Eurobike Media Days #1 – SCOTT Genius 900 Tuned: von c_g
(Anmerkung: Bei diesem Artikel handelt es sich lediglich um Fahreindrücke auf uns teils unbekannten Trails mit zeitlich eng begrenzter Fahrzeit – mehr nicht, aber auch nicht weniger. Echte TNI-Tests folgen wenn sich die Gelegenheit ergibt.) 

Soeben erst vorgestellt, konnte wir das jüngste SCOTT Genius bereits auf den Trails am Kronplatz fahren.

Es ist noch gar nicht so lange her, dass SCOTT ihr seit viele Generationen bestehendes „One-for-All“ Bike Genius im komplett neuen Gewand vorgestellt haben – noch leicht, noch steifer und noch vielseitiger und weiterhin sowohl im 29er, wie auch im 27,5er Format (wenn auch al 27,5 nur mit 2,8“ Reifenbreite).

Zu unserer Freude war SCOTT schon zu den Eurobike Media Days mit einer ganzen Testflotte des neuen Genius angereist. Also habe ich mir ein SCOTT Genius 900 Tuned geschnappt, das Topmodell im 29er Format, und bin damit einige Trails am Kronplatz gefahren, darunter auch den berüchtigten Herrnsteig.
(Leider war das Wetter während der Testrunde sehr durchwachsen mit häufigen Regenschauern, weshalb ich mich schon hier für die wenigen Fahrbilder und deren schlechte Qualität entschuldigen möchte.)

 

Wie schon in der Vorstellung ausführlich angesprochen, lehnt sich das neue Genius in vielen Konstruktions- und Rahmendetails ans Spark an. Den nun knapp vor dem Tretlager im Rahmen stehenden FOX NUDE Dämpfer mit Twin-Loc Technologie um dem 150 mm Fully noch mehr Vielseitigkeit zu geben, die grundlegend neue Rahmenform mit noch tieferem Oberrohr und eine modifizierte auf den Federweg angepasste Viergelenker-Kinematik mit kompaktem Umlenkhebel, … und … und …. und.

Die Geometrietabelle der 2018er SCOTT Genius – zum Vergrößern anklicken.

Mindestens genauso spannend ist auch die progressive Geometrie des jüngsten Genius’. Mit einem Lenkwinkel von 65°, einem effektive Sitzwinkel von 74,7° und einer Oberrohrlänge von 633,7 mm (Reach von 466 mm) zählt das Genius zu der immer weiter wachsenden Riege der „Long, Low’n Slack“ Bikes. Und das nicht von einer Nischemarke, sondern von einem weltweit agierenden, wirklich großen Hersteller wie SCOTT! Ach ja, die Kettenstrebenlänge ist bei der Neukonstruktion ebenfalls geschrumpft – von bisher 450 m auf sehr gute 438 mm.
Angesichts dieser Zahlen ist zu erwarten, dass das Bike ein sehr fähiger Abfahrer wäre, aber wie viel Allrounder steckt da noch in dem Genius? Reicht die Fahrwerksstraffung dafür aus?Ob all diese Neuerungen wirklich dazu dienen die Performance eines bereits sehr guten Bikes noch weiter zu verbessern? Ich habe es für euch in Südtirol bereits rausgefunden:

HIer mit einem 29×2,6″ MAXXIS Redon kommt das Genius in Serie mit einem genauso großen SCHWALBE Nobby Nic

Zuerst die grundlegenden Dinge: Anders als in der Serie hatte unser Testbike einen Satz MAXXIS REKON 29×2,6“ Reifen montiert. Später wird es mit 2,6er SCHWALBE Nobby Nics ausgeliefert werden. Allein schon die Reifenwahl ist es wert kurz angesprochen zu werden. Mehr Komfort, eine höhere Fahrstabilität und Sicherheit und gleichzeitig noch erstklassige Toureneigenschaften verspricht sich SCOTT von der Wahl der Mid-Plus-Reifen. Ich selber hatte den 2,6er Nobby Nic ja bereits im Test und fand auch beim gleichgroßen Rekon ein ähnliches Fahrverhalten: Eine erstklassige Performance auf dem Trail mit viel Komfrt und Sicherheit, aber eben auch ein leichtes Self-Steering auf hartem Untergrund. Interessant ist auch die Felgenwahl, denn sowohl für den 29×2,6 wie auch den 27,5×2,8 nimmt SCOTT Felgen mit für diese Reifenbreite eher schmalen 30 mm Maulweite. Ob das gut geht? Auch der serienmäßige an der FOX Gabel verschraubte SCOTT Fender (ebenfalls erst jüngst vorgestellt) fehlte an unserem Testbike.

