgabel offen halten wollte, habe ich mich entschieden die Gabel mit einem Reduktionskonus zu versehen. Beim Blick auf die anderen Details der Starrgabel fällt auf, dass sie sehr wohl durchdacht ist: Die Gabel ist straight (darauf komme ich unten noch einmal zu sprechen), hat eine 110×15 Steckachse und besitzt mehr als genug Möglichkeiten für die Montage von Gepäckträgern und Schutzblechen aller Art. Sogar an die drei Gewindeösen auf jeder Seite für die beliebten Anything Cages, die übergroßen „Falschenhalter“ an denen man leichte Taschen mittels Gurt befestigen kann, wurde gedacht. Auch was die Reifenfreiheit angeht, ist die Sardinha Starrgabel sinnvoll ausgelegt. Ich habe es zunächst beim 29×2.6er Rekon belassen, bin aber später auf einen 29×3.0 Reifen umgestiegen.

Neben der Gabel hab eich noch das Cockpit und die Sattelstütze komfortabler gemacht und mehr auf Bikepacking/Touring ausgelegt.

Des Weiteren wollte ich – passend zum starren Aufbau – auch eine etwas aufrechtere Tourenorientierte Sitzposition umsetzen, was ich mit einem 10 mm kürzeren Vorbau und dem Jones H-Bar erreicht habe. Und noch einen Schritt habe ich umgesetzt: Je tourenlastiger – und vor allem, wenn es ein Stahlrahmen ist – ein Aufbau bei mir ist, desto lieber baue ich bei Hardtails eine schlanke Sattelstütze ein. Dies vor allem, um den Komfort zu erhöhen, denn eine schlanke Stütze bringt immer noch ein kleine Quäntchen Komfort durch ihren Flex mit, speziell bei meinen 85 kg Lebendgewicht und dem langen Sattelstützenauszug, wie er auf den Bildern immer wieder gut zu erkennen ist. Ein kleines Detail sei noch erwähnt: Da ich die schwarze Boost-Kurbel aus dem Intro für ein anderes Rad gebraucht habe, musste kurzfristig Ersatz her. Im Keller hatte ich noch eine ältere Non-Boost Dreifach SHIMANO XT Kurbel, umgebaut auf zweifach mit 22×36 liegen. Überraschenderweise passt das mit zwei Spacern auf der Drive Side ebenso einwandfrei.

 

Vergleicht man beide Aufbauten (oben links als Bikepacking-Starrbike und rechts als Trail-Hardtail) sind die unterschiedlichen Grundcharaktere des Bikes bereits optisch erkennbar. Derart umgebaut fuhr sich das NORDEST natürlich auch anders., ich würde sogar sagen radikal anders. Nach meiner ersten Ausfahrt nach dem Umbau zwar von der neuen, aufrechteren Sitzposition sehr angetan, denn sie passte aus meiner Sicht ideal zum Bikepacking-Gedanken, hatte aber auf meinen Hometrails aber plötzlich mit technischern Passagen zu kämpfen. Auf den Forstwegen fühlte es sich agiler an, doch auf den Trails? Auf diesen Trails kenne ich beinahe jede Wurzel, jeden Stein und bin sie mit dem Trail-Sardinha ja auch schon viele Male gefahren, aber jetzt musste ich auf einmal hoch konzentriert fahren und mich am Lenker festhalten, um nicht vom Rad geworfen zu werden. Das zuvor noch gewohnte Tempo mit Federgabel ließ sich kaum aufrecht halten. Im Vergleich zu vorher gefahrenen Bikes fuhr sich die starre Sardine deutlich (!) direkter, als ich es kannte. Dazu tragen sicher mehrere Aspekte bei: Der durch die geringere Bauhöhe der Gabel steileren Lenkwinkel, der sehr steife Stahlrahmen (sicher auch gefördert durch den Boost Achsstandard vorne und hinten und dann auch noch die gerade Bauweise der Gabel.

Mit Starrgabel war das Bike deutlich agiler, aber auch fordernder auf Trails.

Auffallend und sehr positiv war die durch die veränderte Geometrie noch einmal deutlich verbesserte Kletterfähigkeit des Sardinha. Trotz leichtere Gabel und gefühlt aufrechterer Sitzposition blieb die Front des Hardtail deutlich länger am Boden als noch mit der Federgabel und war damit gleich doppelt gut im Uphill. Jegliche Aufbäumtendenzen, die ich vorher gespürt und in dem Test ja auch angesprochen hatte, waren komplett verschwunden. Das Bike klettert wie der Teufel. Alles in allem war das NORDEST Sardinha mit Stattgabel eine Wucht um damit auf Gravel-Strecken dahinzuheizen, es aber auf Trails bedurfte es so schon einer sehr aufmerksamen Fahrweise um mehr als ein Genießertempos hinzulegen und  die Line sauber halten zu können.

