POLE Evolink 158 Enduro – Erste Eindrücke: von c_g
(bisher hierzu erschienene Artikel: POLE Evlink 158 EN Rahmenkit – Vorstellung, POLE Evolink 158 – Komplettbike)

Wer auf unserer Seite (oder auch sonst wo) etwas von POLE BIKES gehört hat, weiß wofür deren Räder stehen: Extrem flache Lenkwinkel, super steile Sitzwinkel, ellenlange Hauptrahmen/Hinterbauten und damit einen Radstand wie ein Schwerlaster. Unser POLE Evolink 158 Testbike ist das extremste unter den geschweißten Evolink-Rahmen und entspricht ziemlich genau der Geometrie, wie sie auch am CNC-gefrästen POLE Machine zum Einsatz kommt. Die Folgen in Sachen Handling sind relativ leicht absehbar: Massenweise Laufruhe, Sicherheit und Gelassenheit – bergab, aber auch bergauf.

Das POLE Evolink 158 ist wohl eines der ungewöhnlichsten Enduro-29er, die ich je in einem ausführlichen TNI-Test hatte – das sieht man und das spürt man auf dem Trail.

Fangen  wir mit der Sitzposition an. Hier zeigt sich für mich deutlich, wie wenig man ein Bike nur nach Einzelwerten beurteilen darf – denn, anstatt wie auf einer langen Streckbank, sitzt man auf dem POLE Evolink in Large ausgesprochen kompakt, oder besser gesagt aufrecht. Mit einem effektiven Oberrohr von 644 mm ist der Winkel zwischen Oberkörper und Armen zwar genauso offen, wie mit anderen vergleichbaren Rahmen (nicht viel anders, als beim zuletzt gefahrenen SCOTT Ransom (in L) oder das LAST Glen (in XL) aber weil das Tretlager durch den steilen Sitzwinkel in der Horizontalen viel mehr unter, als vor dem Sattel liegt, sitzt man subjektiv deutlich aufrechter auf dem Pole … spürbar weniger nach vorne gebeugt, wie auch auf dem Foto unten gut zu sehen ist. Sitzend fühlt sich das POLE deswegen viel kompakter an, als man es erwarten würde. Erst wenn man aus dem Sattel geht, bekommt man den Reach von beeindruckenden 510 mm zu spüren … doch dazu später mehr.

Trotz des sehr langen Rahmens, ist die Sitzposition bemerkenswert aufrecht und damit viel komfortabler als erwartet.

Im Sitzen fühlte ich mich mit dem POLE Evolink daher anfangs recht ungewohnt, fast schon wie auf einem Oma-Rad und dementsprechend komplett fühlt man sich damit auf einfachen Fortstrassen oder leichten Trails ein wenig deplaziert. Man spürt sofort wie viel Gewicht auf dem Sattel ruht und wie wenig Gewicht die Arme in dieser Position tragen müssen. Dadurch fühlt sich die mit dem 64° Lenkwinkel sehr laufruhige Lenkung durchaus schon so träge an, dass man sich auch hier zuerst etwas umgewöhnen muss.

 

Zuerst habe ich versucht dem dadurch entgegen zu wirken, dass ich das Cockpit tiefer gesetzt habe um mehr Druck aufs Vorderrad zu bringen, hatte dann aber immer wieder früh mit verkrampften und ermüdenden Oberarmen und Schultern zu kämpfen. Mittlerweile fahre ich das Cockpit wieder mit den gewohnten 3-4 cm Sattelüberhöhung … und habe mich scheinbar an die sehr laufruhige Lenkung gewöhnt, denn sie fällt mir kaum mehr auf. Sobald der Trail ruppiger wird oder die Geländeneigung zunimmt verschwindet die Lenkung ohnehin komplett aus der Wahrnehmung und ein Gefühl der subjektiven Sicherheit und Gelassenheit rückt ganz deutlich in den Vordergrund.

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UPHILL

Im Uphill kennt das POLE Evlink mit seinem steilen Sitzwinkel, langen Hinterbau und langen Radstand erst dann Grenzen, wenn die Reifen durchdrehen. Sitzend kommt man mit selbst steilste Auffahrten ganz entspannt hoch.

Egal wie steil der Trail nach oben zeigt, die aufrechte und „offene“ Sitzposition und der immense Radstand mit langem Hinterbau sorgen bergauf dafür, dass der Schwerpunkt kaum je der HR-Achse nahe kommt und man einfach ganz entspannt pedalierend selbst steilste Passagen hoch klettert. Ich denke POLE geht mit dem 79° Sitzwinkel am Evolink schon nahe ans Limit dessen, was auch am MTB noch sinnvoll ist, aber für mich persönlich fühlt sich diese Sitzposition im steilen Uphill sehr effizient an, effizienter als bei vielen anderen Bikes. Dementsprechend sind dies auch genau dies Momente, in denen mir das hohe Gesamtgewicht des Bikes vollkommen egal ist – nach meinem aktuellen Kenntnisstand beeinflusst die Möglichkeit entspannt zu sitzen und sich ganz aufs Treten zu konzentrieren den subjektiven Anstrengungsgrad deutlich stärker und auf eine positive Art und Weise, als es ein leichteres Bike je könnte, auf dem man im Uphill verspannt oder gar verkrampft sitzt.

