COTIC FlareMax – Kurztest: von MiMü

Was bleibt über, wenn man den Ausdruck „Kurztest“ in seine Einzelteile zerlegt? Richtig, „kurz“ und „Test“. Und im Falle des vor einiger Zeit in den News vorgestellten COTIC FlareMax hatte ich gerade einmal eine Woche Zeit, um der britischen Neuentwicklung auf den Zahn zu fühlen. Nicht viel, aber ich habe das Beste draus gemacht.

Vorstellung unseres Testbikes

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Mit seinem Stvhl-Hauptrahmen und -Sitzstreben ist das COTIC FlareMax eines der seltenen Vertreter der Gattung Stahlfullies.

Schlanke, gerade Rohrformen prägen das Erscheinungsbild des COTIC FlareMax, genau so wie es sich für einen schön gefertigten Stahlrahmen gehört. Das Ober- und Unterrohr sind dabei aus Reynolds 853 Stahl geformt, eine speziell für die höheren Belastungen im Rahmenbau entwickelte Stahllegierung. Sämtliche anderen Rohre, mit Ausnahme der Kettenstreben, die aus Aluminium bestehen, werden aus nicht weniger hochwertigem Reynolds DZB Stahl gefertigt.

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Doch auch wenn die Stahlrohre weniger auftragen als heute übliche hydrogeformte Alurohre, ist damit das Understament auch schon beendet. Das vom deutschen Importeur EAVEN CYCLES aufgebaute Testbike kommt nämlich der schicken und keineswegs dezenten Farbe „Gloss Aqua“ daher und auch bei den Komponenten bleibt es seiner britischen Herkunft in Vielem treu.

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Soweit das Auge auch schweift, sind nur hochwertige Teile der CNC-Magier von HOPE verbaut. Angefangen beim Laufradsatz HOPE TECH Enduro Pro 4 mit den nagelneuen Pro4-Naben, über die Race E4 Bremsen mit 4-Kolben-Sätteln und schwimmend gelagerten 183 mm Scheiben, der eigens entwickelten und wunderschön gefertigten HOPE Kurbel (hier mit 32-Zähne Directmount-Kettenblatt), bis hin zu dem auf der ISCG05-Aufnahme fixierten Finger Chain Guide.

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Selbst das klassisch-geschraubte BSA-Innenlager, der Steuersatz (inkl. Head Doctor) und Sattelstützenklemme – alles Made in Great Britain. „Very british“ ist hier keine Übertreibung!

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Für die Federungs- bzw. Dämpfungsarbeit zeichneten sich edle FOX Factory Federelemente verantwortlich. An der Front soll eine FOX FACTORY 34 FLOAT FIT4 mit 130mm Federweg für ordentlich Bodenkontakt sorgen, im Heck werkelt ein FOX FLOAT DPS EVOL Dämpfer. Beiden gemein ist dabei nicht nur die auffällige goldene Kashima-Beschichtung, sondern auch die dreistufig verstellbare Highspeed-Druckstufe. Zusätzlich kann die Gabel im Open Mode noch 22-stufig im Lowspeed-Bereich personalisiert werden, beim Dämpfer stehen immerhin drei Clicks zur Verfügung. Ebenfalls aus dem Hause Fox stammt die Transfer Dropper-Sattelstütze mit 125 mm Absenkung und interner Kabelanlenkung.. Wie viele andere Hersteller, setzt FOX dabei auf eine mechanische Anlenkung per Seilzug bei interner Hydraulikkartusche in der Stütze. Die Vorteile solcher Stützen liegen klar auf der Hand: Kein lästiges Entlüften der Leitung etwa und kein Funktionsverlust bei Kabelriss durch „Feindkontakt“ im Wald.
Mit dem MAXXIS Arden in der tubeless-ready EXO Variante in der breiten 2,4“ Variante wählte man einen Reifen, der den Spagat zwischen tourentauglich niedrigem Rollwiderstand und im Traileinsatz wichtigen Tugenden wie Grip und Pannenschutz beinahe mustergültig schafft. cotic-flare-max-000Das Cockpit setzte sich aus einem 50mm kurzen SYNTACE Megaforce2 und einem dazu passenden Vector 7075 High 5 Alu-Lenker in 780mm Breite zusammen. Die geschraubten Griffe stammen von Acros. Fizik liefert mit dem Thar ein nach eigenen Aussagen „speziell für die Geometrie von 29“ Bikes entwickeltes Modell“ (… was auch immer das bedeuten soll ;-)).

