INTEND BICYLE COMPONENTS Edge 29er Gabel – Testintro: von c_g

Unter dem Label INTEND entwickelt und vertreibt fertigt Cornelius Kapfinger Federgabeln und andere Bike-Komponenten in Klein. und Kleinstserie.

Cornelius Kapfinger ist gebürtige Regensburger mit aktueller Wahlheimat Freiburg. Er ist durch und durch Ingenieur und hat seine Begeisterung fürs Biken zum Beruf gemacht. Seine erste Federgabel hat er mehr oder weniger „nebenbei“ entworfen und gebaut. Zuerst nur für sich, dann für ein paar Freunde und mittlerweile auch für interessierte Kunden. Daraus ist dann INTEND BICYCLE COMPONENTS (kurz nur noch: INTEND) geworden. Ganz auf Funktionalität ausgelegte Klein- und Kleinstserien-Komponenten, strikt den Regeln der Ingenieurskunst folgend und Made in Germany. Jedes einzelnen Bauteil von INTEND wurde von Cornelius selbst gecheckt, zusammengebaut und verschickt.

Die hier getestete Edge Federgabel ist die erste 29er Federgabel von INTEND. Wie auch schon die 27,5“ DH-Federgabel Infinity und die für den Sommer angekündigte und bereits vorbestellbare Trailgabel Hero (vorläufig nur als 29er) ist auch die Edge eine Upside-Down Federgabel.

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Das UPSIDE-DOWN-CHASSIS

In der Apside-Down-Bauweise sind die blinder belasteten Bereiche besonders steif und stabil ausgeführt, während andere, weniger belastete Teile kleiner ausfallen können.

Cornelius glaubt fest daran, dass die Upside-Down-Konstruktion die einzig wirklich logische Lösung für eine Federgabel ist. Wie ein Ast haben die am meisten belasteten Bereiche (speziell die Gabelkrone und deren Verbindung zu den Gabelbeinen) die größten Durchmesser und höchsten Wandstärken dort, wo höhere Lasten auftreten, bzw. dort, wo sie besser verteilt sind, kann die Gabel filigraner gebaut werden. Dadurch soll die Edge eine deutlich höhere Bremssteifigkeit und auch unter harten Belastungen ein besseres Ansprechverhalten haben als klassisch gebaute Federgabeln. Dadurch soll das subjektive Sicherheitsempfinden  und Fahrverhalten vor allem in Extermsituationen spürbar besser werden.

Durch den Wegfall einer versteifenden Gabelbrücke, mangelt es vielen Upside-Don Konstruktionen an Torsionsteifigkeit. INTEND versucht das durch eine steife Stahl-Steckachse auszugleichen.

Die andererseits bei Upside-Down-Konstruktionen oft geringere Torsionssteifigkeit versucht Cornelius durch konstruktive Kniffe, wie die Stahl-Steckachse soweit zu minimieren, dass dieser leichte Flex nicht mehr als verminderte Lenkpräzision wahrnehmbar ist, sondern bereits wie eine Art Dämpfung agiert, die der Traktion zugute kommt und den Fahrer weniger schnell ermüden lässt. In Analogie zu den durchaus positiven Fahreigenschaften mancher nicht allzu steifer Rahmen, die dadurch auch etwas gutmütiger und angenehmer zu fahren sind. Ich bin ehrlich gespannt. Ein weiterer Vorteil der Upside-Down-Konstruktion ist, dass die Gleitlager kontinuierlich geschmiert werden, weil das Schmieröl ja durch die Schwerkraft auf die Lager drückt, und die ungefederte Masse ist kleiner. Aber anstatt, dass ich euch die Details in Schrift vorstelle, lassen wir doch Cornelius selber zu Wort kommen, der im folgende Video seine Creation vorstellt:

 

Lässt man seinen Blick über die Gabel wandern, erkennt man sofort die Detailliebe, die in das Chassis geflossen sind. Belastungsgerecht wechselnde Wandstärken, aufwendige FEM-berechnete Bauteile und gewichtsoptimierte Formgebung … alle in Deutschland aufwendig CNC gefräst. Die unteren Standrohre sind zur weiteren Reibungsreduzierung harteloxiert und nicht, wie bei manch anderen Herstellern noch eingefärbt, was optisch ein wenig an früher erinnert, aber nach Cornelius technisch klar die haltbarere und damit bessere Lösung ist.

