PIVOT Switchblade 29er und Plusbike – Testfazit: von c_g
(hierzu erschienen Artikel: offizielle Vorstellung des PIVOT Switchblade, Kurztest in Brixen (Herbst’16), Testintro, Erste Eindrücke)

Der Test des PIVOT Switchblade war von allen winterlichen Bedingungen begleitete, die man sich vorstellen kann – Schnee, Eis und Matsch.

Seit den ersten, sehr vielversprechenden Praxiseindrücken des PIVOT Switchblade hat der Winter sich von allen seinen bei uns üblichen Seiten gezeigt. Wie hier üblich gab es eine kurze Phase mit Schnee, danach eine Phase in der die Trails komplett vereist waren und nur noch mit Spikereifen sicher zu befahren waren und jüngst eine klassisch nass, schmierige Phase die den Abschluss des Tests begleitet hat. In diesen drei Wochen hatte ich als ausreichend Gelegenheit das Switchblade sowohl mit 29er Laufrädern wie auch den dicken 2,8er Plusreifen über die Trails zu jagen.
Wenn es auch nicht immer möglich war so richtig Gas zu geben, waren die zum Teil erschwerten Bedingungen trotzdem sehr lehrreich, denn sie haben mich in so manche Grenzsituation gebracht … aus der mich das Switchblade immer wieder gerettet hat. Doch zuerst ein paar Worte zum Bike mit den serienmäßigen Plusreifen:

Mit der Zusatzfederung/-dämpfung der Plusreifen wurde das Switchblade noch gelassener – ideal für nur leicht zugeschneite Trails auf denen man schnell eine nasse Wurzel übersieht.

Was das Gewicht des Bikes angeht, fallen die Abstriche beim Wechsel von den REYNOLDS Carbon Laufrädern mit MAXXIS High Roller II auf DT-SWISS XM551 Laufräder samt MAXXIS Rekon 3C Maxxterra 2,8“ überraschend gering aus. Danke bereits schlauchlosen Laufrädern stieg das Gesamtgewicht um gerade mal 350 g auf weiterhin gute 13,60 kg. Interessanterweise war das Mehrgewicht in der Praxis kaum zu spüren … vermutlich wegen der weniger stark veränderten Trägheit durch die geringeren Durchmesser der Plus-Reifen. Auch in Plusbereifung hat mir das Switchblade sehr gut gefallen. Wie mit den griffigen Rekon Reifen bei Drücken um 1 bar nicht anders zu erwarten stieg der Komfort, das Bike wurde noch unaufgeregter über holprigen Untergrund und wurde insgesamt noch sicherer.

Nur selten wurden die Testfahrten auch von derart schönen Stimmungen begleitet – aber wenn man sie schon geschenkt bekommt, heißt es auch sie festzuhalten …

Das einzige was spürbar war, war das niedrigere Tretlager, mit dem ich doch hin und wieder über sehr wurzelige Stellen dann doch mit den Pedalen aufgesessen bin. Nicht viel und nie wirklich störend, aber doch mehr als mit den 29er Reifen, wo ich so gut wie nie aufgesessen bin. Ein anderer Aspekt der durch den kräfteraubenden Schnee zum Teil noch verstärkt wurde, war wie der geringere Reifendurchmesser der B+ Reifen die identische Übersetzung (vorne 30 und hinten maximal 45 Zähne) noch kletterfreudiger gemacht hat.

Reifenfreiheit satt – selbst mit 2,8″ Plusreifen!

Logisch, kleinerer Reifenumfang macht geringere Entfaltung bei gleicher Übersetzung. Insgesamt fand ich das Switchblade aber auch mit den Plusreifen sehr gut und stimmig, obgleich ich persönlich auch an diesem Bike wieder den 29er Reifen den Vorzug geben würde. Mir liegt deren direkteres Handling einfach mehr, aber im tieferen Schnee, war ich mit den Breitreifen klar im Vorteil.
Apropos Reifenfreiheit – selbst mit den 2,8 Reifen hat der Hinterbau noch massig Platz in allen Richtungen. Ob selbst mächtige 3,25“ Plusreifen auch passen, wie PIVOT sagt, konnte ich nicht nachprüfen, aber angesichts des Platzes bin ich versucht das zu glauben.

Spiegelblanke Forststrassen und Trails, die nur mit wirklich guten Spikereifen überhaupt zu befahren sind.

Dann kam die Zeit, in der aus dem Wechsel aus täglichem Tauen und nächtlichen Gefrieren fast jeder Trail und vor allem die Zubringer-Forststrassen komplett vereist waren … mit guten Spikereifen wie dem SCHWALBE ICE Spiker Pro oder dem 45NRTH Nicotine macht das Fahren auf dem denkbar rutschigen Untergrund recht OK, aber mit Normalreifen wäre ein Vorankommen, geschweige denn echte Trails schlichtweg gefährlich. Je weiter das Eis zurückwich, desto rutschiger, und schlammiger wurden die Trails – 20 Minuten auf dem Bike und man sieht aus wie ein Streuselkuchen …
Warum ich dieses Rahmenbedingungen so genau beschreibe? Einfach um zu zeigen, dass es eigentlich kein Spaß war in den letzten Wochen noch zu Biken, ich mich aber jedes Mal wieder darauf gefreut habe mit dem Switchblade zu fahren. Dieses Bike hat etwas an sich das mir von Anfang an sehr gut gefallen und mich mit jeder Fahrt immer mehr begeistert hat.