Derart aufgebaut bringt das COTIC FlareMax 13,8 kg auf die Waage – kein Rekordgewicht, aber auch nicht übergewichtig. Der VK des Customaufbaus wurde uns von EAVEN CYCLES mit 4500.- Euro genannt, wobei der Rahmen alleine für 1720.- Euro über den Ladentisch (inkl. Dämpfer zwischen 1830.- und 2130.- Euro – je nach Dämpfermodell).

Jetzt aber genug der Fakten und rauf auf die Trails!

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Fahreindrücke

Ich war gespannt, wie sich die für mich ungewohnte Rahmengröße „Large“ auf meine Fahreindrücke auswirken würden. Normalerweise bin ich mit etwas kleineren Rahmen unterwegs. Aber bereits beim ersten Aufsitzen waren all meine Zweifel verflogen. Trotz stattlicher 632 mm Oberrohrlänge und dank des kurzen Vorbaus sitze ich eher aufrecht und mit guter Übersicht nimmt auf dem oder „im“ FlareMax. Beinahe fühlt sich das Bike wie ein Enduro an.

cotic-flare-max-12aDennoch lastet genügend Gewicht auf dem Vorderrad. Unterstützend und für den Vortrieb föderlich kommt hier der mit 74° relativ steile Sitzwinkel hinzu, der Tritt erfolgt effektiv von oben. Das Zusammenspiel von kurzem Vorbau und 67,3° flachem Lenkwinkel läßt das Handling quirlig-direkt und dennoch laufruhig erscheinen, der breite Lenker sorgt für sehr viel Kontrolle bei der Linienwahl.
Gerade will ich selber sehr viel mit dem MAXXIS Ardent unterwegs bin, viel mir hier auf, wie die schmale Felge (23 mm Innenweite) mit der resultierend spitzen Reifenform zusätzlich die Agilität fördert – weniger Auflagefläche bedeutete hier eben auch weniger Widerstand beim Lenken. Auch der große Reach von gut 460 mm ließ das Bike weder sperrig noch unhandlich erscheinen – alles in allem könnte man folglich durchaus von einer vielseitig-agilen Wohlfühlgeometrie sprechen.

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Auch auf dem Trail konnte der Rahmen und der Custom-Aufbau sehr wohl überzeugen.

Wie in der Vorstellung angesprochen, verfügt das FlareMax ja über nach heutigen Standards recht lange Kettenstreben von immerhin 447 mm. Dadurch erhält das Bike eine zusätzliche Portion Laufruhe und blebt selbst in sehr steilen Anstiegen frei von jeglichen Aufbäumtendenzen. Mich als Trail- und Tourenfahrer hat die zusätzlich Laufruhe nie gestört. Fahrer, die aber maximal aktiv auf dem Rad sind, die jede Bodenwelle zu Wheelies und Manuals nutzen wollen, könnte der längere Hinterbau aber etwas in ihrem Spieltrieb einschränken.Der Rahmen selbst legte eine subjektiv hohe Steifigkeit an den Tag, keine Spur von Verwinden oder seitlichen Ausweichen des Tretlagers beim Pedalieren. Hier macht sich wohl die jahrelange Erfahrung von COTIC im Stahlrahmenbau bemerkbar. Der 148 mm breite BOOST-Hinterbau dürfte die Gesamtsteifigkeit noch zusätzlich erhöhen.

cotic-flare-max-11Wer meint, dass am FlareMax mit seinem zentralen Dämpfer keine Flaschenhaltermontage möglich ist, der irrt. An der Unterseite des Oberrohrs kann kurz vor der Verstrebung mit dem Sitzrohr ein Halter montiert werden. Auch wenn die Flasche damit sehr griffgünstig positioniert ist, verdeckt sie damit aber aber den Verstellhebel des DPS Dämpfers und ist eher als Kompromiss zu sehen. Außerdem, bei nicht 100% dichter Flasche tropft der Flaschenihnhalt direkt aufs Dämpferäußere – auch nicht wirklich optimal.

