TANTRUM Shinning 2.0 – Update: von c_g

Es ist mittlerweile schon fast einen Monat her, dass ich euch zuletzt von dem TANTRUM Shinning berichtet habe. Damals war der Status (neben ein paar frühen Beobachtungen), dass der  Hauptrahmen ausgetauscht werden musste weil er ganze 3 cm zu kürzer geraten war als in der Geomtrietabelle angegeben. Die Tausch ist mittlerweile erfolgt und das Bike – ich nenne es TANTRUM Shinning 2.0– ist mit einem neuen, jetzt blauen Hauptrahmen, sowie ein paar neu hinzugekommenen Testprodukten wie der BIKEYOKE Revive 185 Dropper Stütze sowie ein paar Accessoires (SQ-LAB Griffe, FIDLOCK Flasche, EFFETO MARIPOSA Shelter Tape, …) wieder im aktiven Testeinsatz.

Der Aufbau des Bikes lief bis auf eine Besonderheit vollkommen problemlos. Alle Passungen waren sauber gearbeitet und bis auf eine nicht ganz tadellose Lackqualität, gibt es nichts, was ich beanstanden könnte. Der einzige echte Stolperstein sind die sehr ausladenden Kettenstreben, die auch bei optimal gespacertem Tretlager sehr wenig Raum für die Kurbelarme lassen. Im kraftvollen Wiegetritt kam es mit meiner SRAM X01 Eagle Kurbel immer wieder zu Kontakten zwischen der rechten Kurbel und der Kettenstrebe. Mit eine alternativen Kurbel, in meinem Fall eine TRUVATIV Descendant Carbon, die ein paar Millimeter breiter baut und etwas steifer ist, ist dieses Thema zwar nicht vollkommen gegessen (Bild unten rechts), aber die nur noch sehr seltenen und minmaln Kontakte sind in der Praxis nicht mehr zu spüren. Ein paar Millimeter schmälere Kettenstreben wären hier meiner Ansicht nach eindeutig besser gewesen. Die würden auch der Flexibilität bei der Wahl der Kettenblätter zugute kommen, denn auch hier setzten die ausladenden Streben selbst bei einem Boost Kettenblatt ein Maximum bei ca. 34 Zähnen … was für mich zwar absolut in Ordnung geht, manch anderen Fahrern aber zu wenig sein könnte.

  

Ich verstehe, dass Brian bei der Entwicklung des Bikes viel Wert auf eine sehr große Reifenfreiheit gelegt hat, aber in diesem Fall hatte es die kontraproduktive Folge, dass man nicht mehr alle Kurbeln auf dem Rahmen fahren kann. Allerdings darf ich an der Stelle nicht vergessen anzumerken, dass TANTRUM um dieses Defizit der ersten, bereits ausverkauften Kickstarter-Kleinserie weiß (genauso wie das Thema mit den zu kurz geratenen Hauptrahmen) und angekündigt hat, das bis zum für diesen Herbst geplanten 2. Generation zu beheben – für potentielle Interessenten an dem Bike, ist die Kurbelproblematik also lediglich eine Randbemerkung.

Mit dem längeren Hauptrahmen und nur minimal veränderten Komponenten wurde das TANTRUM Shinning 2.0 Komplettbike ein wenig schwerer und kommt jetzt auf weiterhin vertretbare 14,05 kg (ohne Pedale uns sonstiges Zubehör). Wenig überraschend ist, dass auch der größere TANTRUM Rahmen ordentlich steif ist. Durch die groß dimensionierten Industrielager in allen Drehpunkten und die robuste Konstruktion hält sich der gesamte Rahmenflex sehr in Grenzen.

Schon beim ersten Aufsitzen auf dem neuen TANTRUM 2.0 war klar, dass der neue längere Hauptrahmen mit einer effektiven Oberrohrlänge von gemessenen 640 mm mir viel besser passt und es mir im Gelände viel leichter macht. Kombiniert mit einem kurzen Cockpit (zwischen 40 oder 60 mm – ich bin noch am experimentieren) ergibt das eine deutlich längere, aber noch nicht gestreckte Sitzposition mit einer für mich sehr natürlichen Haltung und Gewichtsverteilung. Gerade im Uphill ist diese Sitzposition gefühlt viel effizienter und erlaubt es mir ohne große Gewichtsverlagerung auch steile Ansteige zu erklimmen. Bergab war vor allem die höhere Flexibilität, was die Position auf dem Bike angeht, sehr deutlich spürbar und willkommen. Während das Bike vorher mit seinem gerade mal 65° flachen Lenkwinkel schon recht laufruhig war, fühlt es sich jetzt – mit der passenden Rahmengröße – zugleich auch um Welten gutmütiger und damit „sicherer“ an. Schon auf der ersten Ausfahrt, habe ich damit die schwierigsten Trails und Features, die es auf meinen üblichen Hometrails gibt, ganz locker gefahren bzw. gesprungen.