Flowtrails können bei richtig rutschigen Bedingungen auch zur Herausforderung werden.

Die Geometrie des Switchblade ist in ihrer Mischung aus Laufruhe und gemäßigt-sportlicher Sitzposition extrem gelungen. Sie macht das Switchblade wunderbar vielseitig und zu einem der Bikes, das scheinbar keine Grenzen kennt. Ich habe es sowohl zum Kilometersammeln auf langen Trainingsfahrten genutzt, wie auch für echte All-Mountain-Trailtouren und statt mir irgendwelche Vorlieben oder Tendenzen zu zeigen, war das Bike einfach in jeder Situation gut. Auch gehört das Switchblade zu der Art von Bikes, die scheinbar keinen bevorzugten Fahrstil besitzen – egal ob man es einfach nur rollen lässt, oder aktiv in Kurven drückt, ob man es durch Gewichtsverlagerung aus der Hüfte steuert oder mit stoisch-mittiger Schwerpunktlage allein mit dem Lenker. Das Switchblade scheint einfach alles willig mitzumachen.
Die sehr gelungene Geometrie ist auch dafür verantwortlich, dass das Switchblade sich bergab und in technischen Trails sehr sicher fährt und gleichzeitig ausgesprochen gelassen und effizient klettert. Das Gleiche habe ich im Test des NICOLAI ION-G13 ebenfalls gesagt und dieses ist diesbezüglich noch extremer – bergab wie auch bergauf – aber das PIVOT Switchblade kommt dem NICOLAI verblüffend nahe … und zwar ohne die extrem hohe Laufruhe des ION-G13. Demnach vermittelt das Switchblade bergab fast die gleiche Sicherheit bleibt aber zugleich sehr natürlich und verspielt. Ein Aspekt, bei dem das sehr kompakte Heck von gerade mal 428 mm sicher auch ein gehörige Rolle spielt. Dieses Faktor sorgt im übrigen auch dafür, wie leicht sich das Bike aufs Hinterrad zeihen lässt und im Manual über Hindernisse fahren lässt.

  

Aber auch bergauf gehört das Switchblade zu den besten Bikes die ich kenne. Man kann mit ihm bereits mit einem Minimum an Gewichtsverlagerung selbst steilste Rampen sitzend hochkurbeln. Auch hier ist die Grenze nicht ganz so hoch wie beim NICOLAI, aber dafür ist das Gesamthandling keineswegs grenzwertig laufruhig sondern sehr vielseitig und gefällig.

 

Wie auch schon in den ersten Eindrücken angeklungen, hilft auch die exzellente Hinterbau-Kinematik dabei das Bike so vielseitig zu machen. Auch hier stimmt die Kombination aus Effizienz bergauf, Komfort und Traktion und Reserven im wirklich Groben … und zwar auf den Punkt. Hin und wieder habe ich die Plattformdämpfung des Dämpfers eingelegt, fand es aber nie erforderlich, sondern eher als Option der Effizienz wegen. Eine besondere Qualität des Bikes ist, dass man dem Switchblade seinen Federweg auch bergauf nur positiv anspürt. Mit immerhin 135 mm am Heck wirkt sich die Schwerpunktverlagerung bergauf kaum aufs Handling aus und man hat nie das Gefühl, dass das Bike bergauf hinten zu tief eintaucht. Gleichzeitig bleibt die Federung aber immer traktionsstark und nicht unkomfortabel. Auf der anderen Seite des Spektrums, nämlich bergab, bei Sprüngen und im wirklich Groben stellt das Bike immer noch ein paar Millimeter mehr an Reserven bereit. Ich würde nicht sagen, dass es sich nach mehr Federweg anfühlt, als es real hat, aber der Federweg wird so grandios gut ausgenutzt, dass es auch diesbezüglich zu den allerbesten mir bekannten Bikes gehört.

Kurzum – was die Geometrie, das Handling und die Hinterbaukinematik angeht, ist das PIVOT Switchblade eine Wucht und eines der komplettesten 29er Fullies, die ich kenne.

Morgendliche Stimmung auf einer längeren Testrunde mit starkem XC-Charakter – selbst hier war das Switchblade nie deplatziert.

