VITTORIA Agarro Trail 4C Graphene 2.0 TNT 29×2,6“ & 29×2,35“ – Erste Eindrücke: von MiMü

Manchmal läuft es nicht so wie geplant – wenn berufliche oder familiäre Verpflichtungen, die Gesundheit oder das schlechte Wetter einem Steine in den Weg legen, kann sich ein Test schon mal etwas verzögern.  Deswegen hat es bis jetzt gedauert, dass ich euch meine Testfortsetzung von VITTORIAs neuester Kreation, dem Allround-Reifen Agarro Trail 4C Graphene 2.0 TNT bringe.

Der Agarro ist die jüngste Kreation von VITTORIA und will ein vielseitiger Trailreifen sein.

Nachdem sich die Montage ähnlich simpel und unauffällig wie bei allen zuvor getesteten VITTORIA-Reifen gestaltet hatte, kommen wir gleich einmal zum ersten Fahreindruck: Bereits nach wenigen Pedalumdrehungenwar klar, dass der Agarro in Sachen Rollwiderstand ausgesprochen schnell ist. Hier macht sich die Verwandtschaft zu seinen XC-orientierten Brüdern Barzo und Gato durchaus positiv bemerkbar. Der Agarro beschleunigt trotzt seiner fast 1000 g mit relativ wenig Kraftaufwand und lässt sich auch über längere Asphaltdistanzen sehr geschmeidig pedalieren. Gleichzeitig gefällt der Italo-Pneu auf hartem Untergrund durch sein angenehmes Ab- bzw. Überrollverhalten sowie seine unauffällig sicheren Einlenk- und Kurveneigenschaften.

Im Gelände machen sich die vielen, v-förmig angeordneten Profilblöcke mit ihren längs, quer und schräg verlaufenden Sipings durch ihre überraschend hohe Antriebs- und Bremstraktion auf den unterschiedlichsten Böden bemerkbar. Auf den herbstlich rutschigen Trails meiner Testrunden mit oft weichen Waldböden, nassen Wurzeln, aber auch der einigen Geröll- und Felspassage – hat der Agarro ein bemerkenswert sicheres Fahrverhalten an den Tag gelegt.

Das relativ eng stehende Mittelprofil mit den angesprochenen markanten, v-förmigen Zentralstollen verhilft dem Reifen so zu einer enormen Linientreue und verbeißt sich doch immer zuverlässig mit dem Untergrund. Die Kombination aus geringem Stollenabstand und in Fahrtrichtung gestuft ausgeführtem Stollenaufbau macht zudem das Überrollverhalten sehr angenehm. „Klein, aber oho“ könnte man in diesem Fall über das Profil des Agarro sagen, denn trotz ihrer verhältnismäßig geringen Größe verbeißen sie sich dessen Stollen hervorragend in jedweden Untergrund. Die vielen Einkerbungen bieten dabei zusätzliche Gripkanten, die etwa beim Uphill-Wiegetritt im gemischten Terrain für zuverlässigen Vortrieb und so gut wie keine Rutschtendenzen sorgen. Beim Bremsen zeigt sich ein ähnlich zuverlässiges, vertrauenerweckendes Bild: Egal ob tiefer, ausgefahrener Waldboden, grober Schotter oder Wurzelteppiche – der Agarro findet überall Halt und sorgt für punktgenaue Bremsmanöver.

Das bereits weiter oben erwähnte agile Einlenkverhalten offenbart der VITTORIA Agarro auch im Geländeeinsatz. Nahezu mühelos kann man ihn von einer Seite zur anderen werfen, schnelle Richtungswechsel machen damit so richtig Spaß. Die schräg gestellten, viereckigen Stollen des Zwischenprofils dürften dem auffallend homogenen Übergang von Geradeaus- in Kurvenfahrt ebenfalls zu Gute kommen, ragen sich doch immer wieder in die angrenzenden Stollenreihen hinein, wodurch in Rotation eine nahezu durchgehende Gripkante entsteht.

