YETI SB5.5c – Kurztest (Praxiserfahrungen): von Ch.W.

Hammer wie das Bike abgeht, wie ein einprogrammierter Racemodus … und zwar nicht nur bergab.” So könnte ich meinen Kurztest des YETI SB5.5c zusammenfassen. Eine ganze Woche hatte ich die Gelegenheit, das edle 29er Enduro der US-Kultmarke auf den Trails im schönen Vinschgau auf den Zahn zu fühlen. In dieser Umgebung mit seinem großartigen Trailnetzwerk war es auch nicht allzu schwer, die nötigen Höhen- und Tiefenmeter zu sammeln die es braucht, um sich einen guten Eindruck über die Qualitäten des Bikes zu machen.

Dass der Kultstatus der YETI Bikes aber nicht von ungefähr kommt, zeigt sich bereits beim ersten Aufsitzen. In der für mich optimalen Rahmengröße Large habe ich mich auf dem SB 5.5c sofort wohl gefühlt. Bei einem Reach von 44,2 cm und einem Oberrohr von 62,6 cm bietet es genügend Platz für meine 183 cm bie recht normalen Proportionen. Auch wenn das Bike auf Enduro-Race ausgelegt ist, wirkt es nicht zu lang an. Gerade bei den immer länger werdenden Geometrien der progressiven Trail- und All-Mountain-Bikes mit immer längeren Hauptrahmen sehe ich hier durchaus ein Thema ab wann die Bike einfach „zu groß“ werden.

Bergauf ist es ein Leichtes, das YETI SB5.5c auf Tempo zu bringen und zu halten. Mit einem Sitzwinkel von 73,6° bleibt die Sitzposition ordentlich zentral und man hat stets ausreichend Druck auf dem Vorderrad. Bei manch einem neu entwickelten Enduro-Bike hat man das Gefühl eher „gegen den Berg“ hoch zu fahren. Bei dem SB 5.5c ist dies aber definitiv nicht der Fall und das trotz flachem Lenkwinkel mit 66,5 Grad und einer Fox 36 mit 160 mm an der Front. Keine Spur von einem„kippeligen“ Lenkverhalten.

Anders als ich es erwartet hätte, spornt das SB5.5c einen förmlich dazu an, so schnell wie möglich zum nächsten Trail-Einstieg hoch zu kommen. Was seine Effizienz angeht würde ich sagen, dass das SB5.5c es selbst mit einem straffen Tourenfully, vielleicht sogar einem XC-Fully (vorausgesetzt dies wäre genauso schwer), aufnehmen könnte. Ein Grund hierfür liegt in der eher straffen Grundabstimmung. Dadurch wirkt der Hinterbau sehr antriebsneutral und das Bike lässt sich spielerisch Richtung Gipfel bewegen. Die Dämpferplattform blieb dementsprechend bei in meinem Kurztest komplett ungenutzt. Natürlich spielen dabei das für ein derart federwegsstarkes Bike geringe Gewicht von 12,9 kg (ohne Pedale) genauso eine Rolle wie die von YETI patentierte Schwitch Infinity Link Kinematik.

Mittlerweile habe ich als Guide und Fahrtechniktrainer schon einige 29er für Allmountain/Enduro bewegen dürfen aber das YETI Sb5.5c gehört bergauf auf Anhieb zu meinen Favoriten. Für die einen ist der Uphill lediglich Mittel zum Zweck, für die anderen gehört es zum Training dazu. Ich sehe mich was das Bergauffahren betrifft irgendwo in der Mitte, weiß aber, dass ich mit dem YETI SB5.5c definitiv mein jährliches Höhenmeter Pensum schneller erreichen würde :-).