Anstiege, in den man normalerweise ordentlich Gewicht verlagern muss, sind mit dem POLE Evolink ganz bequem sitzend zu treten. Ich liebe es!

Stehend oder im Wiegetritt ist der Effekt kehrt sich der Effekt ein wenig um. Hier hatte ich vermehrt mit einem durchdrehenden Hinterrad zu kämpfen, weil ich im steilen Uphill einfach zu wenig Druck auf dem Hinterrad habe. Ich persönlich fahre bei einem Long-Travel-Bike ohnehin nur im Wiegetritt um meinen Oberkörper wieder zu lockern oder wenn es einfach gar nicht anders geht und daher empfinde ich das POLE Evolink im Uphill einfach super, weil mein Oberkörper bergauf kaum mehr verkrampft und ich einfach vor mich hin treten kann. Fahrer, die sehr gerne und viel stehend treten, für die Wiegetrittfahren Teil ihrer Uphillfahrten ist, könnten das durchaus als Nachteil empfinden.

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DOWNHILL

Bergab, in Steilstücken oder über Stufen generiert das POLE eine ähnliche Ruhe und Gelassenheit. Überschlagsgefühle, Unsicherheit oder aus Angst verkrampfte Lenkung gehören damit nahezu der Vergangenheit an. Statt in Steilstücken oder über Stufen das Gewicht nach hinten zu verlagern, was die meisten von uns über die Jahre verinnerlicht haben und ganz intuitiv machen, reicht es beim ultralangen POLE fast immer einfach nur, die Beinen etwas mehr anzuwinkeln und den Schwerpunkt anstatt nach hinten, nur nach unten zu verlagern. Die Lenkung selbst bleibt bei jedem Tempo sehr gelassen und lässt einen vorher herausfordernde Passagen mit einer recht schlafwandlerischen Sicherheit fahren.

Dies ist nur ein kleiner Baumstumpf, er zeigt aber welche Sicherheit das POLE Evolink vermittelt, wie es Überschlaggefühle ausradiert und bereits mit wenig Gewichtsverlagerung zurecht kommt.

Die effektive Schwerpunktlage auf dem Bike scheint dabei nahezu irrelevant, denn Der Spielraum um sich auf dem Bike zu bewegen ohne, dass nachteilige Effekte auftreten, ist riesig. Durch den langen Hinterbau und das weit nach vorne ragende Vorderrad sprengt das POLE einfach alle bisher bekannten Maßstäbe. Man spürt durch den gewaltigen Radstand schlichtweg kaum mehr, wenn man das Gewicht ein wenig zu weit nach vorne oder nach hinten verlagert. Lageänderungen, die sich auf den meisten anderen Bikes als deutlich spürbar auswirken, sind auf dem Pole kaum wahrnehmbar, was zu einer sehr hohen Gelassenheit führen und das subjektive Sicherheitsempfinden stark fördern.

Wenn es eine Sache gibt, die beim POLE Evolink 158 heraussticht, ist es die Laufruhe und subjektive Sicherheit, die es generiert.

Dieser Effekt sorgt einerseits dazu dass man sich sehr sicher, ja fast schon unbesiegbar fühlt und mehr traut, hat aber auch den nachteiligen Effekt, dass man sich beim Umstieg auf weniger gelassene Bikes wieder aktiv dazu zwingen muss, sauber zu fahren. Wenn man es so formuliert, erreicht man mit dem POLE genau den entgegengesetzten Lerneffekt, wie beim Training auf einem Dirt-Jumper oder BMX.

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KINEMATIK & FEDERUNG

Die von POLE eigen entwickelte Kinematik mit virtuellem Drehpunkt und dem sich konzentrisch ums Innenlager drehenden unteren Umlenkhebel, hat bisher keine echten Schwächen gezeigt. Mit dem originalen ROCK SHOX Monarch Plus Dämpfer arbeitet der Hinterbau effektiv und sauber, wenn auch nicht sehr sensibel. Mit seinem gelieferten Dämpfertune (Rebound: High/Compression: Low) reagiert der Dämpfer selbst mit komplett offenem Rebound weniger sensibel auf kleinere Schläge und das geht natürlich zu Lasten des gefühlten Komforts.