In richtiger Schräglage pflügen beide Agarro-Varianten dank der breit abgestützten, massiveren Seitenstollen sauber durch die Kurve, hier kann man die Reifen aktiv mit seinem ganzen Gewicht hineindrücken ohne ungewolltes Wegrutschen zu provozieren. Wobei die Stollen so stabil konzipiert sind, dass sie auch im harten, steinigen Terrain nicht einknicken und hier ebenfalls durch ihr direktes, sicheres Handling punkten können. Interessehalber habe ich auch einmal die beiden Agarros gewechselt, den schmäleren 2,35er Agarro vorne montiert und den breiteren 2,6er hinten. Neben dem am Hardtail willkommenen Plus an Komfort am Heck war ich verblüfft, wie klein der Unterschied im Lenkverhalten zwischen den beiden Geschwistern ausfällt. Dass sich der 2,6“ breite Agarro beinahe genau so leicht in Schräglage drücken lässt wie sein schmäleres Pendant, zeigt für mich, dass die angepassten Stollenabstände hier ihre Wirkung entfalten.

Beim Thema Fahrkomfort hat der 2,6“ breite Agarro erwartungsgemäß die Nase vorne. Er baut mit seinen gut 62 mm Breite zwar nicht so voluminös wie der vor einigen Monaten getestete BONTRAGER SE5 Team Issue TLR 29×2,6“ mit satten 66 mm Stollenbreite, dank seiner explosiv klingenden TNT Trail Karkasse mit 120 TPI Aufbau konnte ich den Agarro bei meinen 81 kg Lebendgewicht im gemischten Terrain mit geringen 1,4 Bar Luftdruck fahren. Damit war das Fahrverhalten noch sehr direkt, der Reifen zeigte in schnell gefahrenen Kurven keinerlei Walktendenzen, und der Dämpfungskomfort bei kleineren Unebenheiten gestaltete sich angenehm hoch. Die unterhalb der Lauffläche sowie seitlich eingearbeitete APF-Nyloneinlage stützt den Reifen effektiv und sorgt für effektiven Pannenschutz. Den schmäleren 2,35“ Agarro fuhr ich hinten bevorzugt mit ca. 1,7 Bar Druck, um ein Optimum an Traktion, Kurvenperformance und Komfort zu erreichen.

Über die Luftdruckstabiliät von VITTORIA’s TNT-Karkasse brauche ich hier nicht viele Worte verlieren – man merkt einfach, dass die Italiener mit tubeless- und Schlauchreifen jahrzehntelange Erfahrung haben. Wetterbedingte Stehpausen von bis zu einer Woche zeigten, wie luftdicht beide Reifen sind.

Ein, gerade im Herbst, sehr wichtiges Thema möchte ich allerdings noch erwähnen: die Selbstreinigung. Wer wie ich viel auf waldig-erdigen Trails unterwegs ist, braucht einen Reifen, der sich nicht zu schnell zusetzt und so an Traktion verliert. Die relativ geringen Stollenabstände des Agarro verleiten auf dem ersten Blick dazu, den Reifen als für trockene Bedingungen geeignet einzustufen. Aber weit gefehlt, denn der Agarro liefert im tiefen, aufgeweichten Erdreich eine mehr als solide Performance ab. Optisch setzt sich sein Profil zwar schnell zu, allerdings bleiben Grip und Haftung nahezu unverändert hoch und nach wenigen Reifenumdrehungen ist das Profil wieder frei von Matsch & Co.

Zwischenstand: Der VITTORIA Agarro in seinen beiden verfügbaren Breiten 2,6“ und 2,35“ reiht sich dank seiner hervorragenden Performance nahtlos in die Reihe der bereits getesteten Reifen des italienischen Reifenherstellers ein. Die Anforderungen an moderne Trailreifen sind mittlerweile sehr hoch, doch der VITTORIA Agarro mit seinem innovativen Profil-Design, der topaktuellen 4C Graphene 2.0 Compound-Mischung und der TNT Trail-Karkasse erfüllt diese meinen bisherigen Erfahrungen zufolge nahezu ideal. Er bietet genau diesen sicheren Kurvenhalt, die Antriebs- wie Bremstraktion, angenehmen Dämpfungseigenschaften und nicht zuletzt den kräfteschonend geringen Rollwiderstand den man sich als Trail-Fahrer von seinen Reifen erhofft.

MiMü