NICOLAI ION-G13 – Erste Eindrücke: von c_g 

Ich kann es nicht sagen warum, vielleicht liegt es daran, dass ich parallel zum NICOLAI ION-G13 bisher das ebenfalls lange KONA HONZO CR Trail gefahren bin, aber entgegen meiner Erwartungen hatte ich mich sehr schnell an das ION-G13 gewöhnt. Wie im Intro mit allen technischen Details offen ausgesprochen, hielt ich das Geolution Bike von NICOLAI für durchaus extrem und war dementsprechend wirklich überrascht, dass es sich von Anfang an gar nicht so freakig angefühlt hat, wie ich vermutet hatte.

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Auch wenn die Perspektive diese Eigenschaft nochmal überzeichnet – das NICOLAI ION-G13 ist ein großes Bike … selbst in Rahmengröße Medium.

Es wäre eine Lüge zu sagen, dass das Bike mit dem super langen Radstand (1270 mm), dem ultraflachen Lenkwinkel (64,5° in der ausgelieferten LOW-Position) und dem steilen Sitzwinkel (76°) sich anfangs nicht ein wenig ungewohnt angefühlt hat. Das NICOLAI ION-G13 mit seiner Geolution Geometrie ist ein großes Bike und versucht das auch gar nicht zu kaschieren. Es liegt so laufruhig auf dem Trail, dass ich nach ein paar Kilometern angehalten habe um zu sehen, ob der Steuersatz nicht zu fest angezogen wäre, oder doch ein Reibungsdämpfer die Lenkung beruhigt …

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Rückblick: In den Anfangsjahren war es der häufigste und schwerwiegendste Kritikpunkt an den noch jungen 29er Bikes, wenn man in einem Test das Attribut „laufruhig“ benutzt hat. Damals waren die 29er noch in den Kinderjahren und hatten allesamt ihre Wurzeln im XC- oder bestenfalls gemäßigten Tourenbereich. Damals gab es noch nicht diese fähigen Trailmaschinen wie heute. Heute hat sich das Bild, dessen was ein 29er kann (und darf) grundlegend geändert. Aber das ist nur ein Grund warum die Entscheidung NICOLAIs ein Bike wie das ION-G13 noch vor wenigen Jahren niemals funktioniert hätte. Ein anderer hängt auch damit zusammen, dass der Trend der letzten Jahre hin zu längeren Hauptrahmen und flacheren Lenkwinkeln die Eigenschaft „Laufruhe“ wieder erstrebenswert und salonfähig gemacht hat. Was mit den 27,5er Endurobikes angefangen hat, wird nun auch auf 29er übertragen … und im Falle der NICOLAI Geolution-Fullies ins Extreme geführt.

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Über den Exzenter an der Befestigung des Umlenkhebels lässt sich die Geometrie feintunen – hier noch in der LOW-Position.

Ein Anhaltspunkt für mich, dass man sich z.B. beim Lenkwinkel schon an einer Grenze bewegt, ist die Lenkung des ION-G13 in der flachen Flip-Chip Position. Ich persönlich empfinde diese nämlich bereits als leicht abkippend und für meinen Geschmack und mein Gelände zu sehr auf Geradeauslauf und Laufruhe getrimmt. Aus meiner Sicht ist das bereits am Limit dessen, was ich noch für allgemeintauglich halte. Deswegen habe ich bereits nach der ersten Woche mit dem Bike den Flip-Chip an der Umlenkwippe auf HIGH gedreht, was diese Eigenart sofort und komplett behoben hat und das Bike wieder komplett stimmig gemacht hat. Bei normaler Geschwindigkeit auf einfachen Trails und ganz besonders beim Forststrassen-Cruisen erlebe ich das ION zwar weiterhin als ein Bike, das mitunter ein wenig gelangweilt wirkt, aber für Trails, auf denen man sich genauso gut mit einem XC-Hardtail bewegt, ist das ION-G13 ja auch nicht gemacht.

