CUBE Stereo 170 SL 29 – Zwischenstand: von c_g

Normalerweise fahre ich ein neuen Testbike zuerst einmal eine Weile auf meinen Hometrails, wo ich jede Wurzel und jede Kurve kenne (und manche von Ihnen auch schon näher kennengelernt habe, als mir lieb gewesen wäre :-)).

Nicht so beim CUBE Stereo 170 SL 29, das ich euch vor kurzem vorgestellt habe. Das Bike kam genau dann bei uns an, als ich meine Sachen für einen schönen alpinen Saisonabschluss gepackt habe: Zweieinhalb tiefenmeter-reiche Tage am Kronplatz und an der Plose standen auf dem Programm. So eine Gelegenheit muss man natürlich nutzen, zumal das Stereo 170 ja gerade bergab gefordert werden will. Die einzige Änderung am Bike, war, dass ich einen Satz VITTORIA AirLiner (hier bereits getestet) in die eher trailigen SCHWALBE Reifen gezogen habe, denn es braucht keinen Hellseher um zu wissen, dass die verbauten Originalreifen in diesem Gelände und bei artgerechter fahrweise schnell am Limit wären.

Die Sache wurde zudem dadurch noch interessanter, weil ich das CUBE im direkten Vergleich zu meinem POLE Evolink 158 über die Trails gejagt habe, eines der aus meiner Sicht bergab potentesten Enduros, die ich kenne mit nahezu identischem Federweg und eine gar nicht so unterschiedlichen Geometrie (… wenn man außer Acht lässt, dass ich hier ein POLE in Large mit einem CUBE in 22“/XL vergleiche).

Gerade, weil die Sitzposition sehr ähnlich meinem gewohnten POLE ausfällt, brauchte ich auch nur ein paar Minuten um mich auf das CUBE einzustellen. Mit dem ausgelieferten Lenkwinkel von 64,4° (zu dem um 0,6° auf 65° umstellbaren Steuersatz im nächsten Artikel mehr) ist das CUBE Stereo 170 wunderbar laufruhig. Die stabile und präzise Lenkung wird nie unruhig und ermutigt richtig dazu, richtig Gas zu geben und macht umso mehr Spaß, je schneller man das Bike fährt. Vor allem in richtig ruppigen Passagen kann man einfach draufhalten und die Federung ihre Arbeit machen lassen. Wie schon oft hier beschrieben, finde ich einen derart flachen (aber noch nicht zu flachen) Lenkwinkel auch in technischen Passagen und bei einer aktiveren Fahrweise absolut unproblematisch und spaßig, weshalb für mich auch die sehr engen Turns und supersteilen Passagen am Herrensteig nie ein Thema waren.

Zumal das CUBE hier auch eine Verspieltheit an den Tag legt, die ich vom POLE nicht kenne. Ob es allein an den für seinen Federweg sehr kurzen Kettenstreben alleine liegt, oder auch noch an anderen Faktoren, kann ich  so nicht beurteilen, aber irgendwas hat mich beim CUBE dazu verleitet es viel mehr übers Heck zu steuern, um die Kurven zu driften, oder über Bodenwellen im Manual zu fahren. Keine Frage mit etwas mehr Körpereinsatz, geht das mit jedem Bike, aber hier mit dem Stereo 170 geht es einfach noch einen Tick leichter … und das verleitete zum Spielen. (Am Rande: Die bereits von einem Leser angesprochenen, speziellen SCHWALBE Hans Dampf Addix Speedgrip Reifen tragen hier mit ihrem niedrigeren Grip-Limit und der hohen Gutmütigkeit zusätzlich dazu bei das Heck ausbrechen zu lassen … und sind dabei zugleich sehr schnell und langlebig.)Diese Verspieltheit, die sicher auch in dem kompakteren Radstand begründet liegt, hat aber auch zur Folge, dass man seine Körperschwerpunkt etwas genauer kontrollieren muss, wie etwa bei dem POLE. Wo man sich mit dem Finnen einfach dem Speedrausch hingeben kann, fordert der Bayer hier einfach ein wenig mehr Körpergefühl, wenn man ihn sehr schnell in forderndem Gelände bewegen will. Letztlich ist es eine Frage des Fahrstils und der persönlichen Vorlieben. Ich bin mit jedem der beiden Bikes mit einem dicken Grinsen im Gesicht am Ende jedes Runs.

