SCOTT Genius LT Plus Tuned – der direkte Vergleich aus Plus und 29er: von c_g

So, weitere Tage sind ins Land gezogen in denen ich zwischen den obligatorischen Weihnachtsmarktbesuchen unser SCOTT Genius LT Plus Tuned Testbike noch sehr viel über die Trails gejagt habe. In dieser zweiten Testphase standen neben den Praxiserfahrungen mit dem Bike zwei große Themen im Vordergrund.

  1. Wie würde sich das Genius LT Plus mit normalen 29er Laufrädern und Reifen fahren?

  2. Brauchen die großen Plus-Reifen ein besonderes Setup der Federelemente um optimal zu funktionieren?

Beides Fragen, die gerade Anbetracht der grundsätzlichen Umrüstbarkeit eines Plus-Bikes zum 29er nicht nur für das Genius LT zu stellen sind, sondern ganz pauschal für die gesamte Riege der Plusbikes relevant sind. Ein echtes Testfazit zum Bike kommt dann in einem weiteren Artikel.

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(Ein Bike und zwei Laufradformate – links als Plus-Bike und rechts als 29er. In beiden Konfigurationen eine spannende Kombination mit maximalem Fahrspaß!)

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1, Wie würde sich das Genius LT Plus mit normalen 29er Laufrädern und Reifen fahren?

Glücklicherweise willigte CUBE ein uns den des Laufradsatz jüngst getestete CUBE Stereo 140 C:68 SLT noch etwas länger zur Verfügung zu stellen und so hatten wir schon mal die erste Hürde genommen – ein 29er Laufradsatz im Boost-Format. Ohne die wären beide Frgen nicht zu beantworten gewesen.
Mit dem CONTINENTAL „Der Baron 2.4 Projekt“ in schlauchlos vorne und einem SCHWALBE Rock Razor 2.35 mit Procore hinten kam der 29er LRS ziemlich genau auf das gleiche Gewicht wie der Original Plus-Laufradsatz des SCOTT (ebenfalls bereits tubeless). Mit dem Genius Bike als echter 29er konnte ich natürlich auch besser beurteilen ob und wenn ja, wie sich das optimale Dämpfersetup zwischen den beiden Laufradformaten unterscheiden würde, aber dazu später mehr …

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Rutschiger oder Loser Untergrund ist einer der Bereiche, in dem die breiten Plus-Reifen sich besser durchsetzen könne, wie die schmäleren 29er Reifen.

Auf dem Trail war es dann richtig spannend beide Laufradsätze im Vergleich auf dem SCOTT Genius LT zu fahren.

Die erste und für mich wirklich überraschende Beobachtung: Die beiden Varianten des Genius unterschieden sich weniger in objektiv greifbaren Aspekten wie der Federungsperformance, der Traktion oder dem Komfort, sind aber in dem nur schwer zu greifenden „Fahrgefühl“ recht unterschiedlich.

Ein wichtiger Aspekt, der aber nur auf der Strasse oder ebenen Forstrassen zum Tragen kam, war dass der im Zwischenbericht erwähnte Self-Steering Effekt. In der 29er Konfiguration war der natürlich auf einen Schlag verschwunden. Die Lenkung war auch auf der Strasse und auf hartem Untergrund präzise und direkt.

Beim ersten Wechsel von der Plus-Konfiguration auf 29er kam mir das Bike auf einen Schlag als schneller, agiler und präziser vor und ich war überzeugt davon, dass das Genius LT als 29er ein besseres Bike wäre. Insbesondere das direktere Handling und Feedback des Bikes fand ich viel sportlicher und für mich angenehmer. Doch schon beim nächsten Wechsel zurück – bei zugegeben rutschigen Verhältnissen – zeigte sich, dass auch die spürbar sattere Bodenlage als Plus-Bike sehr wohl seine Vorzüge hat. Wenn Bike und Fahrer nämlich ständig am Traktionslimit agieren, kann es durchaus angenehm sein, wenn man nicht jeden kleinen Rutscher an Wurzeln und über Kanten so direkt mitbekommt.