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Das NICOLAI ION-G13 mag es gerne wild und schnell … und vermittelt dabei eine maximale Fahrsicherheit.

Das NICOLAI ION-G13 ist ein Bike, das hungrig ist nach groben Singletrails, Wurzeln und technischen Passagen. Macht man dort auch noch den Gashahn auf, dann erwacht das ION-G13 und zeigt sein „inneres Biest“. Je heftiger die Trails werden und je forscher die Gangart, desto mehr Sicherheit vermittelt das Bike. Das BIke sportn einen an Grenzen neu zu setzen. Schon in dieser ersten Testphase habe mich schon immer öfter dabei ertappt technischere Abfahrten, bei denen ich sonst durchaus gefordert bin, mit einer Gelassenheit runterzujagen die ich so noch nicht erlebt hatte. Trails die vorher eine Herausforderung waren, wurden mit dem ION-G13 zum Flowerlebnis. Diese Sicherheit wurde mir in der LOW-Position fast zu dominant, weshalb ich bisher die um 0,7° steilere HIGH Position bevorzuge, bei der die subjektive Sicherheit weiterhin sehr hoch ist, sich aber weniger in den Vordergrund drängt. Auf heftigen Alpentrails oder bei Shuttle-Runs am Lago oder in Finale sehe ich aber sehr wohl, den Sinn und Nutzen der LOW-Einstellung.
Ein Indiz dafür wie schnell man mit dem ION-G13 unterwegs ist, wenn man sich erst einmal daran gewöhnt hat, ist für mich die Tatsache, dass ich mich in den ersten Eingewöhnungsfahrten mehrfach gefragt habe, ob das Heck nicht zu progressiv arbeitet. Selbst mit korrekt eingestelltem Sag von 30% habe ich anfangs nie den kompletten Federweg genutzt. Erst nachdem ich gelernt hatte wozu das Bike fähig ist und ich es auch dementsprechend fahre, verstehe ich weswegen die 135 mm eine derartige Progression haben und brauchen.

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Zu meiner freudigen Überraschung ist das Geolotion Bike auch ein erstklassiger und ausgesprochen gelassener Kletterer.

Was mich als Fahrer, der sich seine Tiefenmeter meist zuerst bergauf auf Trails erkämpft ganz besonders überrascht hat, war wie unaufgeregt und souverän sich die Geolution Geometrie bergauf fährt. Seit ich auf dem NICOLAI ION-G13 bin, macht es mir richtig Spaß auch die richtig steilen Trails hochzufahren. Trails die ich sonst nur zu Testzwecken nutze um die Steigfähigkeit eines Bikes zu erkunden – Trails die mit den meisten anderen Bikes, die ich kenne bergauf eine Grenzerfahrung und oft ein Kampf sind, werden mit dem ION-G13 zum (anstrengenden) Vergnügen. Selbst meinen bisherigen Spitzenreiter, was das Klettervermögen angeht, meinen CUBE Stereo 140 Dauertester lässt das ION-G13 diesbezüglich alt aussehen. Und damit meine ich nicht die Leichtfüßigkeit des Bikes, denn gewichtstechnisch ist das ION-G13 ebenfalls keineswegs besonders gesegnet Bike, sondern allein die unverkrampfte Art und Weise wie man damit Steigungen fast ohne Gewichtsverlagerung und immer in einer effizienten Neutralposition meistert. Wie auch schon damals beim sogar noch längeren POLE Evolink EN 140 wirken der tendenziell lange Hinterbau, der lange Hauptrahmen und der steile Sitzwinkel zu wunderbar zusammen und lassen das ION-G13 zu einer wahren Bergziege werden! Solange die Reifen genug Traktion und die Beine genug Kraft generieren, kommt man mit dem ION-G13 überall hoch!

