BIKE Festival Garda´12 – 3. Teil: Bianchi Methanol SL 29er: von c_g

Inzwischen geht ihr wahrscheinlich davon aus, dass wir die ganze Zeit nichts besseres zu tun hatten, als während der Messe die Stände zu durchstöbern und  dumme Fragen zu stellen, und gar nicht merken, dass wir an einem der besten Mountainbike-Spots in ganz Europa waren? Nicht im geringsten. Wir haben zwar wirklich viel Zeit in den Reihen der Stände verbracht, aber auch die Chancen genutzt, um ein paar Fahrräder auszufahren – manche kürzer, manche länger. Hier ist also der erste dieser Fahrberichte – ein wahrer italienisches Rassepferd.
Denkt man über italienische Bike-Marken mit einer langen Tradition nach, verdient F.I.V. Edoardo Bianchi Spa (oder „Bianchi„) sicherlich eine der vordersten Positionen. Während sie eine unglaubliche Historie im Straßenrennsport haben, ist BIANCHI nicht gerade für ihre Erfolge im MTB-Sport bekannt.

Ein Blick auf den sehr leichten Carbon-Rahmen (1210 g inkl. Sitzturm) das BIANCHI SL Methanol SL 29 und man erkennt, dass das Bike anders ist, dass es nicht eine der zahlreichen Fernost-Kopien ist und dies war ein Grund für mich, einen genaueren Blick zu nehmen und es zu fahren. Obwohl eine reguläres 2012erModell und als solches bereits verfügbar, habe ich mir das ihrem Top-Modell Metahnol SL 29.1 ausgiehen und ein gutes Stück den Mount. Altissimo hinaufgenommen.Vor dem Losfahren haben die Jungs von Bianchi das BIke mit sehr viel Sorgfalt eingestellt und alles genauestens kontrolliert – ich fühlte sich fast wie mit meinem eigene Support-Team.

Es gibt einige interessante Technologien, die diesem Rahmen auszeichnen:

• Das erste, was einem auffällt ist der großlumige integrierte Sitzmast – das erste Mal für mich – und ich war neugierig, ob oder wie viel Flex oder Eigendämpfung es haben würde. Aber bei Bianchi war man intelligent genug, um den Mast so zu dimensionieren, dass wenn man ihn anschneidet und schlitzt, man eine reguläre 31,6 mm Sattelstütze nutzen kann – Bianchi nennt es DFIS oder „Dual Funktion integrierte Sattelstütze „.

• Die Haupt-Rahmenrohre sind wunderschön mit zusätzlichen, formschönen externen Carbonverstärkung versehen („ERS„). Sie umlaufen das Steuerrohr oben und unten und laufen entlang des Oberrohrs bis zu den Sitzstreben und am Oberrohr bis zum Tretlager. Angeblich dienen die Verstrebungen nur der maximalen Steifigkeit, aber wir vermuten, es gehört auch ein Schuss italienischen Style dazu ;-).

• Ein weiteres Merkmal von BIANCHIs Perfektionismus sind die asymmetrischen Hinterbaustreben (ARS), die nicht nur der Steifigkeit und Eigendämpfung dienen, sondern auch alle Kurbel-Kombination ermöglichen solen und gleichzeitig eine gute Reifenfreiheit erhalten sollen.

• Ein weiterer interessanter Trick von BIANCHI ist der Einsatz ihrer speziellen Triple Wall Technologie (TWT) bei den Hauptrohren. Im Grunde handelt es sich um ein spezielles Caarbon-Layup, bei dem eine zentrale Verstärkungswand die Hauptrohre intern versteift und zusätzliche Festigkeit bringen soll – eine Technologie, die man selten in einem 29er Carbon-Rahmen ausgeführt findet.

• Natürlich hat der Rahmen SAS – Stoßdämpfende Sitzstreben (wie alle modernen Carbonrahmen heute ja haben müssen ;-)) – aber um dies schon vorab zu sagen – wir haben davon nicht viel gemerkt☺.

• Um die Carbon-Struktur vor aufspringenden Steinen zu schützen, bekommt die gesamte Unterseite des Unterrohrs ein Titan-Netz einlaminiert – wieder mit einem ausgefallenen Marketing-Namen geschmückt „Ti-Net = Titanium Net Technology“.

• BIANCHI nennt drei verschiedene Carbonfasern, die in dem Rahmen verarbeitet wären: Toray 40T, 30T und T700 (Einige Spezialisten können mit diesen Informationen evtl etwas anfangen, ich finde es einfach nur cool☺).

Andere nicht ganz so exklusive Technologien sind das konischen Steuerrohr, das 73 mm Pressfit Tretlager und die Voll-Carbon-Ausfallenden mit PM-Bremssockeln. Sie sehen, der Rahmen ist mit Technologie vollgepackt und er schämt sich nicht das zu zeigen.