 

Offen gesagt war mir diese Konfiguration einfach zu direkt und anstrengend und deshalb habe ich bereits nach zwei Tagen eine weitere Umbaumaßnahme vorgenommen, die ich bis heute nicht bereue: Ich habe vorne auf einen echten 29+ Reifen in 3,0“ Breite umgerüstet und damit das Bike am Limit dessen gefahren, was der Rahmen nach Angaben der NORDEST Webseite verträgt – vorne 29×3,0“ und hinten 29×2,6“. Und tatsächlich, alles passte sehr gut und noch mit genügend Luft für eventuelle Schlammpackungen. Großartig!

Der simple Umbau auf einen 3,0″ breiten 29er Reifen vorne hat dem vorher sehr direkten Bike wieder mehr Komfort und Gutmütigkeit eingehaucht – ideal für meine Isartrails.

Und schon auf den ersten Trail-Metern hat sich gezeigt: Dieser Schritt hat sich gelohnt! Plötzlich war es wieder ein richtig gutes und gutmütiges Bike. Genau wie ich es mir erhofft hatte: Direkt im Trail aber immer noch ausreichend komfortabel und vor allem mit unendlich viel Traktion dank des MAXXIS Rekon 2,6“ hinten und des Chronicle 3,0“ vorne. Ich hätte nicht erwartet, dass sich der Sprung von 2.6“ auf 3,0“ so deutlich auf den Komfort auswirken würde. Ich kam mir fast vor wie auf einer Starrversion des vor zwei Jahren gefahrenen Liteville H3 vor, das zwar als 27,5+ Bike ausgeliefert wurde, das mir aber mit einem 29er Vorderrad noch besser gefallen hat.

Mit dieser sehr gelungenen Kombination aus Komfort und Sorglos-Bike habe ich noch viele herbstliche Ausfahrten genossen.

Ab da habe ich wieder jeden Sonnenstrahl genutzt, habe jede freie Minute genutzt um über die Trails zu jagen und wollte kaum mehr heim. Natürlich fährt sich das Sardinha Starrbike auch mit dem 29+ Vorderrad anders als mit der MANITOU Magnum Pro Federgabel, aber für eine Mischung aus Trail-Einsatz und Bikepacking-Touren halte ich diese Konfiguration für eine sehr gute Option. Man spart Gewicht, hat enorm viele Optionen für die Montage von Gepäckträgern oder Anything Cages und es ist natürlich weniger defektanfällig.

Ob auf Bikepacking getrimmtes Starrbike oder mit Federgabel als Trail-Hardtail – das NORDEST Sardinha ist in beiden Aufbauten ein sehr gelungenes Rad.

Testfazit: Die „Sardinha“ ist das, was MORDEST versprochen hat – ein unglaublich vielseitiges Bikepaking-Hardtail mit hervorragenden Trailqualitäten. Gerade mit großvolumigen Reifen ist das NORDEST Sardinha für mich eine echte Allzweckwaffe, oder wie man bei uns sagt, „die eierlegende Wollmilchsau“ für alle Bikepacking-intressierten Mountainbiker. Ein Bike, für alle die nur ein Rad für alles haben wollen, Trails nicht scheuen und gerne lang unterwegs sind. Mit einer 100-mm Federgabel ist es Bike, das auch schwere Trails gelassen meistert, und mit der Original-Starrgabel eignet es sich durch seine vielseitigen Anbaumöglichkeiten ideal für lange Bikepacking-Touren mit am Rahmen befestigten Taschen. Aufgrund seiner langstreckentauglichen Geometrie würde ich es mit schmaler, schneller Bereifung, Gepäckträger hinten und Lowrider vorne auch jederzeit für klassische Radwanderungen und Radreisen hernehmen. Auch mit Stahlrahmen ist es enorm steif, was dem Bike ein direktes Handling vermittelt und auf Gravel-Strecken für sehr guten Vortrieb sorgt. Wer in gröberem Gelände unterwegs ist, sollte auf einen großvolumigeren Reifen vorne umsteigen oder direkt eine Federgabel einbauen.

OLI