SCOTT Ransom 900 tuned – Zwischenstand: von c_g
(hierzu erschienene Artikel: Offizielle Vorstellung des SCOTT Ransom, Testintro des SCOTT Ransom 900 tuned)

Normalerweise geben wir uns und unseren Testbikes zuerst einmal ein wenig Zeit um sich aneinander zu gewöhnen, ein paar Runden auf dem bekannten Hometrails ehe es gröber wird. Aber das brandneue SCOTT Ransom 900 tuned passt nicht in die Kategorie „normal“, also hatte ich auch kein echtes Problem damit den Test etwas anders zu starten – und zwar gleich im Bikepark.

Warum das SCOTT Ransom 900 tuned Testbike nicht normal ist? Ganz einfach. Wo sonst gibt es ein 29er Enduro mit 170 mm Federweg vorne wie hinten, dessen Carbonrahmen unter 2500 g wiegt, das es als Komplettbike auf gerade mal 13,7 kg bringt und das mit allerlei technische Finesse namens TwinLoc, Ramp Adjust und Co. nicht nur bergab richtig gut sein soll? Zugegeben, diese Eckdaten kommen auch mit einem VK von fast 7500.- Euro, der dieses spezielle Bike jenseits der Rechweite von vielen setzt, aber wer mit etwas mehr Gewicht keine Thema hat, findet in der Modellpalette des SCOTT Ransom auch Modelle bis hinunter zu sehr erschwinglichen 2999.- Euro.
Wie also fährt sich das SCOTT Ransom 900 tuned? Ganze ehrlich? Saugut! Schon nach der allerersten Eingewöhnungsrunde damit im Bikepark Oberammergau  hatte ich  schon sehr bald diesen Eindruck einem von absoluter Kontrolle und Sicherheit wie sie nur ein sehr gelungenes Zusammenspiel aus gelungener Geometrie und sehr gut abgestimmter Federung generieren können.

Seine allerersten Testrunden durfte das SCOTT Ransom am allerletzten Öffnungstag im Bikepark Oberammergau erleben …

Schon beim Aufsitzen und in den ersten Kurven ist mir aufgefallen, was sich in den folgenden schnellen Kurven und harten Landungen immer wieder bewahrheitet hat: Der HMX-Carbonrahmen ist wirklich sehr steif und präzise. Trotz seines unglaublich geringen Gewichts spürt man auch mit viel Krafteinsatz kaum einen Flex im Rahmen. Die Behauptung, dass SCOTT hier einen ihrer bisher steifsten Carbonrahmen gefertigt hat, kann ich durchaus bestätigen.

… und hat dabei gleich einen riesigen Spaß gemacht.

Das nächste worin mich das Ransom sofort begeistert hat, ist seine moderne aber nie zu extreme Long, Low’n Slack Geometrie mit der das Bike eine sehr angenehme Kombination aus Laufruhe und Agilität findet. Während die Front mit ein wenig aktivem Druck viel Laufruhe bietet und Sicherheit suggeriert, vermittelt das für seinen Federweg kompakte Heck immer noch so viel Agilität und Spieltrieb, dass ich ohne darüber nachzudenken schon auf der zweiten Fahrt damit den Fichtenschreck mit ordentlich Speed runter geräubert bin.

Die Trail-Bedingungen waren zu dem Zeitpunkt nahezu optimal und sehr griffig, weshalb ich sofort richtig Gas geben konnte und dementsprechend auch die Federung ernsthaft fordern konnte. Auch hier haben sich die speziellen FOX Factory Federelemente nie eine Schwäche geleistet.  Auch mit dem ersten groben Setup und ohne Feintuning gab sich die Federung sofort von ihrer allerbesten Seite. Unterstützt durch das große Volumen der 2,6“ MAXXIS DHF II Reifen vorne und hinten war es eine echte Freude die wurzelübersäten Track runter zu heizen. Was die Abstimmung der Federelemente angeht – vorne eine FOX 36 EVOL FIT4 Remote und hinten ein spezieller FOX NUDE TR EVOL Remote mit exklusiver Ramp Adjust – konnte  ich bisher keinerlei Schwächen entdecken. Gabel und Heck reagieren sehr sensibel und feinfühlig auf kleinere Schläge bleiben auch bei schnellen Schlagfolgen wunderbar kontrolliert und haben dennoch genug Reserven fürs Grobe. Trotz des auf   30% eingestellten SAGs hatte bisher noch kein einziges Mal geschafft, je einen echten Durchschlag zu provozieren, obwohl ich regelmäßig den gesamten Federweg ausnutze.