Das beim Switchblade zwangsläufig häufig angesprochene  Thema von Super Boost Plus, der hier neue Achsstandard am PIVOT Hinterbau, ist im Laufe des Tests komplett in den Hintergrund getreten. Lediglich als der kurzfristige Reifenwechsel auf Spikes anstand, hätte ich mir gewünscht kurzerhand einen anderen Laufradsatz montieren zu können. Da ich keine Vergleichsmöglichkeiten habe um dies zu widerlegen, bin ich versucht zu glauben, dass der breiterer Hinterbau wie PIVOT sagt in erster Linie der Rahmen- und Laufradsteifigkeit zugute kommt und deswegen hier sinnvoll untergebracht ist. Nur um es nochmal zu erwähnen: PIVOT hat beim Switchbalde seine Hausaufgaben gemacht – auch mit dem noch breiteren Hinterbau habe ich nie mit den Füßen an Sitz- oder Kettenstreben gestriffen.

 

In allen anderen Belangen – Lagerung, Leitungsverlegung oder den übrigen Details –konnte ich ebenfalls nichts Negatives an dem Switchblade finden. Alle Züge und Leitungen sauber aufgeräumt, maximal flexibel, sollte man das Bike irgendwann auf eine andere Schaltung oder gar Di2 umrüsten und sehr gut durchdacht. Nur der große Bogen in dem der Schaltzug unter dem Tretlager verläuft wirkt auf mich etwas exponiert gegenüber Ästen und Felsen, auch wenn ich selber in dem Test damit nie Probleme hatte. Die großen und sehr gut gedichten Lager zeigten auch bei den konstant widrigen Verhältnissen keinerlei Schwächen.
Einzig die Tatsache, dass sich bei besonders schlammigen Fahrten mitunter etwas Dreck zwischen dem DW-Link Hinterbau und dem Sitzrohr angesammelt hat, ist hierbei noch anzumerken. Funktionelle Auswirken schien dies aber nie zu haben.

Mit Ausnahme des Sattels und der Reifen (witterungsbedingt) gab es nirgendwo Anlass funktionell etwas zu optimieren.

Die Ausstattung des Bikes bleibe ebenfalls ohne negative Auffälligkeiten. Die FOX F36 Factory und der Float DPS Factory Dämpfer haben wich wieder einmal mit ihrer unglaublichen Federungsperformance begeistert, die SHIMANO XT/XTR Schaltung war auch extrem verschmutzt noch präzise und sauber und selbst die oft unter einem wandernden Druckpunkt leidenden SHIMANO XT Bremsen blieben dauerhaft stabil. Das einzige was mir aber erst im laufe des Tests aufgefallen war, war der auf 125 mm beschränkte Hub der FOX Transfer Stütze, die aber ansonsten tadellos funktioniert hat – hier wären 150 mm wie sein bei den Serienbikes verbaut sind definitiv besser gewesen. Die REYNOLDS Enduro 29er Laufräder samt MAXXIS Reifen waren ebenfalls absolut problemlos, genauso wie die DT-SWISS Pluslaufräder. Den für meinen Geschmack zu weichen WTB Vigo Sattel habe ich wie angekündigt im laufe des Tests gegen den geliebten SQ-LAB 612 gewechselt, aber sonst gab es nie irgendwas, wo ich noch Optimierungspotential gesehen hätte.

  

Nun, ja, bis auf den Preis, denn angesichts der oben aufgeführten funktionellen, aber keineswegs exklusiven Ausstattung ist der VK des Testbikes von 8599.- (ohne die REYNOLDS Carbon-Laufräder noch 7199.- Euro, oder 3449.- Euro für den Rahmen mit Dämpfer) schon sehr gesalzen.

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Zusammenfassung:

Das PIVOT Switchblade ist genau wie alle anderen PIVOT Bikes, die ich je im Test hatte ein Beispiel dafür wie sich Perfektion in einem Bike anfühlt und fährt. Das sehr hohe Maß an Vielseitigkeit  ist ein wunderbares Beispiel dafür wie gut Trailbikes heutzutage geworden sind. Egal ob als 29er oder als Plusbike (bis 3,25“!), kann ich mir keinen Fahrer vorstellen, der nicht von dem Handling des Switchblade begeistert sein würde. Hinzu kommt die exterme Vielseitigkeit, was die Aufbauoptinen angeht – das Bike kann sogar noch mit einem umwerfer ausgestattet werden! Es gibt nahezu nichts außer echtem Downhill und XC-Race/Marathon, was ich diesem Bike nicht zutraue.

Das PIVOT Switchblade ist ein wahres Alleskönner-Bike. Dieser Perfektionismus hat aber auch einen hohen Preis.

Irgendwie trifft das Switchblade genau die goldene Mitte meiner letzen beiden Testbikes, des unglaublich sicheren aber grenzwertig laufruhigen NICOLAI IIN-G13 und des maximal verspielten und überraschend vielseitigen CANEFIELD BROTHERS Riot und vereint so das Beste aus beiden Welten. Für mich eines der besten Bikes, für alle die eine Ein-Bike-für-Alles-Lösung suchen. Ein wirklich geniales Bike, dessen einziger echter Kritikpunkt nur der wirklich hohe Preis ist – doch bekanntlich hat Perfektion eben immer einen hohen Preis J.

RIDE ON,
c_g