RADON Slide 130 9.0 SL – Testfazit (& Direktvergleich):  von c_g

Vorwort: Wir haben diesen Vergleichstest auf vielfachen Leserwunsch hin gestartet, um herauszufinden was die beiden Bikes wirklich drauf haben und welches zu welchem Fahrertyp besser passt. Würde man das Plus an Federweg beim VOTEC wirklich merken? Wie schlägt sich der Preisvorteil des RADON in der Ausstattung oder der Fahrperformance nieder? Gibt es überhaupt nennenswerte Unterschiede oder echte Patzer in der Ausstattung?

Zu die beiden detaillierten Intro Artikel zum RADON Slide 130 9.0 SL und meinen ersten Fahreindrücke, einfach auf die Links klicken.

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In den ersten Fahreindrücke fand ich beide Fullies sehr gut – Geometrie, Federung und Gesamteindruck waren bei beiden vollkommen im grünen Bereich … nicht ganz identisch aber auf alle Fälle tadellos. Die Unterschiede waren lediglich, dass das Radon Slide 130 9.0 SL im Fahrverhalten (1.) eine leichte Tendenz zu laufruhig hatte und sich in der (2.) Federung etwas direkter gefahren hat war.

Zu 1: Die Sache mit dem tendenziell eher laufruhigen Handling konnte ich dann auch noch klären.  Nach dem Zwischenbericht habe ich dazu  einen kürzeren Vorbau (75 mm anstatt des ursprünglichen 90 mm) montiert … et voila, damit war das Slide 130 auf einen Schlag ebenso agil und verspielt, wie ich es am VOTEC als „nahezu perfekt“ betitelt hatte und auch das vorher angesprochen, leicht frontlastige Sitzposition war mit einem Mal behoben. Nach diesem Umbau konnte ich die beiden Bikes im Handling nicht mehr voneinander entscheiden was auch für das RADON Slide 130 ein sehr großes Kompliment ist.
–> Ergo: Wenn auch nicht aus dem Karton heraus perfekt, so war es lediglich eine kleine Änderung die es brauchte das Optimum für mich herauszukitzeln. Weniger auf technische Trails ausgerichtete, oder marathonlastige Fahrer sind mit dem längeren Vorbau genauso gut beraten. Nach der Änderung – also echter Gleichstand was das Handling angeht und volle Punktzahl.

32 RADON Slide 130Zu 2: Der Eindruck der direkteren Heckfederung muss ich etwas ausführen. Bei einem Sag von ca. 20% fühlt sich das RADON Slide tatsächlich wie ein 120 mm Fully, mit 10 mm als effektive Reserve für Extremsituationen. Dementsprechend muss man das RADON in wirklich heftigen Trails dann ein wenig aktiver dirigieren. Dafür konnte ich das RADON bergauf fast immer mit offenem Dämpfer fahren und musste nur für Wiegetrittpassagen oder besonders steile Anstiege je die Plattformdämpfung bemühen. Mir persönlich war das direkte Feeling des RADON fast sogar ein wenig lieber, aber das darf jeder wirklich für sich entscheiden.

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Wohlgemerkt alles das gilt nur bei identischem Sag von ca. 20 %. Ich habe deswegen gegen Ende nochmal den Luftdruck am RADON etwas reduziert und den Sag auf ca. 25-30% gebracht. Der Effekt war, dass das Radon ebenso sänftenartig über die Trail geglitten ist, wie das VOTEC, aber eben auch das gleiche leichte Einsacken in steilen Uphills hatte und letztlich in seinen sonst sehr guten Allroundeigenschaften gelitten hat. 20% Sag bleibt für mich als auch weiterhin der Sweet-Spot in dem das Slide am besten arbeitet.

–> Identisch eingestellt (ca. 20% Sag), fährt sich der Hinterbau des RADON Slide etwas progressiver und nicht so komfortbetont wie das VOTEC. Geht man mit dem Luftdruck etwas runter kann man zwar mehr Komfort aus dem Hinterbau herauskitzeln, nimmt im aber die sonst sehr guten Bergau- und Allroundeigenschaften. Letztlich bleibet es aber dabei, dass das  Radon Slide 130 eine sehr gelungen Federung besitzt, die das komplette All-Mountain Spektrum abdeckt … und sich dabei aber gerade wegen der stärkeren Progression auch noch in Richtung Marathon ausdehnt.

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Bleibt als letzter Themenbereich die AUSSTATTUNG anzusprechen.

Bereits zum Zwischenstand hatte ich dem RADON Slide eine ungünstige Reifenwahl mit dem  CONTI MK II 2.4 Reifen attestiert. Ich selber konnte mich in meinem Gelände einfach überhaupt nicht damit anfreunden. Sobald die schnelleren SCHWALBE Nobby Nic 2.25 auf dem Bike waren, war es wie transformiert und plötzlich 110% stimmig. Wunderbar schnell, direkt, präzise und einfach eine Rakete auf dem Trail – ein klassisches sportliches All-Mountain mit einer so guten Effizienz, dass ich mich damit nicht scheuen würde auch einen Marathon zu fahren. Was Reifen doch so ausmachen – verblüffend.

