CANNONDALE Bad Habit Carbon 1 – Kurztest (Eurobike Media Days, Kirchberg): von Oli 

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Bad Habit“ ist der englische Begriff für eine „schlechte Angewohnheit“ oder „Unsitte“. Als ich das erste Mal dem optisch sehr schön gemachten CANNONDALE Bad Habit gegenüberstand habe ich mich wirklich gefragt, was uns CANNONDALE damit sagen will. Nachdem es ja auch das CANNONDALE Habit, ein verspieltes 27,5er Trailfully gibt, wirkt es so, als sei das Plusbike Bad Habit für die Faulen gemacht, Fahrer die, die keine vernünftige Linie suchen (wollen) und, welche einfach den Trail runterheizen möchten.
Ein Blick auf die Webseite bestätigt es uns:„Bad Habits, also schlechte Angewohnheiten, machen doch am meisten Spaß. Die lebenslustige Art des Habit mit seinen überdimensionierten 27+ Reifen, um dein Verlangen nach Dreck zu befriedigen.“

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Nachdem das Alu Bad Habit im Jahrgang 2016 wohl recht erfolgreich war, schiebt CANNONDALE nun für die Saison 2017 noch zwei Carbonmodelle nach, von dem ich beiden Eurobike Media Days in Kirchberg die Gelegenheit hatte das Topmodell zu fahren. Das Bad Habit Carbon 1 soll ab Herbst/Winter bei den CANNONDALE Händlern im Laden stehen und wird dann knapp 5299.- Euro kosten. Mit einer etwas einfacheren Ausstattung wird es noch ein Bad Habit Carbon 2 für 4299.- Euro geben (Abbildung rechts). Die beiden bisherigen Bad Habit Modelle mit Alurahmen bleiben weiterhin im Programm.

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Erst mal muss ich eines vorweg schieben: Ich bin noch nie länger auf einem Bike mit einer Lefty gesessen. Die „halbierte Optik“ hat mich etwas voreingenommen gemacht, auch wenn technisch keinen Grund dafür gibt. Die Fahreindrücke hier haben mich eines Besseren belehrt. Ich hätte es auch wissen müssen, denn ich habe im Bekanntenkreis genügend Lefty-Fans, die damit auch FAT auf den Trails unterwegs und begeistert sind ;-).

Doch erst mal zurück zu meinem Testbike. Das neue Bad Habit 1 Carbon kommt, dem VK entsprechend, mit einer sehr hochwertigen Ausstattung:

Vorne arbeitet die bereits erwähnte Lefty 2.0 mit 120 mm Federweg und satten 55mm Offset. Am Hinterbau dämpft ein FOX Float DPS, ebenfalls mit 120 mm die Stöße. Das Hauptrahmendreieck ist, wie der Name schon sagt aus Carbon /CANNONDALE nennt ihre eigenen Variante BallisTec Carbon), die Hinterbauschwinge (ohne Gelenk an der HR-Nabe) ist aus Aluminium.

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Die für 2017 neuen HollowGram 40 Laufräder haben edle Carbonfelgen (Innenweite: 40 mm), vorne mit einer Lefty Nabe und hinten – wie sollte es mittlerweile auch anders sein – einer 148x12er Boost Nabe – hier aber im Cannondale-eigenen Ai-Offset was einen ausgeglichenen Speichenwinkel ermöglicht. Gefahren wird auf 27,5×3,0“ SCHWALBE Nobby Nic Plusreifen. Die Schaltung stammt von SHIMANO – eine XT 1×11 Gruppe mit einem XTR Schaltwerk. Die Kurbel ist von CANNONDALE selbst, ihre superleichte und wunderschöne HollowGram Si mit einem 30er Kettenblatt. Als positiver Nebeneffekt des asymmetrischen Ai-Hinterbaus – der Rahmen hat genug Platz um auch auf 2×11 umgerüstet zu werden (was ich großartig finde!). Eine Öffnung im Oberrohr für das Innenverlegen des Umwerfer-Schaltzugs und ein Direct-Mount Umwerfersockel sind schon vorhanden. Gebremst wird mit einer SHIMANO XT und im Sitzrohr steckt eine aktuelle Fox Transfer Dopperstütze, die bei meiner Rahmengröße auch 150 mm absenkbar war. Ergänzt wird das Paket durch einen hauseigenen 760 mm Carbon Riser-Lenker, der die Steifigkeit erhöhen und gleichzeitig das Gewicht runterdrücken soll. Trotz der Ausstattung schafft es das CANNONDALE Bad Habit Carbon 1 aber nicht unter 13,6 kg (ohne Pedale) und ist damit um einiges schwerer als das zuvor gestestete SCOTT Spark 700 Plus Tuned (das aber auch knapp 2500 Euro mehr kosten wird ;-))

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Nachdem ich in Kirchberg auch schon auf anderen Bikes gesessen und den Fleckalm-Trail runtergeheizt war, habe ich den „Bad Habit“ Namen mal sprichwörtlich genommen und bin ab der Bergstation einfach mal losgeschossen. Was für eine Trailrakete!

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Die Sitzposition fällt auch beim XL Rahmen mit seinem effektiven Oberrohr von 650 mm (Reach von 464 mm) durch den kurzen Vorbau eher kompakt und leicht aufrecht aus. Man sitzt schön mittig im Bike und hat viel Bewegungsspielraum um auch technische Trails sicher damit zu meistern. Der moderate flache Lenkwinkel mit 68° und der steile Sitzwinkel von effektiv 74° sind absolut zeitgemäß und versprechen einerseits viel Trailspaß und gute Klettereigenschaften.

