BRAKE FORCE ONE H2O Bremse – Erste Praxiseindrücke: von c_g

Wenn es um technisch innovative Testprodukte geht, dann gehört die BRAKE FORCE ONE H2O Disc-Bremse sicher zu einem der spannendsten Teile des noch jungen Jahres 2016. Eigentlich wäre schon der 2-stufige Bremskraftverstärker und der geschlossenen Hydraulikkreislauf spannend genug.

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Die neue BRAKE FORCE ONE H2O wirkt vielleicht filigran, hat aber doch richtig viel Power.

Aber wie schon in den Praxiserfahrungen mit einem Vorserienmodell und im Testintro erwähnt, verfügt die neue BFO H2O auch noch über weitere Features, von denen die werkzeugfreien hydraulische Kupplungen an Bremssattel und Griffen, und natürlich das vieldiskutierte Hydraulikmedium Wasser (des Frostschutzes wegen hier mit Glysantin versetzt – kein Glycerin) die wohl auffälligsten sind.
Jetzt ging es in den letzen Wochen darum herauszufinden, was die „Made in Germany“ Bremse auf dem Trail wirklich kann und da hat sich schnell gezeigt, dass sie nicht nur technisch einzigartig ist …

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Die einfach zu handhabende Hydraulikkupplung ist genial, der Sicherungsspint dagegen etwas pummelig – siehe Update links unten.

MONTAGE: Dank der hydraulischen Kupplungen, mit denen sich die Leitungen in Sekunden von Bremsgriff und -sattel lösen lassen, und die ganz ohne zusätzlicher Kleinteile wie Quetsch- oder Innenhülsen auskommen, ist die Erstinstallation und das Ablängen der Leitungen auf den jeweiligen Rahmen wirklich denkbar einfach. Dazu muss man nur die kleinen Sicherungssplinte abziehen, den Kupplungsring mit dem Fingernagel oder anderem Werkzeug herunterdrücken und die Leitung aus der Fassung ziehen. Dann die Leitung sauber und quetschfrei ablängen und wieder bis zum Anschlag in die Kupplung reinstecken … fertig. Nur das erneute Aufstecken der Sicherungssplinte ist ein wenig fummelig, weil die kleine Plastikteile gerne dabei abknicken. In unserem Fall alles zusammengezählt eine Sache von 3 Minuten je Bremse. Einfacher und bedienungsfreundlicher geht es derzeit nicht.

Update: BRAKE FORCE ONE hat uns soeben mitgeteilt, dass sie gegenüber der ersten ausgelieferten Mustern bereits ein Update in Form eines stabileren Stahl-Sicherungssplints gemacht haben – sie Fotos unten. Die genannte Kritik ist damit pasé.

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ERSTE PRAXISEINDRÜCKE:

Was nach der obligatorischen Einfahrzeit (ca. 20-30 Bremsungen mit jeder Bremse von ca. 30 km/h auf 0 Km/h) schnell deutlich wird, ist dass die BFO H2O zu den kräftigeren Disc-Stoppern gehört – vor allem wenn man ihr sehr niedriges Gewicht berücksichtigt, mit dem sie so manchen XC/Race-Stoppern den Rang abläuft. Der an unserer Testbremse mitgelieferte Einfingerhebel (es gibt auch eine Zweifinger-Version) reicht bisher in allen Situationen aus um die Laufräder zum Blockieren zu zwingen.

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… ein erstes Herantasten an die etwas ungewohnte Modulation der BFO.