Die CNC-gefrästen Ausfallenden sind für sich schon kleine CNC-Kunstwerke. Normaleweise für 20-mm Achsen ausgelegt, können per Adaptern auch 15 mm Achsen gefahren werden.

Auch die Ausfallenden sind kleine CNC-Kunstwerke. Sie sind auf 20×110 mm Steckachsen ausgelegt, können aber mit Adapter auch auf 15×110 mm (Boost) umgerüstet werden, wie im Fall unserer Testgabel. Anders als heute bei „Steckachsen“ üblich, handelt es sich hier um eine echte Steckachse, die nach dem Einschrauben noch durch je eine Schraube auf jeder Seite geklemmt wird. Hierfür ist Werkzeug, und zwar ein 5 mm Inbus notwendig. Der Vorteil ist, dass der Formschluss und damit die Steifigkeit dadurch spürbar erhöht werden. Auch nutzt INTEND hier eine Stahlachse weil diese, wie im Video erwähnt, bei gleichem Gewicht steifer ist.

Das linke ausfallende beherbergt zusätzlich die größenspezifischen PM-Bremssockel und die aufgeschraubte Bremsleitungsführung.

Die Post-Mount Bremssockel sind für jede Bremsscheibengröße spezifisch und an den Ausfallenden verschraubt. Dadurch muss man nicht mehr mit zusätzlichen, unschönen Adaptern hantieren, braucht dafür aber immer die passenden Adapter. Optisch ansprechender ist diese Lösung auf alle Fälle. Aufgrund der Upside-Down-Konstruktion braucht man natürlich auch eine andere Art der Bremsleitungsführung – INTEND bedient sich dabei einer ebenfalls aufgeschraubten Führung, wie sie im Bild oben gut zu sehen ist. Weiter oben müssen dann zwei zusätzliche Führungen per Kabelbinder angebracht werden, die im Lieferumfang enthalten sind – mehr dazu im Folgeartikel.

Auch der Stiffler-Gabelschaft ist eine Eigenentwicklung und soll sowohl steifer sein und zudem Knickgeräusche verhindern. Die untere Abdeckkappe erhöht die Steifigkeit und hält Schmutz vom Inneren des Gabelschafts fern.

Der eigene Stiffler Gabelschaft ist das einzige im Ausland gefertigte Bauteil und kommt aus Österreich. Die Besonderheit daran ist, dass einerseits seine Wandstärken in hoch belasteten Bereichen angepasst wurden und andererseits eine Alukappe von unten aufgeschraubt ist. Beide Maßnahmen dienen dazu die Steifigkeit der Gabel zu erhöhen und eventuell auftretenden Knackgeräuschen entgegen zu wirken. Der positive Nebeneffekt ist, dass von unten kein Schmutz in den Gabelschaft kommt. Das Bauteil wiegt gerade mal 50 g mehr als handelsübliche Gabelschäfte gleicher Länge. (Nur am Rande angemerkt: Für alle, die unter unerklärlichem Gabelknacken leiden, oder die ihren bestehenden Gabelschaft zu stark gekürzt haben, gibt es den Stiffler Gabelschaft auch separat zur Auf-/Umrüstung seiner eigenen ROCK SHOX oder FOX Federgabeln für 159.- Euro bei dem INTEND-Kooperationspartner LEMON SHOX.)


Ein kleines Detail unserer Testgabel und normalerweise als Zubehör zu kaufen ist das eigene Smarty Schaft-Konus, der mit einer T20 Schraube im Schaft verspreizt wird und gerade mal 12 g wiegt. Die beim Smarty enthaltene, sehr schön gefertigte und edel wirkende Ahead-Kappe  wird mit einer zweiten T20 Schraube aufgeschraubt. Der Smarty kommt auf 39.- Euro.

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DIE LUFTFEDER & DÄMPFUNG

Aber das Chassis und dessen Konstruktion  ist bei weitem noch nicht alles was die Edge von anderen Gabeln unterscheidet. Auch das Innenleben ist eine Eigenentwicklung und richtig findig gebaut. Die Luftfeder ist möglichst einfach gehalten um den Service und die Wartung einfach zu gestalten, erlaubt es intern den Federweg zwischen 130 und 180 mmzu verstellen und besitzt eine außergewöhnlich lange Negativ-Feder für ein besonders sanftes uns sensibles Ansprechverhalten – siehe Grafik.