Das bereits bei den ersten Eindrücken kommentierte hohe Tretlager (der BB Drop von nur 6 mm ergibt bei mir eine stattliche Tretlagerhöhe von 365 mm mit den 2,4″ Reifen,) ist ein Punkt, der für manchen Biker wohl etwas ungewohnt sein dürfte. Ein so hohes Tretlager nimmt auch immer etwas von dem „Im Bike“ Feeling weg, aber gerade auf meinen oft groben Wurzel-Uphhills fand ich es garnicht so unangenehm nicht mehr darauf achten zu müssen jede Pedalumdrehung mit dem vor mir liegenden Gelände zu synchronisieren. Zur Ehrenrettung des hier zum Test stehenden Rahmens muss ich aber auch anmerken, dass ich zum Teil auch selber dafür verantwortlich bin, weil die Front meines Bikes durch den speziellen Aufbau (ein CANE CREEK Angleset mit 12 mm hoher externern Schale samt einer 170 mm Gabel) auch etwas höher baut, als sie es mit einer 160 mm Gabel und einem Zero-Stack Steuersatz täte, wie es TANTRUM vorschlägt. Aber wie beschrieben, komme ich bisher recht gut mit diesem Aufbau zurecht. Außerdem hat Brian von TANTRUM mir versichert, dass er bereits an neuen 29er Ausfallenden arbeitet, die genau das optimieren. Die aktuell noch im Test befindlichen neuen Ausfallenden werden zwar die Kettenstreben etwas verlängern, aber dafür das Tretlager tiefer bringen und zugleich natürlich auch die Winkel noch ein wenig abflachen.

Gerade im direkten Vergleich zum CUBE Stereo 150, das ich ja parallel zum Shinnning 2.0 fahre, ist der Unterschied in Sachen Tretlagerhöhe und Handling ziemlich deutlich. Obwohl sich das TANTRUM durch seine Länge und laufruhigere Geometrie ruhiger anfühlt, generiert das CUBE durch seinen BB-Drop von immerhin 35 mm trotz agilerer Winkel und kompakter Bauweise ein ähnliches Maß an Sicherheit und Gutmütigkeit. Bisher kann ich wirklich noch nicht sagen, welches der beiden Bikes mir besser gefällt. Ich vermute, dass es diesbezüglich gar kein echtes „besser“ gibt und es viel mehr von dem Fahrstil, dem Gelände und solchen Dingen abhängt. Richtig gute Bikes sind sie beide. Aber ich habe ja mit beiden Bikes noch ein wenig Zeit …

 

Das Setup des TANTRUM Shinning 2.0 ist im übrigen recht einfach, nur sollte man darauf achten auch wirklich den effektiven SAG auszumessen statt ihn nur visuell zu bestimmen. Durch den tief im Unterrohr sitzenden Dämpfer wirkt er nämlich deutlich kürzer und man neigt dazu den relativen SAG viel größer einzuschätzen, als er es wirklich ist. Nach einigem Experimentieren zwischen 25 und 35% SAG fand ich den Hinterbau mit knapp unter 30% als den für mich besten Kompromiss. So eingestellt kann der Hinterbau wirklich eine Menge wegstecken und bleibt doch im Antritt sehr ruhig. An sich würde ich das Bike sogar gern noch ein wenig weicher fahren, aber dann neigt der Dämpfer leider dazu etwas zu oft durchzuschlagen.

Den Weg hier einfachen einen oder zwei Spacer in der Positivkammer hinzu zu fügen, kann man leider nicht mehr gehen, denn die Kinematik des Hinterbaus macht es wohl erforderlich, dass bereits ab Werk die Maximalzahl an Spacern verbaut ist.  So bleibt mir bisher nur die Möglichkeit den Dämpfer mit etwas mehr Druck zu fahren. Alternativ könnte ich intern auch die High-Speed-Druckstufendämpfung erhöhen oder eben einen anderen Dämpfer ausprobieren, wobei ich den DVO Topaz bisher als sehr fähig erlebe. (Korrektur: Brian hat mir dazu mitgeteilt, dass es mit anderen Spacern sehr wohl die Möglichkeit gibt, die Progression noch etwas zu erhöhen).