Der Rahmen des CUBE ist übrigensausgesprochen steif und präzise. Während man dem Hinterbau noch ein klein wenig Flex entlocken kann, steht der Hauptrahmen auch unter schweren Fahrern und einer aggressiven Fahrweise wie eine Eins. Kommen wir zur Federung des CUBE Stereo 170 SL. Eigentlich dachte ich, dass ich den Float X2 Dämpfer und die Float 36 GRIP2 Gabel sehr gut kenne und dass die Einstellung ein Kinderspiel würde, aber gerade dieses Thema hat mich deutlich länger beschäftigt. Mein Ansatz die Federelemente zuerst genau so einzustellen, wie beim CUBE Stereo 150 TM, hat zwar auf Anhieb zu korrekten SAG-Werten geführt, hat sich auf dem Trail aber keineswegs als optimal herausgestellt. Vorne habe ich bei dem gewohnten (und offiziell von FOX vorgeschlagenen Druck von 90 psi) einfach nie den ganzen Federweg ausgenutzt und hinten habe ich viel zu schnell viel Federweg ausgenutzt (auch wenn der exzellente X2 Dämpfer nie hart durchgeschlagen ist). Letztlich hat sich das CUBE einfach unbalaciert angefühlt. Der nächste Nebeneffekt war, dass das Stereo bergauf selbst mit eingelegter Low-Speed-Druckstufe ziemlich unwillig und wenig effizient gewirkt hat.

 

Erst als ich bei der Gabel um satte 15 psi runter und beim Heck etwa 25 psi höher gegangen bin, wurde das Stereo wirklich stimmig und hat gezeigt, was in ihm steckt: Ein mehr als nur renntaugliches Enduro, das auch als Allrounder bemerkenswert gut funktioniert. Sobald ich die korrekte Federungsbalance erreicht hatte, waren die laufruhig-verspielte Geometrie (ich weiß, dass das für viele von euch ein Widerspruch ist J, aber genau darin liegt die besondere Qualität des Stereo 170) und seine 170 mm Federweg in perfektem Einklang und einfach super zu fahren. Mit bedingt durch sein spürbar geringeres Gewicht und unterstützt durch den von mir bewusst etwas schneller eingestellten Luftdämpfer lag das Stereo 170 nie ganz so „satt auf dem Trail“ wie das POLE, war dafür aber einfach noch spaßiger und verspielter in allen Lagen.

Auch wenn das Stereo 170 sicher nicht primär dazu gebaut wurde ein Allrounder zu sein, bin ich bisher doch sehr positiv überrascht, wie gut es sich auch so nutzen lässt.. Auf dem gravity-lastigen Kurztrip nach Südtirol war das nicht so wichtig, aber auf meinen heimischen Trails bin ich immer wieder angetan, davon wie effizient und unproblematisch sich das Bike auchbergauf pedalierenlässt. Wie beim Stereo 150 auch, nutze ich bei optimal abgestimmtem Fahrwerk in sehr steilen Uphills die per Hebel schell zugeschaltete Plattformdämpfung bergauf oft und gerne, aber selbst mit komplett offenem Dämpfer klettert das Stereo 170 mehr als nur passabel. Besonders bemerkenswert finde ich, dass es dank des steilen Sitzwinkels auch mit dem kompakten Heck erst sehr spät vorn leicht wird und man deswegen vollkommen unverkrampft auch steile Trails hoch treten kann. Ergänzend muss ich aber auch anmerken, dass ich in der aus meiner Sicht optimalen Fahrwerkseinstellung hinten nur ca. 25% SAG fahre, wodurch das Heck natürlich ach ein wenig höher steht. Im weiteren Testverlauf werde ich eventuell noch etwas mit Spacern am Dämpfer experimentieren, obwohl mir diese Einstellung eigentlich sehr gut gefällt.

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Was die Komponenten des Stereo 170 SL 29 angeht, sollte ich wohl auch ein wenig sagen:

  Dies war für mich das erste Mal, dass ich die neue SHIMANO XT 1×12 Gruppe länger gefahren bin und so war ich anfangs einwenig irritiert welch hohe Bedienkräfte die sehr angenehmen und ergonomischen Schalthebel doch brauchen.

Die Gangwechsel funktionieren gewohnt sauber und gerade unter Last sogar einen Ticken sanfter als ich es von SRAM her kenne und auch zweifachen Schaltschritte und die Bedienung mit Daumen oder Zeigefinger beim Runterschalten (SHIMANOs bekanntes Dual- und Multi-Release) sind echte Pluspunkte … aber die erforderlichen Fingerkräfte in beide Schaltrichtungen sind erheblich höher als bei aktuellen SRAM Schaltungen. Gott sei danke man gewöhnt sich aber schnell dran. Die Abstufung der 10-51 Kassette wirkt sehr gelungen und ohne echte Auffälligkeiten.