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Auch als 29er weiß das SCOTT sich sehr gut in Szene zu setzen.

Auf sehr technischen Trails und bei langsamer Fahrt (z. B. beim Klettern über steile Wurzeltrails im kleinsten Gang oder in verblockten Spitzkehren) ist mir außerdem aufgefallen, dass die 29er doch etwas leichter über die Hindernisse rollen. Offenbar reicht die größere Verformbarkeit der Plusreifen nicht aus um den geringfügig kleineren Durchmesser wieder komplett auszugleichen. Wohlgemerkt, auch diesen Unterschied merkt man wirklich nur bei sehr langsamen und technischen Trails. Sobald man schneller unterwegs ist, verfliegt er wieder.

Sobald der Untergrund wiederum lose oder schottrig wird, kann die 29er Konfiguration es in Sachen Stabilität und Fahrsicherheit nicht mehr ganz mit den Plusreifen aufnehmen. Wo die breiten Reifen einfach geradlinig drüberrollen, werden die schmäleren 29er reifen zunehmend von Seite zu Seite geworfen was dann wiederum vom Fahrer ausgeglichne werden muss.

Ein je nach Terrain aber sehr wohl relevanter und weniger subjektiver Unterschied ist die effektive Tretlagerhöhe. Wie im Zwischenstand angesprochen, bin ich mit dem Genius LT beim Pedalieren anfangs sehr viel an Wurzeln mit den Pedalen hängengeblieben. Nach Umsetzen des Flip-Chips von der ursprünglichen „LOW“ Position auf „High“ wurde es bereits spürbar besser, doch erst als ich mit dem 29er dann keinerlei derartiger Probleme mehr hatte, wurde mir klar, dass so das Tretlager wohl noch mal höher war. Zur Kontrolle habe ich das mal nachgemessen und festgestellt, dass der effektive Unterschied zwischen den 2.8er Nobby Nics und den 2,4er bzw. 2,35er Reifen im 29er Format immerhin 12 mm beträgt … je nach Gelände spürt man das auf dem Trail sehr deutlich. Hier wäre tatsächlich aus meiner Sicht eine konstruktive Lösung sinnvoll um diese Differenz zumindest zu verringern.

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Gerade bergauf ist das beim 29er höhere Tatlager positiv aufgefallen, weil ich weit weniger auf kleinere Hindernisse achten musste.

Neben dem oben angesprochenen Terrain, den Trailbedingungen und der vom Gelände abhängigen Tretlagerhöhe würde ich auch noch den Fahrstil als wichtigstes Argument nennen, was der jeweilige Fahrer als subjektiv besser empfindet. Solche, die ein direkteres Bikehandling suchen, die einen aktiven Fahrstil auf dem Bike pflegen, werden es eventuell als echten 29er eher bevorzugen, solche, die gerne Limits suchen und sich dabei weniger um die perfekte Linienwahl, sondern einfach den Spaß auf dem Trail konzentrieren wollen, werden vielleicht eher die Plusreifen bevorzugen. Solche die beides wollen, sollten sich überlegen ihr Plus-Bike mit zwei Laufradsätzen auszustatten ;-).

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2, Brauchen die großen Plus-Reifen ein besonderes Setup der Federelemente um optimal zu funktionieren?

Zur Beantwortung der Frage nach den potentiellen Unterschieden im Federungssetup, habe ich einfach das aus der bisherigen Fahrpraxis als optimal empfundene Setup auch mit 29er Laufrädern und Reifen weitergefahren und siehe da … das Plus Set-Up hat bereits sehr gut zusammen mit den 29er Laufrädern funktionierte. Sowohl, was die Fahrperformance auf normalen Trails, aber auch auf technischeren Passagen angeht, finde ich, dass keine Veränderungen zwingend notwendig sind.