Wie schon damals bei der Vorstellung und ersten Testfahrt mit der BFO H2O im Rahmen des Testivals in Brixen angeklungen, ist es die Modulation der Bremse, die der BFO einen ganz eigenen Charakter verleiht und die dafür verantwortlich ist, dass man für den Umstieg auf die BFO etwas Eingewöhnungszeit braucht. Der Grund hierfür liegt in dem 2-stufigen Bremskraftverstärker, der in der ersten Stufe den Kolben schnell an de Scheibe führt und dann in einer zweiten, stark untersetzten Stufe eine hohe Bremskraft aufbaut.
Die Technologie, die im motorisierten Bereich, PKWs, LKWs und Motorräder sehr wohl üblich ist, sorgt in der Praxis auf dem Bike dafür, dass die Bremskraftmodulation der BFO H2O nicht wie bei anderen Discbremsen gewohnt, an einem Druckpunkt greift und von dort ab fast nur noch über die Fingerkraft reguliert wird (bei annähernd gleicher Hebelposition), sondern, dass man die Bremskraft stärker als gewohnt über den Hebelweg steuert. Das heißt in der Praxis, dass man sehr wohl einen festen Druckpunkt spürt an dem die Bremse greift, der Hebel danach mit zunehmender Kraft aber auch immer näher an den Lenker gezogen werden kann. Insbesondere für Fahrer, wie mich, die den Hebel gerne mit geringer Griffweite fahren, reicht der zur Verfügung stehende Hebelweg zum Teil nicht aus um die maximale Bremskraft zu erreichen. So hat sich meine erste Trockeneinstellung der Bremse als vollkommen ungeeignet herausgestellt, weil die Bremse gar nicht ihre volle Power hat entfalten können, ehe der Hebel am Lenker anstand. Es hat ein paar weiterer Einstellungsversuche mit veränderter Griffweite  gebraucht, bis ich ein für mich ideale Handhabung  gefunden hatte.

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Mit den beiden Schrauben kann man sowohl die Griffweit, wie auch den Druckpunkt einstellen.

Die beiden Einstellungen sind übrigens komplett werkzeugfrei direkt am Hebel vorzunehmen. Zuerst wählt man eine Griffweite über die kleine Stellschraube nahe des Leitungsabgangs. Auffällig: Der Verstellbereich der schwergängigen und nicht optimal zugänglichen Schraube ist sehr großzügig und dürfte für jede Handgröße von sehr klein bis sehr groß ausreichen. Allerdings stellt man diesen normalerweise auch nur ein oder zweimal nach bis die passende Position gewählt ist, daher ist die erforderliche Kraft und Zugänglichkeit kein echter Kritikpunkt.
Mit der zweiten, sehr gut zugänglichen Stellschraube vorne am Bremsgriff definiert man die Position und Härte des Druckpunkts. Als geschlossenes System verstellt man mit der Druckpunktschraube den Anfangsdruck im System und damit den offenen Spalt zwischen der Bremsscheibe und den Belägen. Sie ist auch dafür zuständig den Belagsverschleiß immer wieder manuell auszugleichen. Die gute Zugänglichkeit hier ist also von echtem Vorteil. Wenn man die Druckpunktschraube nach vorheriger Wahl der Griffweite zu locker hat, spürt man am Hebel ein mehr oder minder deutliches Freispiel – der Hebel wackelt während der Fahrt in der Führung. Zieht man die Schraube zu stark an, schleifen die Bremsbacken, soweit, dass man im Extremfall die Bremse sogar im Stand blockiert.
Im erster Näherung stellt man den Druckpunkt deswegen so ein, dass der Hebel bei der gewählten Griffweite kein Freispiel mehr hat, die Beläge aber noch schleiffrei an der Disc vorbeilaufen. Die weitere Feineinstellung des Druckpunktes, ob doch etwas härter und früher oder weicher und später, nimmt man dann besser auf dem Trail vor, denn durch das Bremskraftverstärkersystem fühlt die BFO im Stand immer weicher an als sie sich in der Praxis fährt.
An genau in diesem Punkt liegt auch der Grund weshalb die BRAKE FORCE ONE H2O wirklich etwas Umgewöhnungszeit braucht. Im „Normalbetrieb“ geht das recht schnell – nach 2-3 Ausfahrten hatte ich mich mit der BFO H2O soweit angefreundet, dass sie mir bei normaler Gangart kaum mehr aufgefallen ist. Dort wo man vorausschauend agieren kann, die Bremse dosiert einsetzt und im persönlichen Komfortbereich agiert, fühle ich mich mit der BFO h2O sehr wohl und sicher.