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Bergab Performance: Soweit so gut, aber wie läuft das Bike, wenn der Trail nach unten abfällt und oder gar technisch wird? Schließlich ist das YETI SB5.5c ein Enduro mit immerhin 150 bzw. 160 mm Federweg. Auch diese Frage könnte ich sehr kruz beantworten: „Es läuft schnell, sehr schnell.
Generell fühlt sich das YETI SB5.5c sportlich straff an – genau so wie man es von einem Enduro-Racebike erwarten würde. Gerade in Kombination mit dem niedrigen Gewicht wirkt das Bike daher sehr agil und verspielt. Da hilft es durchaus wenn man dem Bike über eine aktive Fahrweise zusätzliche Laufruhe einhaucht. Anfänglich hat mich diese Direktheit des Bikes dazu verleitet die Trails etwas zaghafter anzugehen, aber je besser ich das SB5.5c kennenlernte, desto deutlicher merkte ich, dass das YETI ein gewisses Grundtempo braucht, um wirklich zum Leben zu erwachen. Bei tourenmäßigen Geschwindigkeiten bleibt die Straffheit des Fahrwerks im Vordergrund, fasst man sich aber ein Herz und schaltet bewußt auf Race-Speed liegt das Bike zunehmend satter auf dem Trail.

Auch daran erkennt man deutlich, dass das YETI SB5.5c ein reinrassiges Enduro-Racebike ist, ein Bike das von und für Racer bzw. ambitioniert aggressive Fahrer entwickelt wurde. Seine Ziel ist es nicht jeden Stoß vom Fahrer fernzuhalten, sondern dem Fahrer ein optimales Feedback zu geben, damit man immer ganz genau weiß was sich zwischen dem Untergrund und den Reifen abspielt. Bei einer derartigen Fahrweise wird das Bike vor allem in wurzeligem oder felsdurchzogenem Gelände unglaublich schnell und bietet einen extrem hohen Grenzbereich. Die von YETI patentierte Switch Infinity Link Kinematik arbeitet absolut hervorragend … je gröber rund schneller, desto besser. Die Art, wie es über Hindernisse rollt, ist wirklich etwas besonderes. Wo andere Bikes durch das Rollen gegen Hindernissen spürbar abgebremst werden, scheint das YETI fast sogar aus jedem Schlag zusätzlichen Schwung zu holen. Ich weiß natürlich, dass das physikalisch nicht möglich ist, aber so fühlt es sich an. Auch in den Kurven eröffnen sich neue Dimensionen. Wenn man es schön reindrückt belohnt es einem mit Kurvengeschwindigkeiten, die man vorher nicht für möglich gehalten hätte. Grip satt, immer und überall.
Gerade für Normalbiker die eben nicht nach Bestzeiten jagen, hat dieses unglaublich sichere handling aber auch eine Kehrseite. Ist ein gewisser Grundspeed verloren, fühlt sich das SB5.5c nicht mehr ganz so gefällig, ja mitunter fast schon „bockig“ an. Gerade bei geringerem Tempo und in technischerem Gelände fordert es den Piloten eher als ihn zu fördern und es wird durchaus anstrengend damit zu fahren. Ausruhen und „dahinbummeln“ ist mit dem Yeti SB5.5 einfach nicht angesagt. Mit diesem Bike steht man gefühlt immer am Start eines Rennens ob mit oder ohne Zeitnehmung. Demenstsprechend hat sich auch das SB5.5 den Leitspruch „Geschwindigkeit gibt Sicherheit“ auf die Fahne geschrieben.