Lag es jetzt an den beinahe 2 kg Mehrgewicht gegenüber dem vorher gefahrenen SCOTT, dass das CANNONDALE Bike spürbar satter als der superleichte Spark Plus auf dem Trail lag? Oder an der Lefty und dem sensibleren Hinterbau? Ich gehe davon aus, dass es mehr am Gewicht lag, denn die Lefty im sogenannten Trail+ Tune hat sich hier als eher straff und direkt erwiesen. Absolut perfekt in Kombination mit den weichen Plusreifen! img_6571-kopieMit einem Reifendruck um ca. 0,85 bis 0,9 bar lies sich das Bad Habit sicher und satt den Fleckalm-Trail runterjagen. Fast schon schlafwandlerisch sicher. (Man kann es nicht oft genug sagen: Plusbikes und Fatbikes werden erst mit einem optimal abgestimmten niedrigen Reifendruck erst wirklich gut!)
Funktionell hat die Lefty mir auch gut gefallen. Insbesondere den bauartbedingt hohen Lockout-Knopf oben am Gabelrohr hat sich als Top erwiesen. Mir hat bei der GERMAN:A Flame Boost am Plusbike letztes Jahr schon die Bedienmöglichkeit mit einem zu drückenden Knopf und nicht einem zu drehenden Hebel gefallen, hier bei der Lefty ist das noch besser gelöst. Das Cockpit ist damit auch aufgeräumt, ein Remote-Hebel ist nicht notwendig, da der Bedienknopf wegen der hoch bauenden Lefty eh beinahe auf Lenkerhöhe sitzt. Für die kurzen Gegenanstiege im Fleckalm-Trail ließ sich die Lefty mit einem Druck auf den Lockout schließen und der Hinterbau mit seinem Fox DPS Dämpfer, war schnell straf zu stellen, wo erforderlich.

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Gleichzeitig wirkte das Bad Habit Plusbike in seiner Lenkung aber für meinen Geschmack ein wenig zu agil. Wer 29er fährt kennt die immense Sicherheit, welche die großen Laufräder vermitteln und so empfinde ich manche es – auch wenn 27,5 x 3,0“ nahe an 29er rankommt – trotzdem spürbar agiler gewesen. Der große Offset der Gabel mag hier eine gewisse Rolle gespielt haben.

Einzig die SCHWALBE Nobby Nic Reifen nahmen mir wieder etwas an Sicherheit, die mir das Bad Habit im Trail selber gab. Der Grip hätte gerade an feuchten Stellen des Fleckalm-Trails besser sein können. Andererseits sind Reifen eben auch schnell gewechselt und der Nobby Nic eben ein guter Kompromiss für verschiedene Untergründe.

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Fazit nach dem Kurztest: Das CANNONDALE Bad Habit Carbon 1 ist ein spannendes Bike indem es einerseits eine traumwandlerische Sicherheit auch in schwereren Gelände generiert und sich dennoch sehr wenig fährt – für mich fast schon zu wendig. Das Bike liegt einerseits satt auf dem Trail und animiert doch kontinuierlich dazu mit dem Gelände zu spielen. Auch wegen des guten, aber nicht überragenden Gewichts und der kompakten Geometrie ist das Bad Habit Carbon für mich ein idealer Kompromiss aus Touren- und Spaßbike für alle, die gerne technische Trails fahren und sich den Trailspaß bergab auch aktiv erarbeiten.img_6614-kopie
Die fetten 3,0“ Nobby Nic Plusreifen, sind vielseitig, leicht und rollen gut. In Kombination mit den breiten Carbonfelgen liefern sein eine überzeugende Performance ab, hatten aber auf wirklich rutschigen Abschnitten weniger Reserven als es das Bike an sich suggeriert. Die Lefty hat sich als sehr steif, sensibel und dennoch straff erweisen, was mir in Kombination mit den Plusreifen sehr gut gefallen hat. Die Optik des Bad Habbit Carbon 1 empfinde ich als sehr gelungen. An seiner grellgelben Farbgebung scheiden sich vielleicht die Geister, aber ich fand es gut.

Oli

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Ps: Ein persönlicher Nachsatz: Da wir in letzter Zeit gelegentlich am Philosophieren sind, erlaube ich mir auch einen Exkurs über Sinn und Unsinn des aktuellen Plusbike-Hypes. Vielleicht liegt es daran, dass ich in den vergangenen Monaten mehr starre Plusbikes und starre Fatbikes gefahren bin, aber wenn ich an die dicken 2,8“ bis 3,0“ Reifen denke, machen die für mich am meisten bei Hardtails Sinn. Dort kommen die Vorzüge der breiteren Reifen am stärksten zum Tragen. Einen geradezu prädestinierter Einsatzbereich sehe ich zum Beispiel beim Bikepacking – wo sich das jeweilige Bike mit einem Zusatz-Laufradsatz ganz einfach einem 29er für Trail-Tage umrüsten ließe – ähnlich wie Fabian es bei seinem Test mit dem ORBEA Loki gemacht hat. Plusfullies wie das Bad Habit oder das SCOTT Spark 700 Plus sind für mich in ihrer Ausrichtung schwerer zu greifen, weil der Sprung von einem 2,4er auf einen 2,8er Reifen mir persönlich nicht groß genug ist. Ich glaube vielmehr daran, dass größere 29er Reifen wie etwa der neue 2,6er SCHWALBE Nobby Nic deutlich mehr effektive Sicherheit bringt, als ein 27,5er Plusreifen. Andererseits hängt es natürlich auch stark vom Gelände und Fahrstil ab, denn wenn ich daran denke wie Grannygear über sein neues SPECIALIZED Stumpjumper 6Fattie schwärmt, scheint Plus für ihn sehr wohl zu funktionieren.