GHOST SL AMR X LC9 – Testfazit: von c_g

Noch während ich den Zwischenbericht zu dem aggressiven 29er Trail-Fully GHOST SL AMR X LC9 geschrieben habe, kam mir die Erkenntnis, dass ich das Bike bisher immer nur auf echten Trails bewegt hatte. Jedes Mal, wenn ich die Wahl auf einer Testrunde hatte, zwischen Kilometersammeln oder technischer Singletrails, habe ich mich immer für die technischere Variante entschieden.

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In der ersten Testphase war das GHOST SL AMR X LC9 fast nur auf technischen Trails unterwegs. In der zweiten Phase ging es auch verstärkt um seine Tourenqualitäten.

Wer den Zwischenbericht gelesen hat, weiß, dass das GHOST SL AMR X eine echte Trailrakete ist und auch vor wirklich groben Gelände keinen halt macht. Es ist ein Bike, bei dem ich ganz selbstverständlich alle Wurzelteppiche, Drops und Sprünge meiner Testrails genommen habe. Dabei hat das Bike ein derartige Souveränität an den Tag gelegt, dass ich es schon früh auf einen Ausflug in den Bikepark mitgenommen habe. Warum aber ist mir die Touren-Seite des Bikes bisher nie wirklich in den Sinn gekommen? Die erste und offensichtliche Antwort wäre das Gewicht. Mit über 14 kg (inkl. Pedale) ist das SL AMR X nicht unbedingt leicht. Aber ich hatte, das Gefühl, dass es noch etwas anderes war, das meine Vorliebe immer in Richtung Trail gelenkt hat. Die Federung? Möglich, aber bis auf die Notwendigkeit mit dem Climb Switch zu arbeiten gab es bisher in dem Bereich keinen Grund für Beanstandungen. Woran lag es dann?

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Um die Allroundeigenschaften besser zu ergründen habe ich die Reifen gegen eine schnellere Kombi von VITTORIA gewechselt.

Richtig – die Reifen. Deswegen habe ich für die zweite Testphase einen anderen Satz Reifen aufgezogen – und zwar die bereits beim Test des DT-SWISS XMC 1220 Laufradsatzes und der HUCK NORRIS Durchschlagschutz-Einlage eingesetzte Kombi aus VITTORIA Morsa 2.3 TNT vorne und Mezcal II 2.2 TNT hinten. Mit der neuen Bereifung und 300 g weniger Gewicht habe ich mich dann auf eine meiner typischen, eher tourenlastigen Testrunden gemacht. Viele Kilometer später bin ich fest davon überzeugt: Das GHOST SL AMR X LC9 kommt zwar ab Werk als wirklich aggressives Bike mit einem klaren Fokus auf Traktion und Trailperformance, aber schon mit einem schnelleren Satz Reifen, wird aus dem Bike im Nu auch ein wirklich fähiges Tourenbike mit dem man auch genauso gut Kilometerfressen und Höhenmeter sammeln kann.

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Als heutzutage keineswegs selbstverständlichen Bonus, ist der Rahmen zusätzlich noch für eine High-Direct-Mount Umwerfermontage vorbereitet und kann somit auch auf 2-fach umgerüstet werden.

Wie gesagt, liegt das GHOST SL AMR X LC auch mit dem Carbon Hauptrahmen noch auf der schwereren Seite des Spektrums – eine Tatsache die zu einem großen Teil den sehr robusten Komponenten zugrunde liegt. Diese Tatsache kann man auch mit schnellen Reifen nicht komplett ausgleichen. Bis zum Ende des Testes habe ich mich bergauf immer wieder gefragt, wie das Bike sich mit 1 bis 1,5 kg weniger wohl fahren würde und mir dann bei jeder Abfahrt immer wieder mit „ …. bestimmt nicht so potent und satt““ beantwortet.
Nicht abzustreiten, ist, dass GHOST mit der neuen SL AMR Reihe mit dem kantig-dynamischen Rahmen eine komplett eigenständige Optik geschaffen hat, die beim SL AMR X LX9 und auch dem LC8 mit dem goldschwarzen Stahlfederdämpfer noch mal zusätzlich unverkennbare Akzente erhält.

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In dem Prozess der „Erkundung seiner Trailfähigkeiten“, bin ich auch darauf gestoßen, dass der Climb Switch bei dem CANE CREEK DB Coil (IL) Dämpfer keineswegs nach dem On/Off-Prinzip arbeitete, sondern kontinuerlich. Auf den gemäßigteren Trails und vielen Forstrassenkilometern des zweiten Testabschnitts hieß das, dass ich die Dämpfung immer genau so straff oder weich stellen konnte, wie ich es gerade für sinnvoll gehalten habe.

Ganz gegen Ende des Test habe ich da Bike wieder in seinen Originalzustand zurückgebaut und habe es noch einmal so richtig auf meinen Testrails krachen lassen … und mich wieder darüber gefreut, was man sich mit dem GHOST SL AMR X LC9 so alles erlauben kann :).