Von den im Intro kurz beschrieben 20 mm Differenz zwischen Front 160 mm und Heck 140 mm ist nichts zu spüren. Das hochwertige Fox Kashima Fahrwerk arbeitet absolut harmonisch zusammen. Das von Yeti entwickelte Switch Infinity Link funktioniert spürbar, was in Sachen Losbrechmoment gepaart mit top Ansprechverhalten und gleichzeitigem Vortrieb schon eine eigene Liga ist. Hierbei handelt es sich um ein von YETI speziell in Kooperation mit Fox entwickeltes System.
Der über einen Umlenker geführte Hinterbau schwebt sozusagen auf zwei mit Kashima beschichteten Zylindern (nicht wie viele denken Dämpfern) über dem Tretlager – zuerst nach oben und dann wieder nach unten. Was zum einen die Antriebseffizienz steigert zum anderen ein vollaktives Heck ermöglicht. Gerade das „Bremsstempeln“ was sicher einigen von euch bekannt sein wird, gehört damit nahezu der Vergangenheit an. Beim Anbremsen vor einer Kurve im verblockten oder mit Bremswellen gezeichneten Gelände, vermittelt mir das Hinterrad durch ständigen Bodenkontakt Sicherheit. Dadurch lassen sich auch Bremspunkte gezielter treffen, was sich wiederum in einer höheren Geschwindigkeit in Kurvenein- und ausgängen bemerkbar macht. Durch den Grip am Heck schiebt das Rad nicht von hinten in die Kurve, es lässt sich punktgenau steuern. Dieser exzellente Bodenkontakt am Hinterrad hilft außerordentlich auf schnellen Trails. Auch ein „Wegsacken“ bei höheren Kurvengeschwindigkeiten, was angeishcts des Federwegs nicht zu sehr überraschen würde, war dem SB5.5c nie anzumerken. Zum Ende hin wird das Fahrwerk schön progressiv und steht hoch im Federweg.

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Ausstattung: Alles an dem YETI SB5.5c fühlt sich richtig gut und gleichzeitig durchdacht an. Ob der Boost Standard an der Hinterachse dem Rahmen wirklich zu mehr Steifigkeit und damit Spurtreue verhilft kann ich nicht sagen, schaden tut’s aber ganz sicher auch nicht. Nur beim Thema verhilft „Speichenspannung“ war den Custom-Laufrädern auf Basis von SHIMANO Naben und DT-SWISS Felgen bereits nach einer Woche deutlich anzumerken, dass das SB5.5 bei artgerechter Fahrweise schon sehr hohe Anforderungen an die Komponenten stellt. Am Heck war dem Laufrad nach einer Woche deutlich eine hohe Verwindung beim Rausbeschleunigen aus Kurven anzumerken. Wenn man bedenkt, welchen Belastungen Laufräder ausgesetzt sind, schadet es generell nicht die Spannung der Speichen ab und an zu kontrollieren.
Die MAXXIS Reifen die ja den direkten Kontakt zwischen Untergrund und Fahrer herstellen waren am YETI SB5.5c mit Bedacht gewählt und haben ideal auf das Gelände gepasst. Der MAXXIS Aggressor 2,3 am Heck war mir bis dato noch neu, gefiel mir aber in dem Kurztest mit seinen guten Abrolleigenschaften, einer mehr als ordentlichen Traktion und einem sehr gutmütigem Verhalten im Grenzbereich. Der MINION Minion DHF (hier in der 2,5“ WT Version) an der Front dürfte vielen ohnehin bekannt sein. Er zählt in Sachen Grip und Performance ohnehin zu den Besten Enduroreifen. Beide Reifen waren übrigens schon auf Tubeless umgerüstet, aus meiner Sicht ein echtes Plus in dem anspruchsvollen Gelände um Latsch. Nur so ist man optimal gegen Pannen gewappnet und kann das bessere Abroll- bzw. Walkverhalten voll auszunutzen.

 

Die FOX Transfer Performance Dropper-Sattelstütze funktionierte auch in diesem Fall schnell und unauffällig. Das E*THIRTEEN Wide Range Ritzel mit seinen 9-44 Zähnen, das c_g in seinem Test so sehr gelobt hat, funktionierte auch hier absolut zuverlässig und unauffällig, es kommt jedoch nicht ganz an die Bandbreite einer SRAM Eagle heran. Für das 2017er YETI SB 5.5 T gibt es auch eine Ausstattungsvariante mit der XO1 Eagle. Dafür sind dann aber immerhin 9239.- Euro fällig.