Mit eingestellten 30 % Sag arbeiteten die FOX-Federelemente sehr feinfühlig, die 34er Gabel tastet die Trailoberfläche dabei extrem sensibel ab. Für mich als Fahrer einer ROCK SHOX Pike, auf ähnlich hohem Niveau. Einzig die Federwegsausnutzung und an meiner Testgabel früh einsetzende Progression fand ich nicht optimal. Selbst bei vollkommen offener Druckstufe konnte nie den gesamten Federweg nutzen – möglicherweise ein Effekt von verbauten Spacern in der Gabel. Mir als eher komfortorientierten Trailfahrer war die verbaute Tesgabel fast ein wenig zu direkt.
Den Float DPS Dämpfer im Heck konnte ich die meiste Zeit über im offenen Modus fahren, so angenehm wipparm ging der abgestützte Eingelenker-Hinterbau zu Werke. Zudem beließ ich die im Open Modus einstellbare Low Speed Druckstufe komplett offen, um so die uneingeschränkte Sensibilität des FlareMax-Hinterbaus erfühlen zu können. Wurzeln, größere Steine oder Stufen werden dabei äußerst feinfühlig und effektiv absorbiert, ohne in senken und Kompressionen unnötig weit einzufedern oder gar durchzuschlagen. Als Besonderheit hat der verbaute Dämpfer bei schnell aufeinander folgenden Schlägen gelegentlich gequietscht, was zwar auf die Ohren ging aber die Funktion nicht spürbar verschlechterte oder einschränkte. Die Wippunterdrückung nutzte ich eigentlich nur im Wiegetritt, und da genügte die „Medium“ genannte mittlere Hebelposition.

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Mit seinen schlanken Rahmenrohren aus Stahl und der auffälligen Lackierung ist das COTIC Flaremax ein echter Hingucker bei dem auch die Trailperformance stimmt.

Insgesamt hat sich auch hier wieder gezeigt, dass der „mittlere Federwegsbereich“ von 120 bis 130 mm ein sehr gelungener Kompromiss aus Komfort, Sicherheit und Vielseitigkeit ist, der besonders mit 29ern einen sehr breiten Einsatzbereich abdeckt und damit für viel Fahrer eine sehr gute Option ist. Es lebe das 29er Trailbike!
Ach ja – auch wenn ich es in dem Kurztest nicht ausprobieren konnte, so ist das FlareMax auch voll Plus-kompatibel. Wer sich also nmoch uneins ist, ob er lieber auf großen 29er Laufrädern oder den fehlerverzeihenden B+ Format unterwegs ist, der ist auch hier auf der sicheren Seite.

Komponentencheck: Die neue Transfer Stütze von FOX verrichtete ihre Arbeit während unserer kurzen Testphase zuverlässig und unauffällig. Die Bedienungskräfte am ansehnlich designeten Hebel waren dabei gering und dank eines ordentlichen „Plopp“-Geräusches wußte ich immer genau, wann die Stütze komplett ausgefahren war.
Die 4-Kolben Bremse HOPE E4 Race verzögerte im Testbetrieb stets fein dosierbar und punktgenau, im direkten Vergleich zu meiner eigenen, mit Stahlflex-Leitungen ausgestatteten E4 Bremsanlage fällt allerdings der weichere Druckpunkt auf. Zudem ist die Griffweiteneinstellung an den leichten Race Hebeln nur mittels Werkzeug möglich, auf eine Druckpunktverstellung wurde zwecks Gewichtsoptimierung ganz verzichtet. Der Laufradsatz an sich gab keinen Grund zur Beanstandung – steif, mit einem Rest an Komfort, dabei aber direkt im Kurvenhandlung. Nicht zu vergessen der Hope-typische unüberhörbare Freilaufsound.

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Kurztest-Fazit

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COTIC beweißt mit dem FlareMax, dass man auch mit Stahl richtig gute Fullies bauen kann. Trailhungrige Stahlfans die es leid sind ihren Lieblingswerkstoff immer nur an Hardtails verbaut zu finden haben hier eine wirklich spannende Alternative. Optisch sticht das Flare 29er durch seine schlanken Rohrformen und das unverkennbare Design sofort aus der Maße. Aber auch im Gelände hat es mich durch seine hohe Agilität, Verspieltheit und einen mehr als ausreichend steifen Rahmen sehr wohl überzeugt. Der Hinterbau mit seienr Eingelenkerkinematik geht dabei sehr feinfühlig zu Werke und hat genügend Reserven für alles von kilometersammelnden Trainingsfarten bis hin zu richtig schwererem Gelände.
Der deutsche Importeur EAVEN CYCLES hat unser Testbike mit viel Bedacht und britischer Detailliebe aufgebaut. Die Komponentenauswahl passen sehr gut zum Einsatzbereich „Trail“. Angefangen beim potenten Fox-Fahrwerk, den ganzen edlen Hope-Teilen oder dem präzise arbeitenden SRAM 11-fach Antrieb, man merkt die Erfahrung von EAVEN CYCLES, wenn es darum geht, zweirädrige Träume aufzubauen. Das Gesamtgewicht von unter 14 kg geht für mich noch in Ordnung – schließlich geht es hier nicht um nackte zahlenwerte, sondern um stählerne Individualität und britischen Flair … und davon hat das COTIC FlareMax wirklich eine Menge!

MiMü