Andererseits bietet der Hinterbau dadurch viel Feedback, hat einen angenehmen Gegendruck um das Bike über Wellen zu pushen und fährt sich mit viel „Pop“ bei Sprüngen. Auch was seine Progression und damit die Reserven angeht, habe ich bisher keine Beanstandungen. Selbst bei den Sprüngen und Drops, in denen ich die Fahrwerke gewöhnlich ans Limit bringe, habe ich zwar immer den vollen Federweg genutzt, habe aber nie harte Durchschläge gespürt. Deshalb sehe ich bisher auch noch keinen Grund am Setup des Dämpfers etwas zu verändern.

Die eigenen Kinematik am Evolink ist nicht unbedingt die komfortabelste, steckt aber auch härtere Landungen klaglos weg ohne hart durchzuschlagen.

Insgesamt trifft das Evolink 158 damit genau den Charakter eines aggressiven Enduro-Racebikes, das es ja sein will. Ein Bike, das schnell gefahren werden will und noch besser funktioniert, wenn der Fahrer es aktiv über den Trail führt, Wellen zum Pushen nutzt und mit dem Gelände arbeitete, statt es nur zu überrollen. Ob und wie sich dieser sportliche Charakter des POLE durch einen anderen Dämpfer oder Dämpfertune noch in Richtung Komfort wandeln ließe, werde ich hoffentlich schon bald ausprobieren können. Auch im Uphill empfinde ich die Kinematik bisher als sehr effizient und gelungen, ein Eindruck, der aber sicher auch durch die gelassenen Geometrie beeinflusst ist. Bisher hatte ich jedenfalls noch nie das Verlangen die Plattformdämpfung einzulegen – weder um den Hinterbau zu beruhigen, noch um das Heck im Uphill hoch zu halten. Aufgrund des ohnehin vergleichsweise geringen BB-Drops von nur 17 mm gibt es kaum Bodenkontakte beim Pedalieren.

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KOMPONENTEN

Was die Komponenten am Evolink angeht, gibt es nur wenig zu sagen. Die meisten sind ohnehin lange bewährte Teile aus früheren Tests und zu den PI ROPE Laufrädern gab es ja ohnehin gerade erst ein Update. Eine Komponente hat sich allerdings schon jetzt hervorgetan: Der SQ-LAB 6OX Sattel, der mit seiner unterstützenden Stufenform und dem hohem Komfort perfekt auf ein Bike passt, auf dem man so aufrecht sitzt und eben bei weitem nicht so viel aus dem Sattel gehen muss, wie sonst.

  

Ein paar kleine Veränderungen gegenüber dem vorgestellten Komplettbike habe ich auch schon unternommen. So habe ich Reifen gegen 45NRTH Nicotine Spikereifen getauscht, am Hinterbau einen MUDHUGGER Fender angebracht und auch hier wieder meine geliebten SQ-LAB 411 Innerbarends montiert habe. Damit erreicht das Bike nicht gerade beschleunigungs-gierigen 15,1 kg (ohne Pedale), aber wie vorher schon gesagt, stört mich dieses Gewicht bisher wirklich kaum. Ob ich das nach 1000 Hm am Stück auch noch sage? Mal sehen, aber es wird wohl noch eine Weile dauern bis derartige Touren wieder möglich werden. Ach ja – in Sachen Steifigkeit hat POLE alle Register gezogen, damit das Evolink auch mit seinen ultralangen Rohren und dem flach bauenden Hauptrahmen sehr präzise zu fahren ist. Keine Spur von Verwindung oder Flex. Dafür wiegt der Rahmen ja auch fast 4,5 kg.

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Zusammenfassung – Erste Eindrücke

Noch sind die Bedingungen zum Testen auf meinen Hometrails stellenweise eingeschränkt … aber auch das hat seine Reize.

Auch wenn die Geometriewerte des Evolink 158 nicht mehr in allen Aspekten am absoluten Limit liegen (das SCOTT Ransom in L und das LAST Glen in XL hatten einen vergleichbaren Lenkwinkel und ähnliche lange Hauptrahmen), ist es dennoch weiterhin eines dieser Bikes, die einfach für steiles und technische Gelände gemacht sind. Der unglaublichen Sicherheit und Gelassenheit bergab stehen hervorragende Uphill-Eigenschaften gegenüber, die sich vor allem dann zeigen, wenn es richtig steil wird. Dazwischen – bei moderaten Neigungen und einfacheren Trails – gibt sich das POLE Evolink ein wenig unterfordert und wirkt mitunter fehl am Platz. In solchen Situationen muss man sich an das extrem laufruhige Handling und die aufrechte Sitzposition wirklich gewöhnen. Ob mir das wirklich gelingt und ob das hohe Rahmengewicht durch die gefühlte Effizienz auch im Uphill kompensiert werden kann, muss der weitere Test zeigen. Aktuell ist das POLE Evolink 158 in meinen Augen noch ein hoch spannendes Race-Enduro, das vor allem für technische Trails und viel Speed ausgelegt ist.

RIDE ON,
c_g