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Allein schon mit anderen Reifen hat das SL AMR X gezeigt, dass sehr wohl auch ein Allrounder in ihm steckt. Mit weiterem Gewichtstuning, könnt man das ohne weiteres noch weiter forcieren.

Ein weiterer Punkt, ist es auch noch Wert angesprochen zu werden: Die effektive Tretlagerhöhe auf dem Trail. Im direkten Vergleich zu meinem Dauertester CUBE Stereo besitzt das GHOST SL AMR X auch kein besonders hohes Tretlager. Die 5 mm, die es aber höher liegt (gemessen bei 335 mm) und die Kombination mit dem CANE CREEK Stahlfederdämpfer sorgte jedoch dafür, das ich auf keinem meiner üblichen Wurzelrails beim Treten je mit dem Kettenblatt aufgesessen bin. Bei anderen Bikes passiert mir das auf manchen besonders wurzeligen Abschnitten durchaus öfter. Hier eigentlich nie.

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Der Bashguard/Chainguide ist eine Sache, die vor allem im schweren Gelände richtig Sinn macht … aber eben ach etwas Mehrgewicht mit sich bringt.

In den doch deutlich ruppigeren Trails im Bikepark Oberammergau war ich dagegen durchaus dankbar für den bereits verbauten E*THIRTEEN LG1+ Bashguard / Chainguide, der mehr als einmal sine Pflicht erfüllt hat. Auf diesen Runden hat sich die Grätchenfrage nach dem Sinn des zusätzlichen Bauteils (auch wieder ca. 150 g Mehrgewicht) dann auch wieder von selbst beantwortet. Das Teil ist übrigens auf einer um das Tretlagergehäuse geklemmten ISCG05 Aufnahme verschraubt und somit recht einfach entfernt, wer es wirklich nicht will, oder für einen Tourenurlaub abnehmen will. Überhaupt, wenn man bedenkt was das Bike so alles an „Zusatzausstattung“ hat, so verwundert das Gewicht wirklich nicht mehr. Als Tourenbike umgerüstet käme man schnell unter 13 kg.

Bei der gesamten Diskussion bin ich auch noch nicht auf den Preis eingegangen. Das LC9 ist das Topmodell in der SL AMR X Reihe und trägt dennoch einen sehr vernünftigen VK von 3599.- Euro. Angesichts der rundum tadellosen Ausstattung, die wirklich bis ins kleinste Detail durchdacht ist und der Fähigkeiten des Bikes, ist das wirklich ein sehr guter Preis, der sich nicht zu verstecken braucht.

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Testzusammenfassung:

Mit der für 2017 komplett neuen GHOST SL AMR 29er Plattform hat man ein wirklich vielseitiges uns fähige Bike geschaffen. In der hier getesteten Variante SL AMR X LC9 hat GHOST es gewagt den eigenständigen Rahmen mit einer derart traillastigen Ausstattung zu versehen, dass es als All-Mountain fast schon an der Enduro-Kategorie kratzt. Ein ab Werk so fähiges und potentes All-Mountain 29er hatten wir noch nie im Test.

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Dabei hat GHOST wirklich an jeden Aspekt in der Ausstattung gedacht, um wirklich das maximal Mögliche aus der Plattform herauszuholen. Der in der Bikekategorie (noch) eher seltene Stahlfederdämpfer ist ein Muster an Sensibilität und Federungsperformance, bleibt dank der exzellenten Climb-Switch Technologie aber keineswegs zu grafity-lastig. Technische Trails und schweres Gelände sind die ideale Spielwiese des Bikes, die es mit seinem unglaublich sicheren Handling und maximaler Federungsperformance optimal bedient.
Dass bei dieser kompromisslos auf Trailperformance ausgerichteten Philosophie das Gewicht ein klein wenig höher ist und die Allround- und Toureneigenschaften ein wenig in den Hintergrund treten, ist ein für mich akzeptabler Kompromiss, denn hier ist alles schon dran und dabei, was man sonst für viel Geld nachrüsten müsste um das Potential des Bikes voll auszuschöpfen. Schon mit ein wenig Gewichtstuning und weniger auf Traktion getrimmten Reifen, konnte mich das SL AMR X auch als vielseitiges Tourenbike voll überzeugen … oder man greift statt dessen gleich zu dem etwas zahmeren GHOST SL AMR (130/130 mm Federweg).

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All-Mountain, Endur und sogar Tourenbike – das GHOST SL AMR X LC9 schafft den Spagat sehr gut.

Dass das SL AMR X zusätzlich auch voll Plus-kompatibel ist (offiziell bis 2,8″, aber wir hatten auch einen 3,0″ Reifen erfolgreich montiert), macht das bereits sehr attraktive Preis-Leistungsverhältnis nur noch umso spannender. Für mich ist das GHOST SL AMR X LC9 ein wirklich fähiges und rundum gelungenes All-Mountain 29er, das zwar im Serientrimm die wildere Seite stärker betont, durchaus aber auch die Gene eines vielseitigen Tourenfullies in sich trägt.

RIDE ON,
c_g