   

Und wenn ich auf das Setup zu sprechen komme, darf ich nicht vergessen zu erwähnen, dass SCOTT ihrem Ransom zwei smarte SAG-Indikator-Lehren mitgibt, mit denen man sowohl die FOX Gabel, wie auch den Dämpfer wirklich schnell und einfach einstellen kann. Einfach aufstecken, einstellen und wieder abnehmen – etwas, das ich bisher nur von PIVOT kenne und dort bei weitem nicht so schön ausgeführt.
Doch zurück zu den Praxiseindrücken. Mit seiner auf Anhieb sehr angenehmen Handling, der hohen subjektiven Sicherheit und üppig Federweg ausgestattet hat es nicht einmal eine Runde gedauert, bis ich mich wirklich pudelwohl gefühlt hatte und wirklich genießen konnte, welches Potential in den 170 mm Federweg steckt. Echt klasse! Aber das Ransom ist ja nicht nur für Gravity-Rides gemacht. Es will auch ein guter Allrounder und sauberer Kletterer sein.

Aber das SCOTT Ransom 900 tuned kann nicht nur bergab – auch im Uphill gibt es sich unerwartet gelassen.

Diese Eigenschaften konnte ich in den letzten 14 Tagen ausgiebig auf meinen gewohnten Hometrails erkunden, die sich in dieser Zeit von staubtrocken zu ernsthaft schmierig gewandelt haben. Während mir das Handling im Bikepark (und meist stehend) schon sehr gut gefallen hat, konnte die Sitzposition mich auch voll überzeugen. Mit einem Sattelauszug von 78 cm (Tretlagerachse bis Satteloberkante) sitze ich mittig bis ganz leicht hecklästig auf dem Bike. Weder in der Lenkung noch im übrigen Handling empfinde ich das Ransom als „viel zu viel Bike“, wobei ich persönlich auch eine Vorliebe für derartige Geometrien mit flachem Lenkwinkel und langem Radstand habe. Als langlebiger Allrounder genutzt empfinde ich das Ransom als gerade noch gut, kann aber auch verstehen, wenn andere Fahrer es bereits als „zu viel des Guten“ ansehen. Für diese Fahrer gibt es ja auch noch das ebenfalls sehr gute Genius im SCOTT-Sortiment.

Die sensible Federung und aggressiven Reifen bieten selbst auf nassen Wurzeln ein Höchstmaß an Traktion.

Was mich positiv überrascht hat, war wie unauffällig das Ransom auch in wirklich steilen und technischen Uphills bleibt. Selbst in den allersteilsten Bergaufpassagen reicht schon ein leichte Gewichtsverlagerung nach vorne um die Front sauber am Boden zu halten. Klar sinkt das Heck mit offenem Dämpfer ein wenig in seinen üppigen Federweg, aber nie so viel, dass ich den TwinLoc-Hebel als Pflicht ansehe. Die straffere Dämpfung mit reduziertem nutzbaren Federweg, die einem ja mit einem Fingerdruck zur Verfügung steht, habe ich zwar hin und wieder eingelegt um zu sehen wie sich das Bike dann fährt, halte es aber wirklich nur in langen Forstrassenanstiegen oder eben im Wiegetritt für notwendig. Auch wenn das Ransom für meine Trails genau die richtige Tretlagerhöhe hat, hilft die straffere Dämpfung zusätzlich um Bodenkontakte in besonders groben Wurzelanstiegen zu reduzieren. Wie im Intro angedeutet, nutze ich die NUDE/TwinLoc-Option am Ransom wirklich häufiger als noch beim Genius, bin aber trotzdem positiv überrascht, wie vielseitig das Ransom aber auch mit offenem Dämpfer ist. Den echten Lockout als dritte TwinLoc-Stufe habe ich in der Praxis wirklich noch nie genutzt und halte ihn an einem solchen Bike auch eher für überflüssig. Außerdem muss man dafür den TwinLoc Hebel so weit durchdrücken, dass man den Griff am Lenker schon deutlich lockern muss.

Egal ob mit offener Dämpfung oder im Traction-Mode, ist das SCOTT Ransom auch ein sehr gutes Trailbike. Etwas viel Federweg vielleicht, aber der rest passt auch hier.

Eine interessante Beobachtung war, dass ich mit dem Ransom auch mit strafferer Dämpfung in Abfahrten und bei Sprüngen noch beinahe den gesamten Federweg genutzt habe und das Bike auch über Wurzeltrails nie als zu straff oder gar bockig empfunden habe. Diese zweite Stufe strafft das Heck gerade genug damit en nicht mehr wippt und gegen Pedaleinflüsse resistent bleibt, aber doch nur soviel, dass es weiterhin extrem traktionsstark und mehr als ausreichend komfortabel bleibt. Daher schon an dieser Stelle ein großes Kompliment für die Abstimmung der Federelemente, mit denen das Potential des Bikes noch weiter optimiert wird – sowohl bei der Abfahrt, wie auch als Allrounder und im Uphill. Die exklusive Ramp Adjust-Technologie, mit der man nur durch einen Hebel die Dämpferprogression verändern kann, habe ich bisher ebenfalls schon ein wenig kennengelernt, möchte mich aber noch eine wenig damit beschäftigen ehe ich mich hierzu äußere. Auch das im Intro angekündigte Thema des 44 mm Offsets an der Federgabel werde ich mir erst im weiteren Verlauf des Tests anschauen. Auch dazu mehr im nächsten Artikel.