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Je mehr man sich andre BFO gewöhnt, desto mehr weiß sie zu begeistern.

In Situationen, in denen man sich an der Fraktionsgrenze bewegt,  wenn Motorik und Sensorik nicht mehr bewusst gesteuert werden, sondern Intuition und angelernten Reflexe die Kontrolle übernehmen, habe ich mich aber auch nach gut 3 Wochen auf der BFO immer noch nicht 100% an die BFO gewöhnt. Das für meine Sinne ungewohnte Nachgeben des Hebels bei zunehmender Fingerkraft löst offenbar unterbewusste Alarmsignale aus. Wohlgemerkt, es kam bisher nie zu echten Fahrfehlern, aber wegen der noch nicht komplett vollzogenen Rekalibrierung meiner Synapsen fühle ich mich mit der Bremse auch noch nicht 100% sicher, obwohl die Erfahrungen mich eigentlich bereits jetzt eines besseren belehrt haben. Wer hätte gedacht, dass ein Bremsentest mal zum Mentaltraining für den Tester werden würde :-).
Ergänzend muss ich aber auch anmerken, dass diese Eindrücke auch dadurch geprägt sind, dass ich die BFO bisher immer im Wechsel mit einer „gewöhnlichen“ Bremse gefahren bin. In den nächsten Wochen kann ich mich aber ausschließlich auf das ROCKY und die dort montierte BFO konzentrieren … ich erhoffe mir dann auch den letzte Schritt der Eingewöhnung vollzogen zu haben.
Ob und wie es mir dabei ergeht,werde ich euch natürlich zeitnah berichten.

Als zusätzliche Beobachtung kann ich auch anmerken, dass die Fingerkraft bei ganz leichtem Bremsungen gefühlt etwas höher ist als bei anderen Bremsen – etwas, das ich auch auf den Bremskraftverstärker zurückführe. Das andere Übersetzungsverhältnis des ersten Hebelwegs bis zum Anlegen der Beläge an der Disc könnten der Grund hierfür sein. Ein Punkt, der auf meine heimischen Trails kaum zum tragen kommt, der aber auf langen Abfahrten alpinen Charakters sehr wohl zum Tragen kommen könnte … aber auch die werden wir nachgehen. Bei heftigeren Bremsungen bleiben die Fingerkräfte aufgrund der hohen Bremskräfte der Bremse subjektiv eher gering.

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Zusammenfassung: Die BRAKE FORCE ONE ist mit ihren Technologien eine Bremse wie keine andere. Ein Aspekt, den man in der Praxis durchaus spürt und der sich vor allem in der nicht sofort intuitiven Modulation abzeichnet. Ansonsten glänzt sie mit einer mustergültig einfachen Montage, hervorragender Bremskraft, sehr guter Einstellbarkeit und toller Ergonomie. Wäre nicht die kraft- und hebelgesteuerte Modulation, an die ich mich in Grenzsituationen auch nach 3 Wochen noch nicht 100% gewöhnt habe, so hätte mich die BRAKE FORCE ONE H2O bereits jetzt restlos begeistert. Die Vorraussetzungen um ganz vorne mitzuspielen sind da – nur mein Hirn kann die Andersartigkeit der BFO noch nicht ganz akzeptieren.
Mal sehen wie es mir in den kommenden Wochen gelingt, mich komplett an die BRAKE FORCE ONE H2O zu gewöhnen … und damit auch den letzten Kritikpunkt wegzubrennen :-).

RIDE ON,
c_g

Ps: Es gibt zwar keine Bilder davon, aber nach dem kürzlichen Wintereinbruch, bin ich die BFO bereits ein paar Male auch bei minusgraden gefahren (Tiefsttemperatur bei ca. -5°C) – bisher ohne jede Auffälligkeiten.