Das RACE FACE Havoc Cockpit mit dem 50 mm langen Vorbau und dem 800 mm breiten Carbon Lenker verstärken bei mit den Wohlfühlfaktor zusätzlich. Klar, ein so breiter Lenker ist Geschmackssache – aber es lohnt sich es einfach mal selber auszuprobieren. Kürzen kann man ihn dann immer noch. Bei vielen Testbikes geht es uns so, dass wir mit kleinen Tuningmaßnahmen an Lenker, Vorbau und vor allem an den Reifen noch zusätzliche Performance aus dem Testbike herauskitzeln können – das YETI Sb5.5c dagegen war schon im Serientrimm perfekt durchdacht und gab mir keinen Spielraum mehr für spätere Optimierungsmaßnahmen.

Die FOX Federelemente am YETI sind dem hohen Preis angemessen sehr hochwertig und als Luftfederelemente schnell auf das jeweilige Körpergewicht angepasst. Wie gesagt, bin ich den FOX Float X Kashima Factory EVOL Dämpfer durchweg im offenen Modus gefahren. Nach etwas herumprobieren, bin ich am Heck auf ca. 20% Sag als mein Optimum gekommen und bin das Bike die übrige zeit auch genau so gefahren. Auch die Fox 36 an der Front war eine Top-Wahl für das Bike. Zwar hätte ich mir an der Front eine Fox 36 mit Rc2 Dämpfung gewünscht, auch um die Gabel noch mehr auf meine Bedürfnisse einstellen zu können, trotzdem war ich in dem Kurztest sehr zufrieden mit der Fit 4 Dämpfung.
Auch die übrige Ausstattung machte ebenfalls eine rundum gute Figur. Die schön integrierten Kunststoffelemente am Unterrohr zum Tretlager hin und an der Kettenstrebe schützen den hochwertigen Carbonrahmen gegen Ketten- und Steinschlag. Dementsprechend leise gab sich das YETI SB5.5c auch auf dem Trail. Selbst auf den ruppigsten Trails und bei wirklich forscher Fahrweise war kein Klappern oder Schlagen zu vernehmen.
Mein einziger echter Kritikpunkt an dem Bike ist die Befestigung für den Flaschenhalter unter dem Unterrohr. Wer auf die zusätzliche Aufnahme von „Trailmineralien“ verzichten möchte, dem empfehle ich beim YETI SB5.5 eher einen Trinkrucksack.

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Fazit: die Trails rund um Goldrain sind kurz gesagt lang – zwischen 6 km und 10 km mit im Schnitt 1.000 Tiefenmeter und zum Teil schön technisch. Nach knapp einer Woche Test mit etwa 20.000 Tiefenmetern, ca. 5.000 Höhenmetern und gut 170 km mit dem Yeti SB5.5 lässt sich schon einmal sagen, dass den Jungs von YETI ein großer Wurf mit großen Laufrädern gelungen ist. Nicht nur optisch ist das SB5.5c ein Knaller.

 

Auch auf dem Trail ist es eine Rakete und fordert schon einen exzellenten Fahrer um es wirklich an sein Limit zu fahren. Natürlich sollte ein Bike für schlappe 8490.- € auch was bieten, immerhin bekommt man für das selbe Geld schon einen Dacia Logan als Neuwagen – ob der auf den Trails auch so eine gute Figur machen würde ist jedoch fraglich. Mit einem exklusiven Bike wie dem YETI SB5.5 das so kompromisslos auf Race getrimmt ist, wandelt man auf einem schmalen Grad und man sollte schon eine ordentliche Fahrtechnik und die Bereitschaft zu attackieren mitbringen um das SB5.5 voll auskosten zu können. Es benötigt einen gewissen „Grundgeschwindigkeit“ um sein Potential voll entfalten zu können. Ist der jedoch erreicht, erlaubt einem das Yeti seine eigenen Grenzen zu verschieben und die Finger von der Bremse zu lassen. Da uns das Bike von der Firma Litewheelz eben nur für eine Woche zur Verfügung stand, lässt sich daraus noch kein Gesamturteil zu dem Bike fällen. Trotzdem, ein Markt für diesen edlen Boliden besteht auf alle Fälle und auch wenn das SB5.5c ein „feuchter“ Traum bleiben wird, löst es doch in jedem von uns ein inneres „Will-Haben-Gefühl“ aus, oder?

In diesem Sinne: „See ya on the Trail“.