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Betrachtet man BIANCHIs spezifische 29er Geometrie, fallen ziemlich steile Winkel, eine wirklich langes Oberrohr (625 mm bei Größe 48), eine ziemlich tiefes Tretlager (65 mm BB Drop) und eine relativ kompakte Kettenstreben (437 mm) auf  … und das alles deutet auf ein XC-lastiges Handling hin.

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Es gibt zwei Versionen des Methanol 29ers. Das gezeigte Top-Modell ist das Methanol SL 29.1 mit einer  X.0-Gruppe (2×10), einer SID RL Federgabel und ein paar wirklich leichten  Laufrädern. Das Komplettbike kommt dabei auf schlanke 9,95 kg (Gr. 48, nachgewogen ☺). Und recht faire € 4799. -. Dann gibt es noch das Methanol SL29.3 (identisch Rahmen, aber mit einfacheren Komponenten), das solide € 3699. – kostet.

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Der Fahreindruck:

Der Marketing-Slogan des Methanol heißt: „Für alle, die nur deswegen Rennen fahren um sie auch zu gewinnen.“ Und glauben Sie mir, das ist genau wie sich das Bikes fährt. Ich kenne kein anderes 29er Hardtail, das so kompromisslos für den Rennsport getrimmt, kein anderer, mit dem die ganze Zeit nichts als schnell fahren will. Beim Anstieg konnte ich einfach nicht anders, als schneller wie meine Kollegen zu sein (einmal habe ich angehalten um nachzuprüfen, ob es nicht irgendwo im Bike ein kleiner Unterstützungsmotor versteckt wäre) … und ich hatte richtig viel Spaß dabei. Dieses Bike ist definitiv nicht für jedermann geeignet, noch für Touren, und vielleicht sogar zu extrem für einen Marathon (sofern man nicht auf einen Podiumsplatz aus ist), aber es trifft die Anforderungen eines Hard-Core XC-Racers zu100%.
Es gab nicht einmal die geringste Andeutung von Flex – weder im Steuerkopf, noch im Tretlager (leider auch sehr wenig in vertikaler Richtung, aber das ist ein kleiner Kompromiss angesichts der Ausrichtung des Bikes). Der lange Anstieg mit dem Bike war fantastisch und obwohl das Fahrrad nicht das leichteste war, das ich gefahren bin, so war es sicher das  direkteste und schoß förmlich unter jedem Pedaltritt voran.
Die Lenkung war auf der agilen Seite, vielleicht sogar ein bisschen nervös … genauso wie die italienischen Rennfahrern es mögen und ein großer Spaß für einen guten Fahrer.
Auf der Abfahrt habe ich absichtlich einen eher technischen Route gewählt (auf die Gefahr hin mich und das Bike an unsere Grenzen zu bringen) und solange der Trail flowig und flüssig war, blieb das Bike gutmütig, aber in langsamen, technischen Passagen fand ich mich des Öfteren hinter dem Sattel eingesperrt und kurz davor über den Lenker zu gehen. Der 110 mm Vorbau war auf jeden Fall etwas zu lang für meinen Geschmack und brachte in der Abfahrt einfach zu viel Gewicht auf die Front. Wie auch immer …. am Ende habe ich einige Abschnitte lieber geschoben, die ich mit anderen Bikes wohl gefahren wäre.

–> ZUSAMMENFASSEND halte ich das Methanol SL 29er auf jeden Fall für ein Spezialistenbike. Es ist nicht wie so viele andere Racebikes, die neutral und angenehm für fast jedermann zu fahren sind (Cannondale, Specialized und Trek-GF in den Sinn kommen), sondern ein Fahrrad, das ohne wenn und aber ist auf Geschwindigkeit getrimmt ist. Auf der Testfahrt hatte ich manchmal das Gefühl ein als MTB getarntes Rennrad zu fahren – dieses Bike ist kein Spielzeug. Wenn ihr also auf der Suche nach einer kompromisslosen Rennmaschine seit – dann könnte das BIANCHI Methanol SL 29.1 dies genau erfüllen … die Tradition von BIANCHI und den italienischen Macho-Vibe bekommt man obendrauf.

„Danke BIANCHI, dass ihr ein Bike kreiert habt, das auf dieser Ausfahrt ein Lächeln auf mein Gesicht gezaubert hat. Die METHANOL SL 29 ist kein Bike, das ich langfristig fahren würde, aber es kann für einige genau das Geschoß sein, nachdem ihr in einem 29er gesucht habt!“

Für weitere Informationen siehe www.bianchi.com.

Mehr auf der Festival Garda bald kommen.

RIDE ON,
c_g

 

PS: Für diejenigen, denen das Methanol ein bisschen zu viel ist … Bianchi bietet auch ein weniger extrems Alu-29er an, das Jab 29. Ich bin es kurz gefahren und kann bestätigen, dass es zahmer ist. Das Einstiegsmodell Jab gibt es ebenfalls in zwei Versionen mit einem SHIMANO-Mix (3×10) für € 1799,- (Jab 29.1) und € 1149,- (Jab 29.3).