22 RADON Slide 130Die etwas strammere Übersetzung mit einem 26er kleinen Kettenblatt könnte man als Transalp-Fahrer und alpiner Tourer kritisieren, aber mit den schnellen Reifen und dem Anwendungsbereich mehr in Richtung sportliches AM war das 26er KB plötzlich auch kein Kritikpunkt mehr. Eher tourig ausgelegte Biker sollten dennoch auf ein anderes Modell des RADON Slide mit einer günstigeren Kurbelübersetzung gehen, denn die aktuelle XTR Kurbel kann nicht mit einem noch kleineren Kettenblatt nachgerüstet werden.

In der übrigen Ausstattung gab es keine weiteren Defizite (und die beiden Bikes stehen sich ziemlich ebenbürtig gegenüber).
Auch wenn die Unterschiede nur marginal sind, hat mir persönlich die XTR-Schaltung im direkten Vergleich schon noch einen Tick besser gefallen. Allein die Möglichkeit mit dem einen Hebel in beide Richtungen schalten zu können, aber auch die unglaublich sicheren und dennoch weichen Schaltvorgänge sind einfach doch nur an der SHIMANO Top-Gruppe zu finden.

10 RADON SLIDE 130Auch die FORMULA T1 Disc Bremsen fand ich ein wenig besser zu dosieren, als die AVID Elixir 9 Trail, die am VOTEC verbaut sind (und auch dort stets für mehr als genug Bremskraft sorgen :-)). Die etwas komplizierte Anordnung der Armaturen in eigenen Einheiten, hat ein wenig gebraucht, bis alles nach meinen Wünschen eingestellt war – von da an aber gab es keine Kritikpunkte mehr.

Den im Intro geäußerten Kritikpunkt mit den schmalen Felgen der DT-SWISS Spline 1700er Laufräder kann und muss man einem All-Mountain-Bike ankreiden. Vor allem wenn man mit  breiten Reifen fahren will, sind die 19,5 mm Maulweite nicht mehr wirklich zeitgemäß. Setzt man die Ausrichtung des Slide aber eher als sportliches All-Mountain vom Trailride bis zum Marathon (wie besonders gut erfahrbar mit den 2.25er NNs) ist die Kombi auch mit den schmalen DT-SWISS Laufräder vollkommen problemlos. Schnell sind die Laufräder auf jeden Fall. Funktionell blieben sie in dem Test ohne jegliche Auffälligkeiten.

Die ROCK SHOX Reverb Stealth die an beiden Bikes zu finden ist, macht Trailritte zum Vergnügen und erlaubt viel Bewegungsfreiheit auf technischeren Trails ohne dafür abzusteigen … wer eine Dropper-Post einmal länger gefahren ist, will sie nicht mehr missen.

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Fazit – RADON Slide 130 9.0 SL: Im Einsatzbereich und Federweg passt das RADON Slide 130 9.0 SL genauso wie das VOTEC VX135 präzise in die All-Mountain Kategorie. Mit allen vielschichtigen Anforderungen dieser Kategorie wie effizientes Klettern, potentes Fahrwerk, gutmütiges und sicheres Handling ohne langweilig zu werden – wird es spielend fertig. Allerdings würde ich beim das RADON den Einsatzbereich von All-Mountain (mit den geeigneten Reifen) auch jederzeit in Richtung Marathon erweitern – in erster Linie wegen der strafferen Federungscharakteristik und der schmäleren Felgen die das Bike hierfür prädestinieren. Die kleinere Änderungen mit einem kürzeren Vorbau, mit dem ich das Bike Bike sogar noch besser fand, kann man ihm nicht wirklich ankreiden, denn da hat jeder persönliche Vorlieben. Insgesamt bleibt es ein wirklich sehr gutes und vielseitiges Bike.
Mit einem VK von € 2799.- und damit 200.- unter dem VOTEC kann man die kleineren Optimierungen je nach persönlichen Vorlieben machen, wenn man es will und bekommt letztlich ein sehr gutes und potentes 29er Fully.

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Gesamtfazit – Direktvergleich:

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Nach gut 5 Wochen auf beiden Bikes und mit kleineren Modifikationen an beiden, sehe ich zwischen dem RADON und dem VOTEC einen zu 90 % deckungsgleichen Einsatzbereich – bei bestenfalls 10 % Unterschied. Den Einsatzbereich eines Touren-/All-MountainFullies füllen sie beide perfekt aus. Wo das RADON Slide 130 9.0 SL sich aber auch in Richtung  Marathonbike-Trailrakete sehr gut gemacht hat, streckt sich das VOTEC VX 135 auf der anderen Seite nach einer noch aggressiveren Fahrweise und noch technischeren Trails aus. Aber wie gesagt, das sind die 10%, nicht mehr.
So gern ich das auch würde – einen echten Sieger kann ich auch nach all der Zeit nicht nennen, denn dazu liegen die Unterschiede zu sehr im subjektiven Bereich, den jeder Fahrer für sich definieren muss  … und in Details, deren Wertung ebenfalls jeder anders setzt. Die wirklich wichtigen, die das Handling angehen, lassen sich zum Teil durch kleinere Umbauten (andere Reifen und Vorbau) leicht korrigieren.

–> Tolle Bikes mit einer sehr guten Ausstattung, die jeden Cent ihres Preises wert sind, sind sie beide, daran habe ich auch nach dem Test keinen Zweifel. Klare Kaufempfehlung für beide.

RIDE ON,
c_g