Die neuen SHIMANO XT 8100er Vierkolbenbremsen sind dagegen eine absolute Wucht in Sachen Bremskraft, Modulation und Hitzebeständigkeit. Auch nach 1200 Tiefenmetern Non-Stop hatte die Bremse keinerlei Hitzeprobleme. Selbst mit ihrem  mitunter nicht 100% konstanten Druckpunkt hat sie sich als eine meiner absoluten Lieblingsbremsen gemausert. Es passiert nicht allzu oft und auch absolut unabhängig von der Belastung, aber hin und wieder kommt der Druckpunkt merklich früher oder eben später, als normal. Die Konstruktion mit der weit außen liegenden Klemmung und kleinen Lenkerabstützung funktioniert übrigens super und eröffnet neue Möglichkeiten zur Montage des Dropper-Remotes an der optimalen Stelle.

Die RACE FACE Next R Carbonkurbel mit passendem 32-Zahn Kettenblatt, der RACE FACE Next R Lenker und der Turbine Vorbau sind genau so leicht und  unauffällig, wie sie es sein sollen. Der robuste MRP SXG Bash-Guard hat schon so manchen Schlag abbekommen und verrichtete seinen Dienste zuverlässig. Mit ihren 150 mm Hub, bei absolut tadelloser Funktion hatte ich biesher nie echte Probleme mit der FOX Transfer Dropper-Stütze, aber die blauen Flecken auf meiner Schenkel-Innenseite deuten doch darauf hin, dass eine Variante mit etwas mehr Hub eventuell doch noch besser wäre. Warum CUBE an dem Stereo noch den alten FOX Remote mit der recht kleinen Kontaktfläche verbaut, und nicht den noch ergonomischeren neuen, weiß ich nicht – wirklich stören tut es mich aber auch nicht, denn die Funktion passt.

Über die serienmäßige Bereifung des Testbikes mit SCHWALBE Magic Mary TLE Addix Soft vorne und Hans Dampf TLE Addix Speedgrip habe ich ja bereits geschrieben.  Beide tragen eine Teil dazu bei das Bike so leicht und allroundtauglich zu machen, sind aber je nach Gelände und Fahrweise auch gerne mal in Sachen Pannenschutz überfordert. Bei einem Bike diesen Kalibers lohnt es sich sicher hier einen zweiten, robusteren Satz (oder eben Reifeninserts) in der Hinterhand zu haben. Ein auch für mich ein wenig überraschender Nebeneffekt des schnelleren Compounds am Hinterreifen sit, dass er auch nach vielen Tiefenmessern in alpinem Geläuf und der oben genannten Fahrweise mit endlosen Drifts noch wie neu aussieht.

Die NEWMEN A.SL 30 Laufräder sind, wie nicht anders erwartet bisher vollkommen unauffällig, robust und bieten eine sehr angenehme Balance aus Direktheit/Präzision und doch Komfort. Allerdings habe ich sie bisher auch nicht die gesamte Zeit gefahren, weil ich ja auch noch den Test der DT-SWISS M 1900 SPLNE und der WTB Verdict Reifen vorantreiben wollte.

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Zwischenstand:

Die Zielsetzung für das CUBE Stereo 170 ist eigentlich klar: So schnell und sicher bergab, wie es nur geht ohne ein echtes DH-BIke zu sein. Dass das langhubige 29er hier massig Potential hat und hervorragend funktioniert, konnte es bereits zu Anfang des Tests beweisen … nach mittlerweile etwa 17.000 Tiefenmetern hat es klar gezeigt, das es als gravity-technisch mit allen Wassern gewaschen ist. Dabei legt das Stereo 170 neben seiner hohen Laufruhe und subjektiven Sicherheit auch eine  bemerkenswerte Verspieltheit an den Tag, die ganz neue Akzente setzt und es von anderen Race-Enduros doch ein wenig absetzt.
Entgegen meiner Erwartungen ist das Stereo 170 aber auch als Allrounder bemerkenswert universell. Selbst im klassischen Trail-Einsatz wirkt es nicht unterfordert oder gelangweilt und macht sogar bergauf eine richtig gute Figur. Soweit fürs Erste zum CUBE Stereo 170 SL, das ich schon jetzt tief in mein Herz geschlossen habe.

RIDE ON,
c_g