Das SCOTT Genius 900 Tunis ist das Topmodell der Reihe, ad es als 29er gibt. Darüber ist nur noch das Genius Ultimate, aber ausschließlich als 27,5er.

Die übrige Ausstattung mit einem SRAM X01 Eagle Antrieb, SRAM Guide RSC Bremsen, speziell für SCOTT gefertigten DT-SWISS Laufrädern, einer FOX Transfer Factory Dropper (beim L Rahmen mit 150 mm Hub), der SYNCROS Carbon-Sattel und die neue SYNCROS Hixon iC SL Carbon Lenker/Vorbau-Einheit waren identisch zur Serie.

Die integrierte Lenkerkombi erlaubt zwar keinerlei Modifikationen am Cockpit mehr, funktionierte aber in dem Test einwandfrei. Ich persönlich bevorzuge zwar die Option auch mal einen anderen Vorbau zu fahren oder einen anderen Lenker zu montieren, aber rein ästhetisch setzt die edle Kombi natürlich schon noch mal eigene Akzente. Funktionell war sie tadellos und wie es sich für Lenker und Vorbau gehört – komplett unauffällig.

       

Bei der Federung geht SCOTT bei ihren Twin-Loc Bikes ja schon lange eigenen Wege. Die am 900 Tuned verbaute 2018er FOX Float 36 mit EVOL Luftfeder wird simultan mit dem in Kooperation mit FOX entwickelten NUDE Dämpfer über einen Lenker-Remote angesteuert. Vorne bewirken die drei Positionen lediglich eine Straffung (Open, Plattform und Quasi-Locked – ähnlich den FIT4 Kartuschen), hinten dagegen verringert sich zusätzlich das Luftvolumen wodurch man beim Wechsel vom OPEN- zum TRACTION-Modus nicht nur weniger Federweg zur Verfügung hat (SCOTT spricht von 110 mm, statt der vollen 150 mm), sondern auch noch mit weniger SAG fährt.

Ich hatte im Test keinerlei Probleme damit, ab ermiss den drei Hebeln auf engstem Raum, kann es schon verwirrend werden.

Einen Punkt gibt es hierbei noch anzusprechen: Angesichts der drei Hebel, die links am Lenker auf engstem Raum gedrängt liegen, kann ich mir sehr gut vorstellen, dass manch ein Fahrer versehentlich den falschen drückt und statt die Dropper-Stütze freizugeben, die Federung strafft, aber mir selber ist dergleichen während der Testrunden nie passiert.

Die Testrunden waren zwar eindeutig Traillastig, weshalb ich das Bike meist offen gefahren bin, aber bereits in den wenigen Situationen, in denen ich auf TRACTION umgeschaltet habe, hat sich gezeigt, dass das System genau wie angekündigt funktioniert.

Der TRACTION Modus funktioniert wie angekündigt und erweitert den Einsatzbereich in Richtung Tour.

Durch den verringerten SAG sitzt man aufrechter auf dem Bike, mit einem steileren Sitzwinkel und einer auch bei steilen Bergaufpassagen noch sehr zentralen Sitzposition. Durch den verbleibenden Federweg bleibt die Traktion weiterhin sehr gut und man kann ohne viel Gewichtsverlagerung auch sehr steile Anstiege entspannt hochtreten. Der durch das kürzere Heck näher an die Achse gewanderte Schwerpunkt wurde durch den etwas steileren Sitzwinkel komplett kompensiert, weshalb das Bike weiterhin sehr gut klettert.

Auch bergab gab es im Fahrwerk keinerlei Schwächen zu verzeichnen. Die FOX Float ist ja ohnehin eine der derzeit fähigsten All-Mountain/Enduro Gabeln und auch das neue Heck hatte eine erstklassige Performance. Mit einem SAG von 25% eingestellt gab es einerseits viel Komfort, ein gutes Feedback und gleichzeitig genug Reserven um den einen verpatzen Sprung ins Leere auch noch ordentlich zu verkraften. Egal ob in den schnellen Anliegerkurven, in denen das Bike immer ordentlich hoch im Federweg stand, oder in den wirklich verblockten Passagen, hatte ich nie das Gefühl, dass das Fahrwerk irgendwo Defizite gehabt hätte. Gut gemacht SCOTT!

Neben mehrfachen Regenschauern, gab es bei der Testrunde mit dem SCOTT Genius’18 auch kurze Momente mit Sonnenschein.