Hier eine Grafik mit dem direkten Vergleich verschiedener Kennlinien. Sie soll zeigen, dass die INTEND sowohl sensibler anspricht als übliche Luftfedern und zudem einen lineareren Verlauf mit nur mäßiger Progression besitzt.

Um die Progression gegebenenfalls anzupassen, gibt es einen eigenen Spacer oder „Token“, der von unten in die Luftkammer geschraubt werden kann. Das Befüllen der Luftkammern erfolgt wie gewohnt über ein Autoventil von oben. Der Ausgleich der Positiv- und der Negativ-Federn erfolgt über eine Kolbenstange im Inneren und ein Autoventil, das sich automatisch  öffnet, wenn man eine Dämpferpumpe ansetzt. Simpel aber effektiv. Auch hier wieder die Erklärungen vom Meister selbst:

Auch bei der Dämpfung geht INTEND eigene Wege und nutzt das für seine Zuverlässigkeit und Wartungsfreundlichkeit bekannte offene Ölbad. Wie genau er das macht und warum die Edge dabei mit viel weniger Öl auskommt, als bei einer derartigen Konstruktion üblich, lasse ich an der Stelle auch wieder Cornelius selbst erklären – aber soviel sei schon gesagt: Wirklich Smart!

Wie im Video erwähnt hat die Edge eine extern  einstellbare Low-Speed Druckstufe und eine Low-Speed Zugstufe. Die Einsteller sind, bedingt durch die Upside-Down-Konstruktion gegenüber herkömmlichen Federgabeln umgekehrt – oben die Zugstufe und unten die Druckstufe – sie Bilder unten. Die beiden High-Speed-Kreisläufe werden durch Shims gesteuert und lassen sich intern tunen, wenn man die nötigen Schrauberkenntnisse besitzt. Jede Gabel wird von Cornelius spezifisch auf den jeweiligen Fahrer und dessen Fahrstil abgestimmt – in unserem Fall ein Medium Tune.

Mit ihrem Federweg zwischen 130 und 180 mm ist die Edge vor allem für den All-Mountain und Enduro-Einsatz gedacht. Gewichtstechnisch passt die Kleinstseriengabel auch genau in dieses Segment – unsere 170 mm Testgabel kommt mit 210 mm Gabelschaft auf genau 2090 g (inkl. Stahl-Steckachse und 200 mm Bremssockel). Die Edge kann wahlweise mit 51 mm oder mit 44 mm Offset geordert werden. Unsere Testgabel hat den aktuell trendeigen, kürzeren Offset von 44 mm. Ich bin, gespannt, ob man den Unterschied zu den bisher an der MARZOCCHI Bomber Z1 gefahrenen Offset von 51 mm wirklich spürt.

 

Der VK einer Gabel, die man wahlweise in Schwarz, Blau (unsere Testgabel) oder Silber bekommt, liegt bei 1949.- Euro. Ein stolzer Preis und deutlich höher als die vergleichbaren Federgabeln der Konkurrenz, aber dafür bekommt man auch ein wirklich bemerkenswertes Stück Ingenieurskunst und etwas ganz Besonderes – die einzige aktuell auf dem Markt befindliche All-Mountain/Enduro-Gabel in Upside-Down-Konstruktion, ganz und gar Made in Germany (and Austria J), von Hand zusammengesetzt und individuell abgestimmt und – ich wiederhole mich – alles dem Kopf eines einzigen Menschen entsprungen. Jetzt muss sie nur noch genauso gut funktionieren wie die aktuellen Top-Gabeln … und genau das werde ich in diesem Test überprüfen. Jede Gabel wird erst nach Eingang der Bestellung gefertigt, was bedeutet, dass man sich etwas gedulden, muss ehe man das edle Stück an sein Bike schrauben kann – in der Regel beträgt die Lieferzeit etwa 3 Monate.

Wie ihr seht, ist sie bereits an meinem POLE Evolink montiert und absolviert bereits ihre ersten Trail–Ausfahrten. Demnächst mehr zum Thema Setup und den ersten Praxiseindrücken. Weiteren Details, Infos und Anleitungen findet ihr auf der INTEND Webpage.

RIDE ON,
c_g