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In meiner bisherigen Beschreibung stand die Geometrie und das Handling des Bikes klar im Vordergrund. Daher hier auch noch ein paar Worte zur Ausstattung:

Die FOX Factory Federelemente arbeiten gewohnt sauber und sind leicht einzustellen. Wie oben schon erwähnt ist das Heck im Anfangs- und Mittelbereich sehr sensibel und aktiv, entwickelt aber gegen Ende des 135 mm Federwegs eine deutliche Progression die Durchschläge effektiv verhindert. Das sehr kurz Cockpit mit 780 mm breitem RENTHAL Riser Lenker (hier in Alu, in Serie in Carbon) und 35 mm langem Vorbau ist sehr steif und direkt und passt perfekt zum Trailcharakter des Bikes.

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Mit seiner Ausrichtung als Trailbike ist das ION-G13 sehr edel und stimmig ausgestattet.

Bei den aktuell feuchten bis nassen Trailbedingungn hat sich die CONTI Mountain King II Reifen in 2,4″ sehr gut gemacht. Trotzdem habe ich schon nach ca. 10 Tagen auf den „Der Baron Projekt 2.4“ Reifen in tubeless aufgerüstet zuerst nur vorne und später auch hinten. Neben der grandiosen Traktion, gehört er einfach mit zu meinen Lieblingsreifen für solche Verhältnisse. Die HOPE Pro4 /WTB KOM i29 Laufräder geben sich bisher ordentlich steif und zugleich gut zu beschleunigen.
Die HOPE Tech3 Bremse ist eine Augenweide, sehr kräftig und top zu dosieren. Allerdings erfordert sie schon im Leerweg sehr viel Fingerkraft, was dafür sorgt, dass ich den Druckpunkt weniger deutlich spüre. Ich denke das ist etwas, an das man sich gewöhnen kann, denn in allen anderen Bereichen gefällt mir die Bremse sehr gut. Die ERGON GE1 Griffe und der SME Sattel gehören ohne hin zu meinen Favoriten. Die HOPE Kurbel und das Direct-Mount Kettenblatt geben sich bisher genau so steif und unauffällig, wie es sein sollte. Insgesamt also keine Klagen was den Aufbau des Bikes angeht.

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Erste Eindrücke – Zusammenfassung: Was die subjektive Sicherheit und Gelassenheit in technischem Gelände angeht, stellt die Geolution-Geometrie des NICOLAI ION-G13 einen großen Sprung gegenüber bisherigen MTB-Geometrien dar. Dieser Grundcharakter des ION-G13 ist sehr prägnant und springt einen förmlich an. Ähnlich wie seinerzeit bei dem Kurztest des POLE Evolink 140 EN bin ich wirklich angetan davon wie viel Spaß die schier grenzenlose subjektive Sicherheit des Bike auf fordernden Trails macht. Ja, das NICOLAI ION-G13 ist wahrscheinlich eines der laufruhigsten Bikes, die ich kenne, aber je länger ich es fahre, desto mehr stelle ich mir die Frage, was daran schlecht ist. Vorausgesetzt der Fahrer fordert nicht ein BMX-artiges Handling gibt es eine Menge Gründe weshalb ein solch sicheres Bike für eine Menge Fahrer Sinn macht.

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Bisher habe ich erst die offensichtlichen Eigenschaften des ION-G13 ergründet. Ich freue mich aber schon auf die bevorstehenden Trailstunden.

Ich muss aber auch betonen, dass diese wirklich erst die ersten Eindrücke zu dem Bike sind. Noch ist das Bike ein hoch spannendes und neues Spielzeug, das mir bisher erst seine eher offensichtlichen Eigenschaften gezeigt hat. Deswegen bewegen wir bei TNI die Bikes auch bevorzugt über einen längeren Zeitraum … um das Bike auch wirklich in allen Facetten zu erleben. Daher bis demnächst mit meinem Update/Zwischenbericht.

RIDE ON,
c_g