Auf dem sehr vielfältigen Herrnsteig der zum Teil sehr schnell ist, dann wieder richtig grob und je nach Variante auch mal richtig technisch wird, konnte sich die neue Geometrie mit all ihren Facetten zeigen. Es mag daran liegen, das ich mit diesen neuen Geometrien ohnehin gut zurecht komme, aber ich habe mich sofort auf dem Genius wohlgefühlt. Die Sitzposition bleibt auch mit dem gewachsenen Reach noch sehr angenehm und gelungen. Weil der längere Hauptrahmen ja mit einem kürzeren Vorbau – bei unserem Testbike bereits die integrierte Lenker-/Vorbau-Kombi aus Carbon – kombiniert wird, hat sich diesbezüglich wenig geändert. Die Gewichtsverteilung ist weiterhin mittig mit einer leichten Tendenz nach hinten. Was jedoch zu spüren war, ist die durch den flachen Lenkwinkel höhere Laufruhe bei hohen Geschwindigkeiten. Durch den kurzen Vorbau wirkt das Bike zwar nie „zu“ ruhig, hatte aber auch auf richtig schnellen Passagen und den vielen Anliegern keinerlei Probleme. Der bei der jüngsten Genius Generation kompakter gewordene Hinterbau hat dagegen dafür gesorgt, dass man auch langsam gefahrene Drops und sehr enge Kehren noch etwas gelassener und natürlicher hat fahren können. Spitzkehren, oder engere Passagen waren ebenso natürlich zu fahren wie richtig grobes Geläuf.

Egal ob grob und technisch, oder schnell und flowig – das neue Genius schient sich überall sehr wohl zu fühlen und macht in jedem Gelände viel Spaß.

Anders als angesichts der Geometriedate erwartet hat sich das SCOTT Genius in jedem Gelände und bei jeder Geschwindigkeit sehr intuitiv und natürlich fahren lassen. Nie zu agil und auch nie zu laufruhig und damit rundum gelungen als Bike, das jede Gangart von Tour bis Enduro nicht nur mitmacht, sondern dem Fahrer dabei auch noch Spaß macht.

Angesichts der zum Teil erdig nassen Trails war der MAXXIS Rekon Reifen erwartungsgemäß hin und wieder ein wenig überfordert. Gerade in den unteren, waldigen Trailpassagen hat sich mehrfach zugesetzt und dann nur noch mit verminderter Traktion gedient, aber einerseits ist der 29×2,6er Rekon ohnehin nicht der Serienreifen und zum anderen ist es mit einem Reifen ohnehin fast unmöglich das extrem breite Einsatzspektrums des Genius abzudecken … einen solchen Reifen gibt es einfach noch nicht. Mit dem 2,6er Nobby Nic betont SCOTT sicher den Touren- und All-Mountain-Fahrer. Wer das Potential der 150 mm aber wirklich ausnutzen will, us ohnehin auf robustere und gröbere Reifen aufrüsten.

Wenn es mein Bike wäre, würde ich vorne wahrscheinlich auf einen etwas schmäleren und aggressiveren Reifen wechseln, aber das ist wirklich von eher subjektiven Faktoren wie dem Fahrstil und Gelände abhängig.

Der Flip-Chip an der vorderen Dampferaufnahme blieb in dem Kurztest immer in der LOW Position weil er ja in der jüngsten Genius Generation nicht mehr zur Feineinstellung der Geometrie gesehen wird, sondern in erster Linie dazu dient die Geometrie oder genauer die Tretlagerhöhe auf das jeweilige Laufradformat anzupassen – Low beim 29er und High wenn man mit den 27,5×2,8er Reifen unterwegs ist.
Auch weiterhin sind keine Preise oder Verfügbarkeitsdaten bekannt. Die wurden aber für die Eurobike Ende August angekündigt.

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Zusammenfassung:

Insgesamt reicht die kurze Zeit auf dem SCOTT Genius 900 Tuned natürlich nicht aus für ein komplettes Fazit. Dennoch ist dieser erste Eindruck des neune Genius ein sehr positiver. Das Bike ist auch im neuen Gewand eine sehr gelungene Mischung aus moderner Geometrie, leichtem und zugleich steifen Carbonrahmen und einer erstklassigen Federung. Und damit scheint das 2018er Genius das bislang vielseitigste Genius zu sein.

Am Ende der Testrunde war ich ehrlich beeindruckt, was das SCOTT Genius so kann … wir hoffen auf einen ausführlichen TNI-Test später dieses Jahr.

Ein erstklassiges Bike, dessen Einsatzbereich von Enduro bis sportliche Touren (und wer mach sogar den gelegentlichen Marathon) reicht. In meinen Augen ein wirklich heißer Anwärter für alle, die mit einem Bike das breitest mögliche Einsatzspektrum abdecken wollen.

RIDE ON,
c_g