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Mit satten 160 mm Federweg mag es das Genius LT auch gerne mal etwas gröber … egal ob als 29er wie hier, oder als Plus-Bike.

Nur bei den größeren Sprüngen und harten Landungen ist mir aufgefallen, dass die Federelemente mit den 29er Laufrädern etwas schneller durchschlagen. Offensichtlich dämpfen die Plus-Reifen die Kraftspitzen gerade so viel ab, dass die Druckstufe und Federhärte hier einen Durchschlag gerade noch verhindern. Um diesen wirklich nur geringen Unterschied zu beheben, bin ich zuerst den einfachsten Weg gegangen und habe den Luftdruck in der Gabel und dem Dämpfer einfach nur leicht erhöht. Wohlwissend, dass ich bei solchen Sachen recht sensibel bin, war das für mich schon vollkommen ausreichend.
(Anmerkung: Natürlich kann man den aus meiner Sicht geringen Unterschied im Set-Up auch anders angehen – etwa indem man die (High-Speed-) Druckstufe ein kleine wenig erhöht (geht fast immer nur durch internen Umbau der Federelemente) oder die Progression durch Einsetzten eines Volumensspacers erhöhen, aber die bisherigen Erfahrungen deuten darauf hin, dass es sehr wohl auch ohne geht.)
Die einzige weiter Änderung war, dass ich die Zugstufe für den 29er noch ein wenig mehr geöffnet habe, weil der Rückprall der kleineren 29er Reifen einfach weniger ausgeprägt ist, wie der der große Plus-Reifen.

Die positive Erkenntnis daraus ist: Ein Plus-Bike kann auch was seine Federung angeht ohne weiteres und ohne aufwendige Anpassungen auch als 29er genutzt werden. Das Ergebnis war für mich, dass die Differenz was die Federungsperformance angeht für einen sportlichen Normalfahrer vernachlässigbar ist.

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Vergleichsfazit: Es war eine richtig spannende Sache auf eine und dem selben Bike zwei Laufradformate zu vergleichen – noch zudem auf einem solchen Bike wie dem SCOTT Genius LT Plus Tuned.

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Das Genius LT Plus Tuned ist eine ideale Plattform um darauf das Potential aber auch die Unterschiede zwischen den unterschiedlichen Laufradformaten zu erfahren – hier als 29er.

Wie oben bereits angesprochen, wäre es aus meiner Erfahrung falsch zu sagen, dass das Bike in dem einen oder anderen Setup grundsätzlich schneller, sicherer oder traktionsstärker wäre – es hängt vielmehr von diversen Faktoren ab welche Konfiguration einem besser liegt. Mit 29er Reifen fährt es sich direkter und gefühlt agiler, während es mit Plus-Reifen eine sattere Bodenlage hat und gefühlt Fahrfehler und eine unsaubere Lininenwahl eher verzeiht. Grundsätzlich sind die Untrerschiede aber nie so groß, dass man nach entweder oder entscheiden müsste, denn egal ob in der Original-Konfiguration mit Plusreifen oder in Alternativ-Konfiguration mit 29er Reifen bekommt man stets ein Bike, das in Sachen Traktion, Fahrsicherheit und Komfort TOP ist.
Außerdem, das Tolle an Plus-Bikes ist ja gerade, dass man sich nicht vorher schon auf ewig festlegen muss, wie man das Bike fahren will. Mit einer überschaubaren Investition in einen 2. Laufradsatz kann man sowohl das Fahrgefühl verfeinern, wie auch den Einsatzbereich des Bikes erweitern. Es lebe die Vielfalt.
Die Grundsatzfrage wie praktikabel die Umrüstbarkeit zwischen 29er und Plusbike wirklich ist, wäre damit eindeutig positiv beantwortet – man kann, man darf und in meinen Augen sollte man da offen sein.

RIDE ON,
c_g