Um den Dropper Remote zu bedienen, muss man den Griff deutlich lockern.

Echte objektive Kritikpunkte habe ich bisher noch an dem SCOTT Ransom 900 tuned kaum welche gefunden. Eine Sache, die systembedingt wohl nicht anders geht, ist der nicht ganz so ergonomische Dropper-Remote über den Lenker. In Kombination mit dem dreistufigen TwinLoc Hebel geht es nicht anders und man kann sich durchaus daran gewöhnen, aber wer die überragende Ergonomie eines Remotes unter dem Lenker gewohnt ist, möchte einfach nicht mehr anders. Wäre es mein Bike, würde ich einen SRAM TwistLoc und einem Dropper-Remote unter dem Lenker montieren und auf die dritte Lockout-Stufe einfach verzichten. Der mit 150 mm eher mäßig ausfallende Hub der FOX Transfer Dropper wäre  ein anderer Kritikpunkt. Weil man die Stütze aber manuell noch viel tiefer im Sattelrohr versenken kann, lässt sich diese aber doch recht gut verkraften. Auf den allermeisten Trails reichen mir die 150 mm noch aus und wenn es für eine besonders lange und technische Abfahrt, oder eben im Bikepark, doch mal tiefer sein muss, senkt man die Stütze einfach manuell weiter ab. Kein großes Thema aber eben doch nicht ganz perfekt.
Bei den Kontaktpunkten hat jeder Fahrer ohnehin ganz persönliche Vorlieben. So würde ich mir eine etwas stärkere Kröpfung als die vorhandenen 9° am Lenker wünschen. Weil das mit dem einteiligen SCOTT HiXon Vorbau und Lenker aus Carbon aber etwas mehr Montageaufwand bedeuten würde und ich ansonsten keinerlei Probleme mit dem sehr edlen und leichten, einteiligen Cockpit habe, lasse ich es vorerst noch unverändert.

Statt dee anfänglich trockenen Herbstwetters sind die Trails aktuell wenig einladend. Nass, rutschig und sehr herausfordernd.

In allen anderen Bereichen der Ausstattung, Schaltung (SRAM X01 Eagle), Bremsen (SRAM Code RSC), Laufräder oder Reifen habe ich bisher keinerlei Kritikpunkte gefunden. Gerade die breiten MAXXIS DHF II 29×2,6 Reifen haben bei mir bisher einen ist recht positiven Eindruck hinterlassen. Das große Volumen samt niedriger Drücke sorgt auch auf weichen Böden für eine tolle Traktion und bietet eine super Dämpfung. Zweifelsohne macht man  bei der stark enduro-lastigen Kombi aber Abstrichen in den Rolleigenschaften. Das Lenkverhalten und auch das Verhalten im Grenzbereich empfinde ich als weitgehend unauffällig, sicher und gutmütig.

Bisher hat sich das SCOTT Ransom im Test bestens bewährt – mal sehen ob es auch im nächsten Teilabschnitt so bleibt.

Zusammenfassung: SCOTT wollte mit demTopmodell Ransom 900 tuned ein genauso potentes wie vielseitiges Endurobike im Programm haben – eines mit dem man genauso in der EWS starten, wie eine Trail-Transalp fahren kann … und der erste Eindruck des Testbikes bestätigt genau das. Während die hervorragende Dowhill-Performance angesichts von 170 mm Federweg vorn wie hinten zu erwarten war, klettert das Ransom auch überraschend gut und gibt sich sogar als Trailbike sehr fähig. Bis auf der integrationsbedingte Schwäche in der Dropper-Remote-Ergonomie konnte ich bisher noch keine echten praxisrelevanten Schwächen an dem Bike feststellen. Mit der hier gefahrenen Edelausstattung zählt das Ransom 900 tuned sicher zu den leichtesten Enduros, die ich kenne. Aber weil in Geometrie und damit Handling gleich, ist es legitim viel der hier getroffenen Aussagen auch auf die weniger exklusiven Ransom Modelle zu übertragen. Selbst mit einem Komplettgewicht von 14 bis 15 kg wäre das SCOTT Ransom noch ein sehr gutes Bike. Demnächst noch mehr zu dem spannenden Enduro-29er mit einem genaueren Blick auf die Ramp Adjust Technologie und den Gabel-Offset.

RIDE ON,
c_g