CANYON Grand Canyon SLX 8.9 – offizieller Testabschluss: von Thomas Hebestreit

Mein Dauertestbike zeigte spätestens beim Zwischenstand, dass er mehr als eine Race-Replika ist. Beeindruckend finde ich nicht nur das Preis-Leistungsverhältnis, sondern auch die Fahrleistungen: Enormer Vortrieb, sehr wendiges und dennoch sicheres Handling – auch im schweren Gelände.

Für den vergangenen Testabschnitt tauschte ich die Crossride-Laufräder gegen die SPLINE XR1450 29. Die sind deutlich leichter als die Serienpendants und machen sofort deutlich, wie viel reinrassiges Racepotential in dem Karbonrahmen steckt: Das Bike lässt damit sich noch leichter beschleunigen, wird noch agiler, verspielter und … einfach besser. Ein Tausch der auch dehalb willkommen war, weil das Mavic-Hinterrad immer wieder Lagerspiel in der Nabe entwickelte, was zwar mit dem mitgelieferten Nachstell-Werkzeug schnell behoben ist, aber einfach nicht sein sollte.

An langen Anstiegen ist die Macht mit dem Canyon, oder besser: Mit dem Biker, der es bewegt! Schnelle und flowige Abfahrten sind mit dem SLX 8.9 selbst unter Sauerstoffmangel in der letzten Rennphase noch ein Riesenspaß. Ruppige Geländepassagen meistert das Bike ebenfalls perfekt – nebst unerschrockenem Fahrer, der immer die Kontrolle behält.

Wird’s sehr ruppig, fängt die SID-Gabel zwar an, sich leicht zu verwinden, was in meiner Gewichtsklasse aber noch kein Problem ist. Außerdem zeigt sich der Lockout recht anfällig für Verschmutzungen. Einmal musste ich mit offener Gabel sprinten. Kein Drama, wenn man seefest ist, aber eben nicht Sinn der Sache. Mit der entsprechenden Pflege läuft er aber ohne Probleme.

Die SRAM X9 zeigt, dass nicht immer absolutes Topmaterial braucht, selbst nicht bei ambitioniertem Renneinsatz. Budgetbewusste Racer können damit durchaus punkten. Abstriche müssen natürlich beim Gewicht gemacht werden, aber in Sachen Haltbarkeit steht die X9 bisher in unserem Test den Topgruppen in nichts nach.

Kleinere Kritikpunkte gibt’s noch. So fing das SRAM X9 Type2 Schaltwerk bei Schaltvorgängen schnell an zu jammern. Sprich: Es knarzte hörbar, wenn die Kette den Käfig noch vorn zog. Ein Problem, das bei einer Charge SRAM Type2 Schaltwerken auftritt und von SRAM anstandslos ausgetauscht wird. Die verbauten Avid Elixier 5 Bremsen arbeiten souverän, allerdings fehlt mir hier das letzte Quantum Leistung auf winkligen Rennkursen mit harten Bremspunkten – gemessen am Preis des Gesamtpaketes kein wirklich harter Kritikpunkt. Das für meinen Geschmack ultrabreite Cockpit sollte von den 720 Millimetern auf 680 gekürzt werden – dann kommt der geneigte Racer auch (gefühlt) besser an zu überholenden Kontrahenten vorbei.

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DER ZWISCHENFALL:

 

Leider endete der berauschend schöne „Schwarzwald Ultra Bike-Marathon“ mit einem Bruch des Rahmens beim Schlusssprint. Der Rahmen brach komplett am Sitzrohr, weitere Brüche zeigten sich in Folge am Hinterbau. Immerhin blieb das Rad trotz des kapitalen Defekts noch fahrfähig – auch unter Volllast. Den Schlusssprint brachte ich damit immerhin noch zu Ende … in erster Linie weil ich nicht wußte, was da grad passiert war sonst wäre ich wohl keinn Meter mehr damit gefahren. Ich war ziemlich schockiert, dass der Rahmen in einer Fahrsituation fernab des Grenzbereiches krachend bricht, zumal das Bike bisher die wirklich harten Rennpisten noch gar nicht gesehen hatte aber es ist wie es ist und so ging das Bike zurück zu CANYON.

Dort tauschte man den Rahmen anstandslos um und schickte uns einen ausführlichen Prüfbericht des hauseigenen Prüflabors – ein Standardverfahren bei CANYON um Defekt bestmöglich zu bearbeiten und dem Kunden den bestmöglichen Service zu bieten.
In dieser Untersuchung wurde der Rahmen mittels mikroskopischer, radioskopisch und computerthomographisch unter die Lupe genommen um ein mögliche Ursache zu finden. Wie so oft konnte keine eindeutige Ursache ermittelt werden. Canyon vermutet eine Vorschädigung oder eine Überlastungssituationen. Beides kann ich bei meiner Fahrweise und Gewicht, sowie meiner Sorgfalt beim Transport ausschließen und so bleibt der Vorfall mit einem Fragezeichen versehen. Nach knapp 6 Wochen war das Bike jedenfalls mit einem neuen Rahmen zurück.

Seitdem bewege ich es – anfangs noch zögerlich und vorsichtig – wieder regelmäßig im Training und bei Rennen … in den vergangenen 2 Monaten ohne irgendwelche weiteren Zwischenfälle.

(Rennszene - fotografiert von Mariel Rose)

Etwas enttäuscht war ich nach dem Rahmentausch über die schlecht befestigte Bremsleitung der Hinterradbremse und deren inkorrekte Einstellung (heftiges Dauerquietschen). Keine große Sache und mit eine paar geübten Handgriffen beseitigt – wer allerdings nicht selber schraubt, stünde damit aber schon wieder vor der Herausforderung nächsten Händler aufzusuchen … unnötig und überflüssig.

DAUERTESTFAZIT: Zum Testabschluss bleibt der Eindruck bestehen, dass das Canyon Grand Canyon SLX 8.9 ein rundes Paket ist – mit Ausnahme der etwa zu schweren und nicht ganz sorgenfreien Laufräder (wiederholtes Lagerspiel in der HR-Nabe).

(Foto von Mariel Rose)

Im Rennen (und mit leichterem Laufradsatz) jedenfalls zeigt das Bike seinen starken Vortrieb und eine ausgezeichnete Effizienz. Die Geometrie des Rahmens passt perfekt zum sport- bzw. rennambitionierten Einsatz ohne den Allrounder auf der Strecke zu lassen und ist als sehr ausgereift zu bezeichnen. Mit seinen technischen Merkmalen, sei es dem Rahmengewicht, der Stetigkeit, den Dämpfungseigenschaften oder den implantierten Standards (Press-Fit Tretlager und 42×12 Steckachse hinten) dürfte es noch länger eine zukunftssichere Investition für Presibewußte bleiben.
Nach sechs Monaten Testdauer bin ich immer noch (oder besser gesagt: wieder) sehr gern mit dem Garnd Canyon SLX 8.9 unterwegs. Gemessen am Preis von gerade mal 1.999€ bleiben realistisch kaum Kritikpunkte.
(Der Schrecken mit dem defekten Rahmen und was hätte passieren können, sitzt allerdings tief – Ich hoffe dem neuen Rahmen gegenüber wieder das ursprüngliche Vertrauen aufzubauen das ich in den ersten Rahmen hatte und bald alle innere Verkrampfung loszuwerden.)

Wir berichten wenn noch Auffälligkeiten auftreten sollten – denn es bleibt noch weiter bei uns im Einsatz.

Thomas Hebestreit