Die Missing Link Kinematik überwindet zwar nicht die Gesetze der Physik und lässt das Bike „bergab wie ein Downhill-Bike fahren und macht es bergauf zum Hardtail“, wie TANTRUM vielleicht etwas zu vollmundig verspricht, aber der Hinterbau funktioniert wirklich bemerkenswert gut. Zum einen arbeitet das Heck auf dem Trail und im Downhill schön sensibel und aktiv, ohne je unruhig zu werden und zum anderen bleibt es im Uphill überraschend ruhig ohne je zu tief einzusinken.
Überall wo notwendig generiert der Hinterbau viel Traktion bringt sehr viel subjektive Sicherheit und hat doch bemerkenswert geringe Wipptendenzen. Erwähnenswert an der Kinematik ist, dass die über die Kette wirkenden Kräfte bestimmen, wie stark der Hinterbau beruhigt wird. Bei mittleren Kräften, also auf  nur sanft geneigten Trails nimmt man den Effekt als eher dezent, wenn überhaupt wahr. Bei maximalem Output, etwa in sehr steilen Anstiegen oder im Wiegenritt wird der Effekt aber immer deutlicher. Deswegen spüren Fahrer, die bevorzugt mit niedrigen Trittfrequenzen und mit viel Druck unterwegs sind den Einfluss des Missing Links auch stärker, als solche, die mit hohen Frequenzen und weniger Kraft unterwegs sind. Ich persönlich liege wohl irgendwo in der Mitte und empfinde das System als durchaus effektiv, aber keineswegs als dominant. In richtig steilen Passagen zieht der Kettenzug den Hinterbau sogar aktiv über den SAG-Punkt hinaus auseinander und sorgt so dafür, dass der Hinterbau tatsächlich höher im Federweg bleibt als bei anderen mir bekannten Hinterbausystemen. Während ich die Uphill-Performance mit dem zu kurz geratenen Hauptrahmen bestenfalls als „durchschnittlich bis gut“ bezeichnet hätte, gehört das nun passende TANTRUM Shilling für mich zu einem der wenigen richtig langhubigen 29er, mit dene ich bedenkenlos auch lange und richtig steile Anstiege in Angriff nehmen würde.

 

Wie so oft geht es auch beim Missing Link  um die richtige Balance der Kräfte. Im ungünstigsten Fall würde sich die Missing Link Kinematik genauso wie ein besonders hoher Drehpunkt fahren, aber hier kann ich Entwarnung geben und Brian ein großes Kompliment aussprechen. Sein System ist diesbezüglich wirklich sehr ausgewogen und sorgt so nicht nur für sehr gute Federungsperformance bergauf sondern verhilft dem Bike auch zu außergewöhnlich guten Klettereigenschaften – sitzend wie stehend.
–>Letztlich tut die Missing Link Kinematik genau das was sie soll – sie sorgt für eine sensible und aktive Federung, wann immer gewünscht und doch für eine spürbare Beruhigung wenn man sie am notwendigsten hat. In den allermeisten Situationen ist es deswegen nicht notwendig die dreistufige Plattformdämpfung des DVO Topas überhaupt zu bemühen. Ich nutze sie lediglich in sehr steilen und stufigen Anstiegen, aber nicht um das Heck hoch zu halten, sondern lediglich um dessen Aktivitäten ein wenig zu beruhigen. Aktuell würde ich die Missing Link Kinematik folgendermaßen zusammenfassen: Sie verfolgt einen anderen Ansatz als etablierte System, ist optisch ein wenig gewöhnungsbedürftig und hat mehr Lagerpunkte als andere Systeme, aber was die Performance angeht, kann sie es sehr wohl mit den besten Bikes ihrer Klasse aufnehmen. In der kurzen Zeit habe ich bereits diverse Trails und Strecken mit dem TANTRUM Shinning 2.0 gefahren, die jeden Aspekt der Federung fordern – von schnellen Wurzeltrails über Jump-Lines und alles dazwischen … und das Bike hat mich bisher in keinem Bereich je enttäuscht. Je mehr ich dem Shinning 2.0 zutraue, desto besser wurde es … und mit 160 mm Federweg am Heck und einer potenten 170 mm Federgabel an der Front kann man schon eine Menge machen :-).

  

Soweit zu dem Update der Praxiseindrücke mit dem TANTRUM Shinning 2.0. Bisher bin ich es nur in der neutralen Position des CANE CREEK Angle Sets gefahren. In der kommenden Testphase werde ich noch ein wenig mit dem Lenkwinkel experimentieren, werde das Bike noch etwas mehr fordern, evtl. auch mal damit einen Bikepark besuchen und sehen, ob ich noch irgendwo weiteres Optimierungspotential finde.

Zwischenstand: Nachdem der Test ja mit einem zu kurzen Rahmen etwas holprig begonnen hat, kann ich sagen, dass mir das TANTRUM Shinning 2.0 bisher sehr gut gefällt. Der Rahmen ist etwas schwer geraten, das Tretlager ungewöhnlich hoch und der Rahmen harmoniert nicht mit allem Kurbeln auf dem Markt, aber ansonsten ist das passend aufgebaute Bike und allen voran die Missing Link Kinematik eine durchaus ernstzunehmende Kampfansage and die großen Hersteller mit ihren etablierten Technologien. Die außergewöhnliche Kinematik vollbringt zwar auch keine Wunder, funktioniert aber bis auf die für meine  Fahrstil etwas zu geringe Progression ausgezeichnet und verhilft dem Bike zu einer beachtlichen Downhill-Performance bei gleichzeitig ungewöhnlich guten Uphill-Eigenschaften.

RIDE ON,
c_g